Spruch:
Dem Rekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluss wird dahingehend abgeändert, dass er insgesamt zu lauten hat wie folgt:
„Die gerichtliche Rahmengebühr wird mit EUR 25.000 für das Feststellungsverfahren nach § 28 Abs 1 KartG 2005 und das Verfahren über die Verhängung einer Geldbuße nach § 142 lit a und lit d KartG 1988 sowie § 29 Z 1 lit a und lit d KartG 2005 bestimmt.
Zahlungspflichtig für die Rahmengebühr sind die Antragsgegner zu 1., 2., 3., 7., 9. bis 11., 13. bis 17., 19. bis 22., 6. und 25. gemeinsam, 27., 29., 31., 32., 34. bis 36., 38. sowie 40. bis 42. zur ungeteilten Hand.“
B e g r ü n d u n g :
Mit Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Kartellgericht vom 19. 12. 2014, 24 Kt 7, 8/10‑266, wurde über Antrag der Bundeswettbewerbsbehörde gemäß § 28 KartG 2005 festgestellt, dass die Erstantragsgegnerin im Zeitraum von zumindest 1. 7. 2002 bis Ende Oktober 2007 an einer einzigen fortgesetzten Zuwiderhandlung gegen Art 101 Abs 1 AEUV (ex Art 81 EG) und § 1 KartG 2005 bzw § 9 iVm § 18 KartG 1988 teilgenommen hat, indem sie österreichweit im Rahmen der SSK die Tarife für den Inlandssammelladungsverkehr abgesprochen hat und so das Ziel verfolgte, eine praktische Zusammenarbeit anstelle des mit Risiko verbundenen Wettbewerbs treten zu lassen. Weiters wurden über die 2., 3., 7., 9. bis 11., 13. bis 17., 19. bis 22., 6. und 25. gemeinsam, 27., 29., 31., 32., 34. bis 36., 38. sowie 40. bis 42. Antragsgegnerinnen gemäß § 142 lit a und lit d KartG 1988 sowie § 29 Z 1 lit a und lit d KartG 2005 wegen der Teilnahme an Art 101 AEUV (ex Art 81 EG) und § 1 KartG 2005 bzw § 9 iVm § 18 KartG 1988 verletzenden Vereinbarungen und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen in Österreich Geldbußen verhängt.
Mit dem nunmehr angefochtenen Beschluss setzte das Erstgericht die Pauschalgebühr für das Feststellungs‑ und Geldbußenverfahren mit jeweils 25.000 EUR fest und erklärte für das Feststellungsverfahren die Erstantragsgegnerin, für das Geldbußenverfahren jene Antragsgegnerinnen für zahlungspflichtig, über die eine Geldbuße verhängt wurde.
Wegen des Vorabentscheidungsverfahrens sei die wirtschaftspolitische Bedeutung der Verfahren groß, ebenso der mit der Amtshandlung verbundene Aufwand. Die Bemessung der Rahmengebühr mit jeweils ca drei Viertel der Höchstgebühr erscheine angemessen.
Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs der Erstantragsgegnerin mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss abzuändern und die Rahmengebühr „angemessen zu reduzieren“. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Amtsparteien erstatteten keine Rekursbeantwortungen.
Rechtliche Beurteilung
Hierzu hat der Oberste Gerichtshof erwogen:
1.1. Gemäß § 49 KartG in der Fassung BGBl I 2013/13 beträgt die Rekursfrist gegen Endentscheidungen vier Wochen, gegen einstweilige Verfügungen, Entscheidungen nach § 37 Abs 2 KartG oder Zwischenerledigungen 14 Tage. Die anderen Parteien können binnen derselben Frist nach der Zustellung des Rekurses eine Rekursbeantwortung einbringen.
1.2. Nach den Gesetzesmaterialien (1804 ErläutRV KaWeRÄG 2012, 1804 BlgNR 24. GP 11) sollte die Verkürzung der Rechtsmittelfrist von allgemein vier Wochen auf 14 Tage unter anderem für Zwischenerledigungen im Sinne des § 62 Abs 1 KartG gelten. Dies beruhte auf einem Vorschlag des Beirats für Wirtschafts‑ und Sozialfragen, das Verfahren über einstweilige Verfügungen zu optimieren (ErläutRV KaWeRÄG 2012, aaO). Aus diesem Anlass erfolgte auch eine Verkürzung der Rekursfrist für „Zwischenerledigungen“ sowie für den Rekurs gegen den Beschluss über die zur Veröffentlichung bestimmte Fassung der Entscheidung (§ 37 Abs 2 KartG). „Zwischenerledigungen“ sind alle Entscheidungen die nicht „in der“ oder „über die“ Sache ergehen, die also nicht einmal teilweise die Erledigung der Sache für die Instanz bedeuten. Dazu zählen verfahrensleitende Beschlüsse, die der Verfahrensgestaltung oder der Stoffsammlung dienen und kein vom Verfahren losgelöstes Eigenleben haben.
