OGH 4Ob170/15a

OGH4Ob170/15a17.11.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Jensik, Dr. Musger, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Rassi als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B***** S.p.A., *****, vertreten durch Hule Bachmeyer-Heyda Nordberg Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei d***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Norman Dick und Dr. Michael Dyck, Rechtsanwälte in Salzburg, wegen Unterlassung, Beseitigung, Auskunft und Urteilsveröffentlichung, über die Revision der klagenden Partei (Revisionsinteresse 7.000 EUR) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien vom 27. Mai 2015, GZ 3 R 14/15y‑56, mit welchem das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 30. Dezember 2014, GZ 29 Cg 26/14i‑50, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt :

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0040OB00170.15A.1117.000

 

Spruch:

 

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 559,15 EUR bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung (darin 93,19 EUR Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin ist Inhaberin von Gemeinschaftsmarken mit dem Wortbestandteil „B*****“, die ua für kosmetische Erzeugnisse und Parfümeriewaren geschützt sind. Sie vertreibt ihre Produkte über ein selektives Vertriebssystem. Dabei wählt sie ihre Vertriebspartner nach objektiven Qualitätskriterien aus. Diesen ist vertraglich untersagt, Produkte der Klägerin an Händler außerhalb des Vertriebssystems zu verkaufen.

Die Beklagte betreibt österreichweit 370 Filialen. Sie gehört dem selektiven Vertriebssystem der Klägerin nicht an, bezieht aber Originalware der Klägerin seit 1997 von einem (ungenannten) Großhändler mit Sitz im EWR. Dieser „garantiert“ ihr die markenrechtliche Verkehrsfähigkeit, weil er selbst von Vertragshändlern ankaufe. Auch die sonstigen Markenparfums ihres Sortiments bezieht die Beklagte ‑ soweit selektive Vertriebssysteme bestehen ‑ auf diese Weise.

Die Parfums der Klägerin werden von einem dritten Unternehmen in Italien hergestellt, verpackt und zum Versand bereitgestellt. Auf den Kartons ist ein Barcode aufgedruckt. Die Packungen kommen sodann in eine Kiste, auf der ebenfalls ein Barcode aufgedruckt ist. Beide Codes werden vom Hersteller eingelesen und verknüpft. Bei der Versendung wird der Code der Kiste neuerlich eingelesen und dem jeweiligen Empfänger zugeordnet. Damit ist dem Hersteller bekannt, wohin die einzelnen Kisten mit den Parfums jeweils ausgeliefert wurden. Die Verpackungen als solche lassen keinen Rückschluss auf den Ort des erstmaligen Inverkehrbringens zu.

Am 22. Februar 2012 erwarb ein Testkäufer in einer Wiener Filiale der Beklagten drei mit den Marken gekennzeichnete Parfums. Es handelte sich um Originalware. Bei einem dieser Parfums ergaben die vom Hersteller gespeicherten Daten, dass es nach Singapur ausgeliefert worden war. Die Vorinstanzen konnten nicht feststellen, dass dieses Parfum nachfolgend durch die Klägerin oder mit deren Zustimmung im EWR in Verkehr gesetzt worden wäre. Die Beklagte hatte auch dieses Parfum von ihrem ständigen Lieferanten bezogen. Weitere Eingriffe in die Markenrechte der Klägerin konnten die Vorinstanzen nicht feststellen.

Die Klägerin erhob Unterlassungs-, Beseitigungs- und Auskunftsbegehren. Aufgrund der bisher ergangenen Entscheidungen ist ihr rechtskräftig untersagt,

„ohne Zustimmung der Klägerin kosmetische Erzeugnisse, insbesondere Parfums der Marken B***** und/oder B***** O*****, anzubieten und/oder in Verkehr zu bringen, die weder von der Klägerin noch mit deren Zustimmung im Europäischen Wirtschaftsraum in Verkehr gebracht wurden“.

