OGH 7Ob173/15i

OGH7Ob173/15i16.10.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofräte Dr. Höllwerth, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich und Dr. Singer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. H***** F*****, 2. R***** F*****, 3. E***** F*****, alle vertreten durch Dr. Kurt Kozak, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die beklagte Partei Dr. P***** F*****, Rechtsanwalt, *****, wegen 20.000 EUR sA (erst‑ bis drittklagende Parteien) und 11.270,71 EUR sA (erst‑ und zweitklagende Parteien), infolge der außerordentlichen Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 6. Juli 2015, GZ 1 R 69/15w‑28, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0070OB00173.15I.1016.000

 

Spruch:

Der Akt wird dem Erstgericht zurückgestellt.

Begründung

Mag. C***** B***** begehrte im Verfahren 4 Cg 85/10k des Landesgerichts Ried im Innkreis die Zahlung von 39.098,55 EUR sA von den Beklagten (hier und in Folge: Kläger) und von weiteren 22.286,88 EUR sA von Erst‑ und Zweitbeklagten (hier und in Folge: Erst‑ und Zweitkläger) jeweils an offenen Rechtsanwaltskosten. Erst‑ und Zweitkläger hätten ihn im Zusammenhang mit Mängeln beim Bau eines Einfamilienhauses im Verfahren 40 Cg 35/05i des Landesgerichts Ried im Innkreis gegen die Baufirma mit ihrer Vertretung betraut. Das offene Anwaltshonorar betrage 19.661,54 EUR. Weiters hätten sie ihn mit der außergerichtlichen Geltendmachung von diversen Sachaufwendungen für die Drittbeklagte (hier und in Folge: Drittklägerin) beauftragt. Hier sei der Betrag von 2.625,26 EUR offen. Die Drittklägerin habe er wegen eines ärztlichen Kunstfehlers bei der Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen gegen den Krankenhausträger im Verfahren 2 Cg 255/99a des Landesgerichts Ried im Innkreis im Auftrag von Erst‑ und Zweitkläger vertreten. Das offene Honorar dafür betrage 64.098,55 EUR. Nach Abzug einer zugestandenen Schadenersatzforderung von 25.000 EUR bestehe ein berechtigter Honoraranspruch noch in Höhe von 39.098,55 EUR.

In diesem Verfahren vertrat der Beklagte die Kläger rechtsfreundlich. Diese schlossen am 7. April 2011 mit dem dort klagenden Rechtsanwalt einen Vergleich, in dem sie sich zur ungeteiltern Hand verpflichteten, einen Betrag von 19.000 EUR zu zahlen. Festgehalten wurde, dass über den Betrag von 19.000 EUR hinaus eine Honorarforderung seitens des klagenden Rechtsanwalts in Höhe von 41.000 EUR sowie eine entsprechende Gegenforderung der Kläger in dieser Höhe unstrittig besteht. Die Streitteile vereinbarten Kostenaufhebung und hielten fest, dass mit diesem Vergleich sämtliche wechselseitigen Ansprüche aus dem Verfahren 40 Cg 35/05i und 2 Cg 255/99a, jeweils des Landesgerichts Ried im Innkreis, bereinigt und verglichen seien.

Die Kläger begehren nun vom Beklagten Schadenersatz in Höhe von 20.000 EUR sA, Erst‑ und Zweitkläger darüber hinaus von 11.270,71 EUR sA. Der Beklagte habe ihnen im Verfahren 4 Cg 85/10k des Landesgerichts Ried im Innkreis einen Vergleich empfohlen, der den Prozesschancen in keiner Weise entsprochen habe. Aus dieser sorgfaltswidrigen Beratung durch den Beklagten resultierten nachstehende Schadenersatzforderungen:

