OGH 6Ob201/15z

OGH6Ob201/15z23.10.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler und Univ.‑Prof. Dr. Kodek sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Stadtgemeinde *****, vertreten durch Mag. Manfred Pollitsch und Mag. Hannes Pichler, Rechtsanwälte in Graz, gegen die beklagten Parteien 1. P***** H*****, 2. A***** H*****, 3. Mag. S***** H*****, alle vertreten durch Hohenberg Strauss Buchbauer Rechtsanwälte GmbH in Graz, wegen Unterlassung, Widerruf und Veröffentlichung (Streitwert 35.000 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 26. August 2015, GZ 5 R 180/14a‑17, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0060OB00201.15Z.1023.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs können Äußerungen über die Rechtsfolgen einer bestimmten Gesetzeslage je nach der Lage des Einzelfalls einmal Tatsachenbehauptungen, ein anderes Mal aber auch reine Werturteile sein (RIS‑Justiz RS0112210). Wie aber eine Äußerung im Einzelfall zu verstehen ist, hängt so sehr von den Umständen des konkreten Falls ab, dass dieser Frage regelmäßig keine darüber hinausgehende Bedeutung zukommt und sie daher keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO bildet (6 Ob 123/08v; 6 Ob 236/09p). Je weniger die zu beurteilende Rechtsfolgenbehauptung nicht einfach aus dem Gesetz abzulesen ist, sondern auf einem Vorgang der persönlichen Erkenntnisgewinnung beruht, je eingehender die Grundlagen dieses Erkenntnisprozesses dargestellt werden und je deutlicher zum Ausdruck kommt, dass eine subjektive Überzeugung im geistigen Meinungsstreit vertreten wird, umso eher liegt ein reines Werturteil vor (RIS‑Justiz RS0112211).

Der von der Klägerin inkriminierte Beitrag der Beklagten über die „Richtigstellung zum Jahresabschluss 2013“ entspricht zunächst insoweit den Tatsachen, als in der Pressemeldung des Stadtamts der Klägerin mit Bezug auf die Realisierbarkeit von Projekten mitgeteilt worden war, dass diese einen Überschuss von rund 1 Mio EUR (im ordentlichen Haushalt) erwirtschaftet habe und deshalb keine Abgangsgemeinde mehr sei, wobei allerdings anstatt des tatsächlichen Ist-Abgangs von 255.767,79 EUR der Soll-Überschuss von 982.938,93 EUR verlautbart worden war. Daran ändern auch die Überlegungen der Klägerin in ihrer außerordentlichen Revision, sie habe lediglich das Soll-Ergebnis verlautbaren dürfen, sei doch das Ist-Ergebnis „im Wesentlichen für die Darstellung der wirtschaftlichen Lage einer Gemeinde völlig irrelevant“, nichts. Die kritischen Ausführungen der Beklagten waren insoweit wahr.

Deren weitere Ausführungen, es dürfte sich dabei um eine Verwechslung der Finanzexperten der Klägerin gehandelt haben, waren nach Ansicht der Vorinstanzen lediglich sarkastisch gemeint; sie vermögen den Tatbestand des § 1330 ABGB jedoch schon allein deshalb nicht zu erfüllen, weil hier das Unterstellen einer Verwechslung regelmäßig weder ehrenrührig noch kreditschädigend ist.

Schließlich ist die Auffassung der Vorinstanzen, die Äußerung der Beklagten, „bei Privatfirmen nenn[e] man so etwas Bilanzfälschung“ sei lediglich ein Werturteil gewesen, im hier vorliegenden Kontext nicht als unvertretbar zu beanstanden. Nach ständiger Rechtsprechung könnte zwar in dieser wertenden Äußerung auch eine Tatsachenbehauptung gesehen werden, weil sie auf eine entsprechende Tatsache - hier einen Ansatz im Gesetz - schließen lässt und deshalb dem Werturteil entnommen werden könnte, dass es von bestimmten Tatsachen ausgeht (vgl RIS-Justiz RS0031810), wobei solche „konkludenten Tatsachenbehauptungen“ nicht schrankenlos geäußert werden dürfen und ein massiver Wertungsexzess nicht vorliegen darf (RIS-Justiz RS0054817). Angesichts der Komplexität der steirischen Gemeindehaushaltsordnung 1977 (LGBl 22/1977), die zwischen Ist- und Soll-Einnahmen/Ausgaben unterscheidet und nicht nur beim Voranschlag, sondern auch beim Rechnungsabschluss bei Ermittlung des Überschusses auf letztere abstellt (§ 83), obwohl dabei ‑ und dies bestreitet auch die Klägerin nicht ‑ noch gar nicht klar ist, ob ein solcher Überschuss überhaupt je zur Verfügung stehen wird, kann von einem derartigen Wertungsexzess nicht ausgegangen werden (vgl 6 Ob 47/15b). Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich die Klägerin in ihrer außerordentlichen Revision zwar auf die Gemeindehaushaltsordnung und deren Begrifflichkeiten (insbesondere auf den Begriff „Überschuss“ nach § 83 Z 52) beruft, in ihrer Presseaussendung jedoch tatsächlich auch von Einsparungen bei sämtlichen (Ermessens‑)Ausgaben, einem satten Plus im Jahr 2013 und der Bildung von Rücklagen für notwendige Vorhaben spricht, womit der durchschnittliche Leser der Presseaussendung einen tatsächlich vorhandenen Überschuss in Höhe von knapp 1 Mio EUR verbinden wird. Nach § 255 AktG ist jedoch etwa die unrichtige Wiedergabe von Verhältnissen der Gesellschaft in Berichten, die an die Öffentlichkeit gerichtet sind, verboten, wodurch sich der hier zu beurteilende Sachverhalt von jenem der Entscheidung 6 Ob 271/07g unterscheidet.

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