Rechtskräftig abgewiesen wurden hingegen Beseitigungs- und Veröffentlichungsbegehren sowie zwei weiterreichende Unterlassungsbegehren. Letztere waren gegen das Inverkehrbringen jeglicher mit den Marken gekennzeichneter Parfums gerichtet (also auch solcher Parfums, die erstmals im EWR in Verkehr gebracht worden waren), wenn die Beklagte nicht am selektiven Vertriebssystem teilnehme oder durch das Inverkehrbringen den Ruf der Marken beeinträchtige. Insofern nahm das Erstgericht ‑ unbekämpft ‑ an, dass der Ruf der Marken durch den Verkauf in den Geschäftslokalen der Klägerin nicht beeinträchtigt werde.

Im Revisionsverfahren strittig ist ausschließlich das Auskunftsbegehren. Der Beklagten soll aufgetragen werden,

„der Klägerin hinsichtlich sämtlicher kosmetischer Erzeugnisse in der Verfügungsgewalt der Beklagten, welche die Marken B***** und/oder B***** O***** aufweisen, Auskunft über Namen und Anschrift der Vertreiber, Lieferanten und anderen Vorbesitzer der Waren sowie über die Mengen der von der beklagten Partei ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Waren und die Preise, die für diese Waren bezahlt wurden, zu erteilen“.

Die Klägerin stützt sich insofern auf § 55a MSchG. Die Beklagte könne aufgrund unzulässiger Parallelimporte aus Drittstaaten die Preise von Händlern unterbieten, die dem selektiven Vertriebssystem der Klägerin angehörten und aus diesem Grund höhere Qualitätsstandards erfüllen müssten. Daher habe die Klägerin ein Interesse, die Lieferanten der Beklagten zu erfahren. Der Auskunftsanspruch hänge nicht von einem Verschulden des Verletzers ab. Das Auskunftsbegehren sei auch nicht unverhältnismäßig, weil diese Frage nicht nach quantitativen Kriterien zu beurteilen sei. Daher sei unerheblich, dass der Beklagten nur eine einzige Markenrechtsverletzung nachgewiesen sei. Es sei notorisch, dass derartige Rechtsverstöße im Wirtschaftsleben bewusst, planmäßig und in großem Umfang organisiert würden. Unverhältnismäßigkeit sei nur in ganz besonders gelagerten Einzelfällen anzunehmen, so etwa dann, wenn zweifelsfrei feststehe, dass keine weitere Rechtsverletzung zu befürchten sei. Bestehe ‑ wie hier ‑ Wiederholungsgefahr, müsse auch der Auskunftsanspruch bejaht werden. Dies gelte umso mehr, als ja schon deswegen kein bloßer „Einzelfall“ vorliegen könne, weil die Parfums der Klägerin kistenweise verschickt würden.

Die Beklagte wendet ein, der Auskunftsanspruch bestehe „nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes“ nur bei „widerrechtlich gekennzeichneter Ware“, nicht aber bei unverfälschter Originalware. Solche liege hier vor. Zudem sei der Anspruch auf Gegenstände beschränkt, die in das Markenrecht eingriffen; für das uneingeschränkte Begehren der Klägerin fehle daher die Grundlage. Jedenfalls sei das Begehren aber unverhältnismäßig, weil nur ein einziger Verstoß vorgelegen habe, die Beklagte alles unternommen habe, um Markenrechtsverletzungen zu verhindern und die Klägerin insofern jede Hilfestellung verweigere. Unter diesen Umständen führte die Pflicht zur Bekanntgabe der einzigen Bezugsquelle ‑ von der die Beklagte sonst ausschließlich verkehrsfähige Ware bezogen habe ‑ zu einer unzulässigen Einschränkung des (Preis-)Wettbewerbs.

