OGH 7Ob37/13m

OGH7Ob37/13m27.3.2013

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hoch, Dr. Kalivoda, Mag. Dr. Wurdinger und Mag. Malesich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A***** Ges.m.b.H. *****, vertreten durch Ferner Hornung & Partner Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, gegen die beklagte Partei J***** Gesellschaft m.b.H., *****, vertreten durch Dr. Christof Dunst, Rechtsanwalt in Wien, wegen 41.005,52 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 21. Dezember 2012, GZ 2 R 182/12t-15, womit das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 2. Juli 2012, GZ 20 Cg 26/11v-11, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Akt wird dem Erstgericht zurückgestellt.

Text

Begründung

Die Klägerin begehrte die Zahlung von 41.005,52 EUR sA. Sie sei in ständiger Geschäftsbeziehung mit der Beklagten, die bei ihr wiederholt Betonrippenstahl gekauft habe, gestanden. Aus der Rechnung Nr 16.210 vom 2. 12. 2009 über ursprünglich 1.321.061,28 EUR hafte noch der Betrag von 14.452,40 EUR aus. Die Rechnung Nr 16.604 vom 8. 7. 2010 über 13.987,20 EUR und die Rechnung Nr 16.605 vom 9. 7. 2010 über 12.565,92 EUR seien zur Gänze offen.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Bei dem aus der Rechnung Nr 16.210 aushaftenden Betrag handle es sich um einen berechtigterweise abgezogenen Skonto. Im Übrigen habe die Klägerin eine Deckungszusage betreffend 30.000 Tonnen Betonrippenstahl zu 60 EUR + Dimensionsauflage für das Bauvorhaben Hauptbahnhof, Baulos 1, vom 24. 11. 2009 nicht eingehalten. Weil die Klägerin ihrer Lieferverpflichtung trotz mehrfacher und schriftlicher Aufforderung nicht nachgekommen sei, sei die Beklagte veranlasst gewesen, Deckungskäufe durchzuführen. Die daraus resultierenden Differenzbeträge würden aus dem Titel des Schadenersatzes kompensando gegen die Klagsforderung aufgerechnet.

Die Klägerin bestritt das Zustandekommen der behaupteten Deckungszusage.

Das Erstgericht stellte die Klagsforderung mit 26.553,12 EUR und die Gegenforderung bis zu dieser Höhe als zu Recht bestehend fest. Es wies das auf 41.005,52 EUR gerichtete Klagebegehren ab.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil. Es sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei.

Rechtliche Beurteilung

Werden in einer Klage mehrere Forderungen geltend gemacht, so bilden sie nur dann einen einheitlichen Streitgegenstand, wenn die Voraussetzungen des § 55 Abs 1 JN erfüllt sind. Die Regelung des § 55 Abs 1 JN gilt auch für das Rechtsmittelverfahren (§ 55 Abs 4 JN) und damit für den Entscheidungsgegenstand (RIS-Justiz RS0053096, RS0037838 [T38]).

Danach sind mehrere in einer Klage geltend gemachte Forderungen zusammenzurechnen, wenn sie von einer einzelnen Partei gegen eine einzelne Partei erhoben werden und in einem tatsächlichen oder rechtlichen Zusammenhang stehen (§ 55 Abs 1 Z 1 JN) oder von mehreren Parteien gegen mehrere Parteien geltend gemacht werden, die materielle Streitgenossenschaft nach § 11 Z 1 ZPO sind (§ 55 Abs 1 Z 2 JN).

Mehrere Ansprüche stehen in einem tatsächlichen Zusammenhang, wenn sie allesamt aus dem selben Sachverhalt abgeleitet werden können, wenn also das für einen Anspruch erforderliche Sachvorbringen ausreicht, um auch über den anderen geltend gemachten Anspruch entscheiden zu können, ohne dass noch ein ergänzendes Sachvorbringen erforderlich wäre (RIS-Justiz RS0042766). Ein rechtlicher Zusammenhang liegt vor, wenn die Ansprüche aus demselben Vertrag und aus derselben Rechtsnorm abgeleitet werden und miteinander in einem unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang stehen (RIS-Justiz RS0037648). Ein solcher Zusammenhang besteht jedoch dann nicht, wenn jeder der mehreren Ansprüche ein verschiedenes rechtliches und tatsächliches Schicksal haben kann; in einem solchen Fall ist jeder Anspruch gesondert zu beurteilen, ohne dass eine Zusammenrechnung stattfindet (RIS-Justiz RS0037648 [T18]; RS0037899). Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, dass Ansprüche aus verschiedenen Verträgen betreffend verschiedene Rechtsgüter auch bei Gleichartigkeit nicht in einem sachlichen oder rechtlichen Zusammenhang stehen (RIS-Justiz RS0037926, insbesondere 5 Ob 667/80, 2 Ob 137/99g). Bei der Prüfung der Frage, ob die geltend gemachten Ansprüche in einem tatsächlichen oder rechtlichen Zusammenhang stehen, ist vom Vorbringen des Klägers auszugehen (RIS-Justiz RS0042741; RS0106759).

Im vorliegenden Fall wurde von der Klägerin, die die von der Beklagten behauptete Deckungszusage bestritt, nicht vorgebracht, dass die Bestellung des Betonrippenstahls in einem Vertrag erfolgte. Aus dem übereinstimmenden Parteivorbringen ergibt sich vielmehr, dass lediglich die der Rechnung Nr 16.210 zugrunde liegende Lieferung überhaupt mit der von der Beklagten behaupteten Deckungszusage in Zusammenhang stehen könnte. Bei der Geltendmachung der aus den beiden anderen Rechnungen aushaftenden Beträgen handelt es sich aber um jedenfalls von der behaupteten Deckungszusage getrennte Ansprüche aus verschiedenen Verträgen. Die Ansprüche betreffend die einzelnen eingeklagten Rechnungen übersteigen zwar je 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR.

Hat das Berufungsgericht ausgesprochen, dass die ordentliche Revision mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig ist, so kann gemäß § 505 Abs 4 ZPO eine Revision (die hier nicht vorliegenden Fälle des § 502 Abs 5 ZPO ausgenommen) nur erhoben werden, wenn der Wert des Entscheidungsgegenstands insgesamt 30.000 EUR übersteigt (außerordentliche Revision). Übersteigt der Wert des Entscheidungsgegenstands in zweiter Instanz wohl 5.000 EUR, nicht aber insgesamt 30.000 EUR und hat das Berufungsgericht ausgesprochen, die ordentliche Revision sei mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig, so kann eine Partei gemäß § 508 Abs 1 ZPO (nur) einen Antrag an das Berufungsgericht stellen, seinen Ausspruch dahingehend abzuändern, dass die ordentliche Revision doch für zulässig erklärt werde.

Wird gegen eine Entscheidung, die nur mittels Abänderungsantrag angefochten werden kann, eine ordentliche oder eine außerordentliche Revision erhoben, so hat - auch wenn das Rechtsmittel an den Obersten Gerichtshof gerichtet ist - das Erstgericht dieses Rechtsmittel dem Berufungsgericht vorzulegen, weil derartige Rechtsmittel als Antrag im Sinne des § 508 Abs 1 ZPO zu werten sind (RIS-Justiz RS0109623). Solange eine Abänderung des Zulassungsausspruchs durch das Berufungsgericht nicht erfolgt, mangelt es dem Obersten Gerichtshof an der funktionellen Zuständigkeit (7 Ob 18/11i).

Der Akt ist daher dem Erstgericht zurückzustellen.

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