OGH 5Ob192/15v

OGH5Ob192/15v30.10.2015

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden, den Hofrat Dr. Höllwerth, die Hofrätin Dr. Grohmann sowie die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A* L*, vertreten durch Rechtsanwälte Waltl & Partner in Zell am See, gegen die beklagte Partei W* L*, vertreten durch Kinberger‑Schuberth‑Fischer Rechtsanwälte GmbH in Zell am See, wegen Unterlassung, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 3. Juni 2015, GZ 3 R 76/15i‑18, mit dem das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 18. März 2015, GZ 12 Cg 34/14v‑14, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:E112784

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei hat die Kosten der Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.

 

Begründung:

Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision zu, weil es einer höchstgerichtlichen Klarstellung bedürfe, ob und unter welchen Voraussetzungen bei einer unspezifischen Widmung eines Wohnungseigentumsobjekts als „Geschäft“ im Wohnungseigentumsvertrag zur Ergründung des übereinstimmend erklärten rechtsgeschäftlichen Willens der Vertragsparteien auf die der Nutzwertfestsetzung zugrunde gelegten Unterlagen zurückgegriffen werden könne.

Die Revision der beklagten Wohnungseigentümerin ist entgegen diesem nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) Ausspruch nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

1. Gegen einen Wohnungseigentümer, der eigenmächtig, also ohne vorherige Zustimmung der übrigen Wohnungseigentümer, Änderungen einschließlich Widmungsänderungen im Sinn des § 16 Abs 2 WEG 2002 vornimmt, kann jeder einzelne Wohnungseigentümer nach ständiger Rechtsprechung im streitigen Rechtsweg mit Klage nach § 523 ABGB vorgehen. Der Streitrichter hat in einem solchen Fall nur Genehmigungsbedürftigkeit und Eigenmächtigkeit der Änderung als Vorfrage für die Berechtigung eines Unterlassungs‑, Beseitigungs‑ und Wiederherstellungsbegehrens zu prüfen (stRsp RIS‑Justiz RS0083156).

2. Der in § 16 Abs 2 WEG 2002 verwendete Begriff „Änderungen“ ist sehr weit auszulegen und umfasst regelmäßig auch Änderungen des Gegenstands und der Betriebsform eines in einem Wohnungseigentumsobjekt geführten Betriebs (RIS‑Justiz RS0083132). Ob eine Widmungsänderung vorliegt, folgt aus der Gegenüberstellung der gültigen Widmung des betreffenden Objekts auf der Grundlage der darüber bestandenen vertraglichen Einigung der Mit‑ und Wohnungseigentümer mit der beabsichtigten (hier: tatsächlichen) Verwendung des Objekts (5 Ob 210/13p mwN; RIS‑Justiz RS0101800 [T1]). Wurde keine spezielle Geschäftsraumwidmung zwischen den Mit‑ und Wohnungseigentümern vereinbart, ist die Umwandlung des Gegenstands und der Betriebsform erst dann eine genehmigungsbedürftige Änderung, wenn dabei die Grenzen des Verkehrsüblichen überschritten werden (RIS‑Justiz RS0119528). Nur in solchen Fällen ist die geänderte Nutzung nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs nicht mehr vertragsgemäß im Sinn der allgemeinen, unspezifischen Widmung der Verwendung als Geschäftslokal und deshalb genehmigungsbedürftig (5 Ob 227/04z). Bei der Beurteilung der Verkehrsunüblichkeit als Voraussetzung für die Berechtigung des Unterlassungsbegehrens eines anderen Wohnungseigentümers orientiert sich die Rechtsprechung an den mit der Änderung erfahrungsgemäß und typischerweise verbundenen Auswirkungen (5 Ob 59/05w; 5 Ob 122/05k).

3. Das Gebäude besteht nur aus den beiden Wohnungseigentumseinheiten W1 und W2. In W1 betrieb ein Bankinstitut als (vormals) Alleineigentümer der Liegenschaft seit Errichtung des Hauses 1973 bis zum Verkauf des Wohnungseigentumsobjekts an die Beklagte im Jahr 2014 eine Bankfiliale. Das zweite Objekt nutzte das Bankinstitut vor Begründung von Wohnungseigentum zunächst als Seminarhotel und Restaurant. Im Kauf‑ und Wohnungseigentumsvertrag vom 17. 4. 1989 zwischen dem Bankinstitut und dem Rechtsvorgänger des Klägers als Wohnungseigentümer des Objekts W2 wurden beide Wohnungseigentumseinheiten als „Geschäft“ gewidmet. 1995 ersteigerte der Kläger das Objekt W2, in dem Restaurants ‑ zuletzt ein Chinarestaurant ‑ betrieben wurden. Die Beklagte betreibt im Objekt W1, der früheren Bankfiliale, seit 2014 ebenfalls ein Chinarestaurant.

4. Das Berufungsgericht verpflichtete die Beklagte, den Betrieb eines Chinarestaurants zu unterlassen. Es sah ‑ ausgehend von der Variante einer unspezifischen Widmung ‑ die Änderung von Bankfiliale auf Chinarestaurant als genehmigungsbedürftig an. Der Betrieb zweier Chinarestaurants in einem Gebäude sei aufgrund der Verhältnisse in der betroffenen Gemeinde und der Konkurrenz zu Lasten des anderen Wohnungseigentümers verkehrsunüblich. Diese Beurteilung ist eine Frage des Einzelfalls (RIS‑Justiz RS0119528). Die Einschätzung des Berufungsgerichts ist angesichts der besonderen Verhältnisse dieses Falls keine zu korrigierende Fehlbeurteilung.

5. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 Abs 1 ZPO. Der Kläger hat in der Revisionsbeantwortung keinen Antrag auf Zurückweisung des Rechtsmittels als unzulässig gestellt, weshalb er die Kosten seines unzweckmäßigen Rechtsmittelgegenschriftsatzes selbst zu tragen hat.

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