Im Verfahren 2 Cg 255/99a des Landesgerichts Ried im Innkreis hätte der Honoraranspruch gegen die Drittklägerin lediglich 23.411,72 EUR betragen. Im Hinblick auf die im Vergleich verglichene Schadenersatzforderung der Drittklägerin gegen Mag. C***** B***** wegen der Nichtgeltendmachung von Ansprüchen in Höhe von 41.000 EUR ergebe sich abzüglich des Honorars eine Überzahlung der Drittklägerin diesem gegenüber in Höhe von 17.588,28 EUR, die geltend zu machen durch den Generalvergleich unmöglich gemacht worden sei. Darüber hinaus seien aber auch die 41.000 EUR zu niedrig gegriffen, und hätten im Fall eines Urteils mit 48.000 EUR zuerkannt werden müssen, woraus sich ein zusätzlicher Schadenersatzanspruch der Drittklägerin in Höhe von 7.000 EUR ergebe, sodass die durch den Generalvergleich unmöglich gemachten Schadenersatzansprüche der Drittklägerin insgesamt 24.588,28 EUR betragen. Die Drittklägerin begehre hier aber nur den Ersatz von 20.000 EUR, Erst‑ und Zweitkläger, die Mag. C***** B***** beauftragt und bezahlt hätten, begehrten über den Betrag von 20.000 EUR auch die restlichen 4.588,28 EUR.

Der offene Honoraranspruch des Mag. C***** B***** gegenüber Erst‑ und Zweitkläger aus dem Verfahren 40 Cg 35/05i des Landesgerichts Ried im Innkreis hätte nur 11.564,78 EUR betragen, sodass im Hinblick auf den verglichenen und von Erst‑ und Zweitkläger bezahlten Betrag von 19.000 EUR eine Überzahlung in Höhe von 7.435,22 EUR eingetreten sei, wovon der Betrag von 7.000 EUR bereits im Verfahren 9 C 110/13p des Bezirksgerichts Wels klageweise geltend gemacht werde. Die offene Schadenersatzforderung betrage hier 435,22 EUR. Hinzu käme der Anspruch auf Ersatz von weiteren 6.247,21 EUR. Wäre ein Vergleich nicht abgeschlossen worden, wäre dem Klagebegehren im Zusammenhang mit dem offenen Honoraranspruch aus dem Verfahren 40 Cg 35/05i des Landesgerichts Ried im Innkreis nur mit dem Teilbetrag von 11.564,78 EUR Folge gegeben worden. Mag. C***** B***** wäre daher gegenüber Erst‑ und Zweitkläger mit 6.247,21 EUR kostenersatzpflichtig geworden.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Der dagegen erhobenen Berufung der Kläger gab das Berufungsgericht keine Folge. Es ließ die Revision mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zu.

Dagegen erhoben die Kläger eine außerordentliche Revision, die dem Obersten Gerichtshof unmittelbar vorgelegt wurde.

Rechtliche Beurteilung

Werden in einer Klage mehrere Forderungen geltend gemacht, dann bilden sie nur dann einen einheitlichen Streitgegenstand ‑ und damit einen einheitlichen Entscheidungsgegenstand des Berufungsgerichts ‑, wenn die Voraussetzungen des § 55 Abs 1 JN vorliegen; andernfalls sind sie getrennt zu behandeln (RIS‑Justiz RS0053096).

Mehrere in einer Klage geltend gemachte Forderungen sind zusammenzurechnen, wenn sie von einer einzelnen Partei gegen eine einzelne Partei erhoben werden und in einem tatsächlichen oder rechtlichen Zusammenhang stehen (§ 55 Abs 1 Z 1 JN) oder von mehreren Parteien gegen mehrere Parteien geltend gemacht werden, die eine materielle Streitgenossenschaft nach § 11 Z 1 ZPO sind (§ 55 Abs 1 Z 2 JN).

Ein tatsächlicher Zusammenhang ist dann zu bejahen, wenn alle Klagsansprüche aus demselben Sachverhalt abzuleiten sind, wenn also das für einen Anspruch erforderliche Sachvorbringen ausreicht, auch über die anderen geltend gemachten Ansprüche entscheiden zu können, ohne dass noch ein ergänzendes Sachvorbringen erforderlich wäre (RIS‑Justiz RS0042766). Im rechtlichen Zusammenhang stehen Ansprüche insbesondere, wenn sie aus einer Gesetzesvorschrift oder aus einem einheitlichen Rechtsgeschäft abgeleitet werden. Ein rechtlicher, zumindest aber ein tatsächlicher Zusammenhang mehrerer Ansprüche wird in der Regel auch bei einem unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang dieser Ansprüche bestehen (RIS‑Justiz RS0037648). Ein innerer tatsächlicher oder rechtlicher Zusammenhang besteht jedoch dann nicht, wenn jeder der mehreren Ansprüche ein verschiedenes rechtliches und tatsächliches Schicksal haben kann; in einem solchen Fall ist jeder Anspruch gesondert zu beurteilen, ohne dass eine Zusammenrechnung stattfindet (RIS‑Justiz RS0037899).