Das Erstgericht wies das Auskunftsbegehren ab. Es könne offen bleiben, ob § 55a MSchG auch unzulässige Parallelimporte erfasse. Denn jedenfalls sei das Begehren unverhältnismäßig. Die Klägerin strebe damit die Bekanntgabe jener Vertriebshändler an, die ‑ abgesehen von einem Einzelfall ‑ in zulässiger Weise verkehrsfähige Ware geliefert hätten. Eine Rechtsverletzung sei seit 1997 nur in einem einzigen Fall festgestellt worden, wobei der Eingriff eher als Versehen denn als bewusster Verstoß anzusehen sei. Der Unterlassungstitel und dem Lieferanten im Verhältnis zur Beklagten drohende Pönalen stellten ausreichend sicher, dass sich der Verstoß nicht wiederhole.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Es sprach aus, dass der Wert seines Entscheidungsgegenstands in Bezug auf das Auskunftsbegehren 5.000 EUR, aber nicht 30.000 EUR übersteige und die Revision insofern zulässig sei.

Zwar sei § 55a MSchG auch auf unzulässige Parallelimporte anzuwenden. Das Berufungsgericht teile jedoch die Auffassung des Erstgerichts, dass das Auskunftsbegehren im konkreten Fall unverhältnismäßig sei. Die Revision sei zulässig, weil Rechtsprechung zum Auskunftsanspruch bei unzulässigen Parallelimporten fehle.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen diese Entscheidung gerichtete Revision der Klägerin ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig, sie ist aber nicht berechtigt.

1. § 55a Abs 1 MSchG regelt den Auskunftsanspruch des Markeninhabers. Diese Bestimmung lautet wie folgt:

„Wer in einer der ihm aus einer Marke zustehenden Befugnisse verletzt worden ist, kann Auskunft über den Ursprung und die Vertriebswege der rechtsverletzenden Waren und Dienstleistungen verlangen, sofern dies nicht unverhältnismäßig im Vergleich zur Schwere der Verletzung wäre und nicht gegen gesetzliche Verschwiegenheitspflichten verstoßen würde; zur Erteilung der Auskunft sind der Verletzer und die Personen verpflichtet, die gewerbsmäßig

1. rechtsverletzende Waren in ihrem Besitz gehabt,

2. rechtsverletzende Dienstleistungen in Anspruch genommen oder

3. für Rechtsverletzungen genutzte Dienstleistungen erbracht haben.“

§ 55a Abs 1 MSchG beruht auf Art 8 Abs 1 der RL 2004/48/EG zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums (DurchsetzungsRL):

„Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die zuständigen Gerichte im Zusammenhang mit einem Verfahren wegen Verletzung eines Rechts des geistigen Eigentums auf einen begründeten und die Verhältnismäßigkeit wahrenden Antrag des Klägers hin anordnen können, dass Auskünfte über den Ursprung und die Vertriebswege von Waren oder Dienstleistungen, die ein Recht des geistigen Eigentums verletzen, von dem Verletzer und/oder jeder anderen Person erteilt werden, die

a) nachweislich rechtsverletzende Ware in gewerblichem Ausmaß in ihrem Besitz hatte,

b) nachweislich rechtsverletzende Dienstleistungen in gewerblichem Ausmaß in Anspruch nahm,

c) nachweislich für rechtsverletzende Tätigkeiten genutzte Dienstleistungen in gewerblichem Ausmaß erbrachte, oder

d) nach den Angaben einer in Buchstabe a, b oder c genannten Person an der Herstellung, Erzeugung oder am Vertrieb solcher Waren bzw. an der Erbringung solcher Dienstleistungen beteiligt war.“

2. Dieser Auskunftsanspruch besteht grundsätzlich auch bei unzulässigen Parallelimporten.

2.1. Tatbestandsvoraussetzung des Anspruchs gegen den Verletzer ist ‑ abgesehen vom Erfordernis der Verhältnismäßigkeit ‑ nach dem eindeutigen Wortlaut von § 55a MSchG und von Art 8 Abs 1 DurchsetzungsRL die Verletzung eines Markenrechts („Wer in einer der ihm aus einer Marke zustehenden Befugnisse verletzt worden ist“ bzw „Verfahren wegen Verletzung eines Rechts des geistigen Eigentums“). Auf welche Weise diese Verletzung erfolgt, ist danach unerheblich. Damit besteht schon nach dem Wortlaut der genannten Bestimmungen kein Zweifel, dass auch Fälle der nicht eingetretenen Erschöpfung erfasst sind.