1.3. Der Beschluss über die Festsetzung der Rahmengebühr kann jedoch nicht als „Zwischenerledigung“ im Sinne des § 49 KartG angesehen werden. Dagegen spricht einerseits schon der Wortlaut „Zwischenerledigung“, erfolgt die Festsetzung der Rahmengebühr doch nach Rechtskraft der Sachentscheidung. Dazu kommt eine systematische Erwägung: Nach § 54 KartG fällt die Beschlussfassung über die Festsetzung der Rahmengebühr in die Zuständigkeit des Senatsvorsitzenden. Diese Bestimmung wäre jedoch, handelte es sich um eine Zwischenerledigung, nicht erforderlich, weil Zwischenerledigungen ohnedies immer der Vorsitzende allein trifft (§ 62 Abs 1 KartG). Vielmehr handelt es sich für Zwecke des § 49 KartG um eine Endentscheidung, sodass insoweit die vierwöchige Rekursfrist zur Anwendung kommt. Der am 27. 4. 2015 zur Post gegebene Rekurs der Erstantragsgegnerin ist daher rechtzeitig.
2. Der Rekurs ist auch berechtigt.
2.1. Nach § 50 KartG sind im Verfahren vor dem Kartellgericht und dem Kartellobergericht folgende Gerichtsgebühren zu entrichten:
1. Für ein Verfahren über die Prüfung eines Zusammenschlusses (§ 11 KartG) eine Rahmengebühr bis 34.000 EUR;
2. für ein Verfahren über die Abstellung einer Zuwiderhandlung (§§ 26, 27 und 28 Abs 1 KartG) eine Rahmengebühr bis 34.000 EUR;
3. für ein Verfahren über Feststellungen (§ 28 Abs 2 KartG) eine Rahmengebühr bis 17.000 EUR;
4. für ein Verfahren über die Verhängung einer Geldbuße, das nicht mit einem Verfahren nach Z 2 verbunden ist, sowie für das Verfahren zur Abschöpfung (§ 111 TKG 2003, § 56 BMG) eine Rahmengebühr bis 34.000 EUR;
5. für ein Verfahren über die Verhängung von Zwangsgeldern (§ 35 KartG) und im Verfahren über Hausdurchsuchungen eine Rahmengebühr bis 8.500 EUR;
6. für sonstige Verfahren eine Rahmengebühr bis 34.000 EUR.
2.2. Der angeführte Betrag von 34.000 EUR in § 50 Z 2 KartG in der Fassung BGBl I 2013/13 gilt jedoch nach der Übergangsbestimmung des § 86 Abs 4 KartG nur für Verfahren, in denen der verfahrenseinleitende Antrag nach dem 28. 2. 2013 eingebracht wurde. Im vorliegenden Fall stammt der Antrag der Bundeswettbewerbsbehörde jedoch vom 18. 2. 2010, sodass noch § 50 KartG in der Fassung BGBl I 2005/61 zur Anwendung kommt, der eine Rahmengebühr von bis zu 30.000 EUR vorsah.
2.3. Die Höhe der Rahmengebühr ist nach § 54 KartG nach freiem Ermessen festzusetzen. Dabei sind insbesondere die wirtschaftspolitische Bedeutung des Verfahrens, der mit der Amtshandlung verbundene Aufwand, die wirtschaftlichen Verhältnisse der Zahlungspflichtigen und die Tatsache zu berücksichtigen, inwieweit der Zahlungspflichtige Anlass für die Amtshandlung gegeben hat.
2.4. Die Aufzählung dieser Kriterien ist nicht erschöpfend; bei der Bewertung der maßgeblichen Umstände ist eine Gesamtschau vorzunehmen, ohne bloße Teilaspekte herauszugreifen (RIS‑Justiz RS0123285). Mitbestimmende Kriterien sind nach der Rechtsprechung der Begründungsaufwand einer Entscheidung, ob unstrukturiertes Vorbringen erstattet wurde und umfangreiche Urkunden vorgelegt wurden (RIS‑Justiz RS0123280, RS0124034; 16 Ok 4/14).
2.5. Das Bemessungskriterium der wirtschaftspolitischen Bedeutung eines Verfahrens richtet sich im Wesentlichen nach Größe und Bedeutung des vom Verfahrensgegenstand betroffenen Markts (16 Ok 10/08), wobei für das Ausmaß der Betroffenheit auf die Marktanteile, aber auch auf die Anzahl und Bedeutung der belangten bzw betroffenen Marktnehmer abgestellt werden kann (16 Ok 1/08).
2.6. Das vorliegende Verfahren betraf jahrelange, österreichweite Tarifabsprachen für Speditionsleistungen im Wege des Sammelladungsverkehrs. Die wirtschaftspolitische Bedeutung ist daher als hoch einzustufen. Auch ist der Verfahrensaufwand angesichts des umfangreichen Schriftwechsels der Parteien, der großen Anzahl vorgelegter Urkunden, der beiden Rechtsgänge sowie des an den EuGH gerichteten Vorabentscheidungsersuchens als überdurchschnittlich hoch zu bezeichnen. Die Festsetzung der Rahmengebühr im oberen Bereich ist daher nicht zu beanstanden.