Die Kläger werfen dem Beklagten die Verletzung seiner Pflichten als Rechtsvertreter vor, indem er ihnen die vergleichsweise Erledigung des Verfahrens 4 Cg 85/10k empfohlen habe, dem die Geltendmachung von Honoraransprüchen des Mag. C***** B***** für die Vertretung von Erst‑ und Zweitkläger in einem Bauprozess und der Drittklägerin in einem Kunstfehlerverfahren zugrundelagen. Auch wenn letztlich in einem Vergleich eine Vereinbarung über die Honoraransprüche des klagenden Rechtsanwalts aus beiden Verfahren getroffen wurde, leiten die Kläger dennoch ihre Schadenersatzforderungen aus verschiedenen Pflichtverletzungen des Beklagten ab, und zwar aus der unrichtigen Empfehlung einer vergleichsweisen Erledigung der Honoraransprüche einerseits aus dem Verfahren 40 Cg 35/05i und andererseits aus dem Verfahren 2 Cg 255/99a, jeweils des Landesgerichts Ried im Innkreis. Aus diesen behaupteten unterschiedlichen Pflichtverstößen wird auch eine genaue bezifferte Forderung abgeleitet, nämlich einerseits 24.588,28 EUR an Schadenersatz der Drittklägerin im Zusammenhang mit dem Kunstfehlerprozess, da sie infolge der Bereinigungsklausel im Vergleich, Schadenersatzanprüche gegen Mag. C***** B***** nicht mehr geltend machen könne. Andererseits 6.682,43 EUR an Schadenersatz der Erst‑ und Zweitkläger im Zusammenhang mit dem Bauprozess, da sie dem klagenden Rechtsanwalt ein zu hohes Honorar bezahlten und von ihm keinen Kostenersatz erhielten. Jeder dieser Ansprüche kann für sich allein unabhängig von dem anderen bestehen. Daher sind die Klagsforderungen nicht zusammenzurechnen. Die einzelnen Ansprüche übersteigen zwar je 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR. Anzumerken ist, dass die Drittklägerin überhaupt nur 20.000 EUR klageweise geltend macht.

Hat das Berufungsgericht ausgesprochen, dass die ordentliche Revision mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig ist, so kann gemäß § 505 Abs 4 ZPO eine Revision (die hier nicht vorliegenden Fälle des § 502 Abs 5 ZPO ausgenommen) nur erhoben werden, wenn der Wert des Entscheidungsgegenstands insgesamt 30.000 EUR übersteigt (außerordentliche Revision). Übersteigt der Wert des Entscheidungsgegenstands in zweiter Instanz wohl 5.000 EUR, nicht aber insgesamt 30.000 EUR, und hat das Berufungsgericht ausgesprochen, die ordentliche Revision sei mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig, so kann eine Partei gemäß § 508 Abs 1 ZPO (nur) einen Antrag an das Berufungsgericht stellen, seinen Ausspruch dahingehend abzuändern, dass die ordentliche Revision doch für zulässig erklärt werde.

Wird gegen eine Entscheidung, die nur mittels Abänderungsantrag angefochten werden kann, eine ordentliche oder eine außerordentliche Revision erhoben, so hat ‑ auch wenn das Rechtsmittel an den Obersten Gerichtshof gerichtet ist ‑ das Erstgericht dieses Rechtsmittel dem Berufungsgericht vorzulegen. Solange eine Abänderung des Zulassungsausspruchs durch das Berufungsgericht nicht erfolgt, mangelt es dem Obersten Gerichtshof an der funktionellen Zuständigkeit (7 Ob 37/13m).

Der Akt ist daher dem Erstgericht zurückzustellen.

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