Nicht nachvollziehbar ist daher die ‑ in der Sache von der Beklagten übernommene ‑ Argumentation von Schachter (in Kucsko/Schumacher , marken.schutz 2 [2013] § 55a MSchG Rz 23), wonach der Anspruch nach dem „Wortlaut“ der Bestimmung auf Auskunft über Herkunft und Vertriebsweg von „widerrechtlich gekennzeichneten Gegenständen“ gerichtet sei, während es sich bei Parallelimporten um „Originalware“ handle. Weder § 55a MSchG noch Art 8 DurchsetzungsRL nehmen auf „widerrechtlich gekennzeichnete Gegenstände“ Bezug; beide Bestimmungen knüpfen ausschließlich an einer (wie immer gearteten) Verletzung des Markenrechts an. In der Sache vertritt allerdings auch Schachter (aaO Rz 24 f) zutreffend die Auffassung, dass der Auskunftsanspruch grundsätzlich auch bei unzulässigen Parallelimporten bestehe.

2.2. Tatsächlich auf „widerrechtlich gekennzeichnete Gegenstände“ stellt zwar die § 55a MSchG entsprechende Regelung in § 19 dMarkenG ab. Auch zum deutschen Recht ist aber unstrittig, dass der Auskunftsanspruch auch bei rechtswidrig in Verkehr gebrachter Originalware (also insb bei unzulässigen Parallelimporten) bestehen kann (BGH I ZR 35/00, Aspirin, GRUR 2002, 1063 [1067]; I ZR 27/03, Parfumtestkäufe, GRUR 2006, 504 [506]; BGH I ZR 55/05, Hollister, GRUR 2008, 796; Ingerl/Rohnke MarkenG 3 [2010] § 19 Rz 9; Lange , Marken- und Kennzeichenrecht 2 [2012] Rz 5805).

2.3. Der Auskunftsanspruch ist daher nicht schon deshalb ausgeschlossen, weil es sich beim (einzigen) Eingriffsgegenstand um Originalware gehandelt hat.

3. Im konkreten Fall scheitert der Auskunftsanspruch allerdings am Kriterium der Unverhältnismäßigkeit.

3.1. Die Prüfung dieses Kriteriums erfordert eine umfassende Abwägung der Interessen von Markeninhaber und Verletzer ( Schachter in Kucsko/Schumacher , marken.schutz 2 § 55a MSchG Rz 23; Fezer , Markenrecht 4 [2009] § 19 MarkenG Rz 43; Hacker in Ströbele/Hacker , Markengesetz 11 [2015] § 19 Rz 39). Dabei stehen einander regelmäßig das Interesse des Rechteinhabers an der Aufdeckung der Bezugs- und Absatzwege des Verletzers und das Interesse des Verletzers an der Geheimhaltung dieser Umstände gegenüber. Im Regelfall wird dabei das Interesse des Rechteinhabers überwiegen ( Amschewitz , Die Durchsetzungsrichtlinie und ihre Umsetzung im deutschen Recht [2008] 150; Hacker in Ströbele/Hacker , Markengesetz 11 § 19 Rz 39; Ingerl/Rohnke , Markengesetz 3 § 19 Rz 39). Dies gilt grundsätzlich auch beim Vertrieb nicht erschöpfter Originalware (BGH I ZR 27/03, Parfumtestkäufe, GRUR 2006, 504 [507]; Hacker in Ströbele/Hacker , Markengesetz 11 § 19 Rz 39; Ingerl/Rohnke , Markengesetz 3 § 19 Rz 42).