2.7. Bei Antragshäufungen in subjektiver Sicht wurde von der Rechtsprechung mitunter eine Mehrheit von Gebührenpflichten auch dann angenommen, wenn die Anträge bzw Begehren unter denselben Gebührentatbestand fielen (vgl 16 Ok 19/02; 16 Ok 48/05). Nach der Literatur ( Primus in Petsche/Urlesberger/Vartian , Kartellgesetz 2005 [2007] § 50 Rz 13) ergebe sich im Bereich des § 50 Z 2 KartG aus dem Gesetzeswortlaut, der auf „ eine Zuwiderhandlung“ abstellte, dass es darauf ankomme, ob eine oder mehrere Zuwiderhandlungen abgestellt werden sollten. Nur eine Zuwiderhandlung und demnach nur eine Gebührenpflicht sei anzunehmen, wenn ein sachlich (insbesondere zeitlich) und rechtlich als Einheit zu wertender Kartellrechtsverstoß verfolgt werde (wie ein Kartell iSd § 1 KartG oder die Durchführung nur eines anmeldebedürftigen Zusammenschlusses iSd §§ 7 ff KartG), möge dieser auch durch unterschiedliche (aufeinander abgestimmte) Verhaltensweisen mehrerer Antragsgegner verwirklicht werden und mehrere Antragsgegner in unterschiedlicher Weise berühren. Seien hingegen Zuwiderhandlungen eines oder mehrerer Antragsgegner zu prüfen, zwischen denen kein innerer Zusammenhang im dargestellten Sinn bestehe, so werde der Gebührentatbestand mehrfach anzuwenden sein ( Primus aaO).
2.8. Der erkennende Senat schließt sich dieser Auffassung an. In diese Richtung weist auch die Regelung des § 53 KartG über die Solidarhaftung, liegt dieser Bestimmung doch offenbar die Vorstellung des Gesetzgebers zugrunde, dass gegen mehrere Antragsgegner nicht jeweils eine eigene Gebühr festzusetzen ist, sondern diese für die festgesetzte Gesamtgebühr solidarisch haften. Dem Umstand, dass ein Verfahren gegen mehrere Antragsgegnerinnen geführt wird, ist nicht durch mehrfache Festsetzung der Rahmengebühr, sondern durch die Bemessung der Rahmengebühr innerhalb der jeweils vorgegebenen Obergrenze und die Auferlegung solidarischer Haftung (vgl § 53 KartG) Rechnung zu tragen (vgl Primus aaO Rz 13).
2.9. Entgegen der Rechtsansicht des Erstgerichts ist für das Feststellungsverfahren nach § 28 Abs 1 KartG keine gesonderte Rahmengebühr festzusetzen. Ein Verfahren über die Verhängung einer Geldbuße nach § 50 Z 4 KartG erfüllt nur dann einen (getrennten) Gebührentatbestand, wenn das Geldbußenverfahren nicht mit einem Verfahren über die Abstellung einer Zuwiderhandlung im Sinne des § 50 Z 2 KartG (also mit einem Verfahren nach §§ 26, 27 und 28 Abs 1 KartG) verbunden ist. Daraus ist im Wege eines Umkehrschlusses abzuleiten, dass für einen mit einem Verfahren nach § 50 Z 2 KartG verbundenen Geldbußenantrag keine gesonderte Gebühr anfällt ( Primus in Petsche/Urlesberger/Vartian , Kartellgesetz 2005 [2007] § 50 Rz 11).
2.10. Im vorliegenden Fall waren der gegen die Erstantragsgegnerin gerichtete Feststellungsantrag nach § 28 Abs 1 KartG einerseits und die Geldbußenanträge gegen die übrigen Antragsgegnerinnen andererseits unzweifelhaft miteinander verbunden: Die Anträge wurden von derselben Antragstellerin gemeinsam eingebracht und betreffen ein und dieselbe Zuwiderhandlung (vgl Primus in Petsche/Urlesberger/Vartian aaO § 50 Rz 13). Damit handelte es sich um ein einheitliches Verfahren, wobei der Feststellungsaufwand auch keinen gesonderten, abgrenzbaren Verfahrensaufwand erforderte.
2.11. Damit wer entgegen der Rechtsansicht des Erstgerichts die Rahmengebühr nur einmal, nämlich für das Verfahren nach § 50 Z 2 KartG festzusetzen, wobei die Gebührenpflicht alle Antragsgegnerinnen zur ungeteilten Hand trifft (§ 53 KartG).
2.12. Daher war dem Rekurs Folge zu geben, die Rahmengebühr mit lediglich insgesamt 25.000 EUR festzusetzen und auszusprechen, dass alle Antragsgegnerinnen für diesen Betrag zur ungeteilten Hand haften. Für die übrigen Antragsgegnerinnen bedeutet dies keine Schlechterstellung, weil betreffend die ihnen zur Zahlung auferlegte Rahmengebühr von 25.000 EUR die Erstantragsgegnerin als weitere Mithaftende hinzutritt.
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