3.2. Im konkreten Fall überwiegt indes eindeutig das Interesse der Beklagten am Unterbleiben der Auskunft.

(a) Zwar hat die Klägerin ein wirtschaftlich nachvollziehbares Interesse an der Bekanntgabe der Bezugsquelle der Beklagten. Dieses Interesse ist aber zu einem großen Teil damit begründet, dass sie bei Kenntnis des Lieferanten auch die Belieferung der Beklagten mit verkehrsfähiger (dh erschöpfter) Originalware unterbinden könnte. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen ist den Vertriebspartnern der Klägerin untersagt, Ware an nicht dem System angehörende Händler zu liefern. Es besteht bei realistischer Betrachtung kein Zweifel, dass die Klägerin diese Verpflichtung auch gegenüber der Bezugsquelle der Beklagten durchsetzen würde.

Dadurch entsteht aber die Gefahr einer Marktabschottung, die beim Unterlassungsanspruch zu einer Umkehr der Beweislast führt: Zunächst müsste die Klägerin das Inverkehrbringen außerhalb des EWR beweisen, erst dann die Beklagte die Zustimmung des Markeninhabers zu einem weiteren Inverkehrbringen im EWR (EuGH C-244/00 , van Doren , ÖBl 2003, 296 [ Gamerith ] = ecolex 2003, 700 [ Reitböck ]; 17 Ob 16/09s, Diesel III, SZ 2009/126; RIS-Justiz RS0125253). Die Gefahr einer Marktabschottung setzt nicht zwingend ein ausschließliches Vertriebssystem voraus, sie kann auch bei einem selektiven Vertriebssystem bestehen, wenn es den Vertriebspartnern vertraglich untersagt ist, ihre Produkte an Zwischenhändler außerhalb des Vertriebssystems zu verkaufen (BGH I ZR 52/10, CONVERSE I, GRUR 2012, 626 [629]; Hacker in Ströbele/Hacker , Markengesetz 11 § 24 Rz 44 mwN).

Daraus ist zwar nicht abzuleiten, dass allein die Gefahr der Marktabschottung zum Nichtbestehen des Auskunftsanspruchs führt. Wohl aber wiegt das Interesse des Markeninhabers am Aufdecken der Vertriebswege unter diesen Umständen deutlich weniger schwer als bei einer Verletzung durch nachgeahmte Ware oder bei Fehlen einer den Wettbewerb beschränkenden Vertriebsbindung.

(b) Dazu kommen zwei weitere Argumente, die zwar ebenfalls für sich allein nicht zum Überwiegen der Interessen der Beklagten führen, aber doch in die Interessenabwägung einzubeziehen sind:

Zum einen kennt die Klägerin (auch) bei einem Inverkehrbringen außerhalb des EWR die ersten Abnehmer der strittigen Ware. Sie kann sie daher vertraglich verpflichten, einen Reimport in den EWR zu unterlassen, diese Verpflichtung auch ihren Abnehmern aufzuerlegen und für den Fall eines Reimports Auskunft über den weiteren Vertriebsweg zu geben. Damit ist die Klägerin insofern nicht zwingend auf die Auskunft durch die Beklagte angewiesen.

Zum anderen kann die Beklagte aufgrund der Vertriebsstrategie der Klägerin ‑ dh aufgrund des fehlenden Hinweises auf den Ort des ersten Inverkehrbringens auf den Packungen - nicht erkennen, ob die von ihr bezogene Ware erstmals im EWR in Verkehr gebracht wurde oder nicht. Das steht zwar dem Geltendmachen von markenrechtlichen Ansprüchen nicht grundsätzlich entgegen (4 Ob 122/13i, Zone EMEA, ÖBl‑LS 2014/6, 7 = ecolex 2014, 60 [ Woller ]). Im Rahmen der nach § 55a MSchG anzustellenden Interessenabwägung schlägt aber die Nichtoffenlegung ihrer Vertriebswege ‑ die wegen der dadurch entstehenden Unsicherheit eine Marktabschottung begünstigt ‑ eher gegen die Klägerin aus.

(c) Demgegenüber hatte die Beklagte bis zur Feststellung der Rechtsverletzung keinen Grund, an den Angaben ihres Lieferanten zu zweifeln. Zwar ist nicht ausgeschlossen, dass sie von ihm nicht bloß ein einzelnes Parfum, sondern eine ganze Kiste mit nicht verkehrsfähiger Ware erhalten hatte. Auch in diesem Fall hätte es sich aber um einen vereinzelten Vertrieb von nicht erschöpfter Originalware gehandelt, wobei es für die Beklagte aufgrund der bisherigen Erfahrungen und der fehlenden Erkennbarkeit des Ortes des erstmaligen Inverkehrbringens auf den Verpackungen keine Anhaltspunkte für den Nichteintritt der Erschöpfung gab. Unter diesen Umständen hält auch die deutsche Rechtsprechung einen Entfall des Auskunftsanspruchs für möglich (BGH I ZR 27/03, Parfumtestkäufe, GRUR 2006, 504 [507]; Hacker in Ströbele/Hacker , Markengesetz 11 § 19 Rz 39 mwN). Dass systematische Reimporte (auch) bei der Beklagten „notorisch“ wären, ist für den Senat nicht erkennbar.

(d) Im konkreten Fall ergibt eine Abwägung der genannten Interessen, dass das Bestehen eines Auskunftsanspruchs unverhältnismäßig im Vergleich zur Schwere der Verletzung wäre. Die Unterlassungspflicht der Beklagten ist ohnehin tituliert, sodass die Klägerin ‑ auch im Weg von Testkäufen ‑ weiteren Rechtsverletzungen wirksam entgegentreten kann. Sie kann ihren Abnehmern außerhalb des EWR, insbesondere dem im konkreten Fall beteiligten Unternehmen in Singapur, vertragliche Reimportverbote und Auskunftspflichten auferlegen. Eine von der Beklagten zu erteilende Auskunft über ihren Lieferanten hätte überschießende Wirkungen, weil dadurch faktisch auch der zulässige Vertrieb erschöpfter Ware behindert und die Gefahr einer Marktabschottung herbeigeführt würde. Unter diesen Umständen ist jedenfalls dann Unverhältnismäßigkeit anzunehmen, wenn ‑ wie hier ‑ ein bloß einmaliger Verstoß vorlag, der als solcher zu keinen schwerwiegenden wirtschaftlichen Folgen für die Klägerin geführt hat.

4. Aus diesen Gründen muss die Revision der Klägerin scheitern. Damit erübrigen sich Erwägungen zur Formulierung des Begehrens, das nicht zwischen erschöpfter und nicht erschöpfter Ware unterscheidet (vgl I ZR 27/03, Parfumtestkäufe, GRUR 2006, 504 [506]), sowie zur Frage, ob der Anspruch tatsächlich auch auf die Bekanntgabe der Preise der Waren gerichtet sein könnte (vgl dazu BGH I ZR 55/05, Hollister, GRUR 2008, 796 [797], zwar noch zu § 19 MarkenG aF, jedoch mit Hinweis auf die der DurchsetzungsRL entsprechende Neuregelung [„soweit angebracht“]).

5. Die diese Entscheidung tragenden Erwägungen können wie folgt zusammengefasst werden:

Ist keine Erschöpfung des Markenrechts eingetreten, besteht der Auskunftsanspruch nach § 55a MSchG grundsätzlich auch beim Vertrieb von Originalware. Der Auskunftsanspruch kann jedoch wegen Unverhältnismäßigkeit ausgeschlossen sein, wenn eine bloß einmalige Rechtsverletzung vorlag, die zu keinen schwerwiegenden wirtschaftlichen Folgen für den Markeninhaber geführt hat, und die Bekanntgabe der Bezugsquelle zur Gefahr der Marktabschottung auch in Bezug auf erschöpfte Originalware führte.

6. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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