European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0050OB00179.15G.0925.000
Spruch:
Den Revisionsrekursen wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass die das Grundbuchsgesuch abweisende Entscheidung des Erstgerichts wiederhergestellt wird.
Die Revisionsrekurswerber haben die Kosten ihres Rechtsmittels jeweils selbst zu tragen.
Begründung:
Der am 8. 2. 2010 verstorbene Erblasser (Vater der Revisionsrekurswerber) war vorgemerkter Eigentümer einer Liegenschaft. Die Verlassenschaft wurde mit Einantwortungsbeschluss vom 24. 4. 2012 seinem Sohn und seiner Tochter je zur Hälfte rechtskräftig eingeantwortet. Das Eigentumsrecht der beiden Erben an der Liegenschaft wurde je zur Hälfte einverleibt.
Im Notariatsakt vom 1. 12. 2008 hatte der Erblasser betreffend den Hälfteanteil an der Liegenschaft zu Gunsten der Antragstellerin folgendes Anbot erklärt:
„ ANBOT AUF SCHENKUNG :
Erstens: Herr Diplom‑Ingenieur K ***** ist aufgrund des Kaufvertrages vom heutigen Tage außerbücherlicher Alleineigentümer der Liegenschaft Einlagezahl ***** Grundbuch ***** mit dem Grundstück 2494/3 Baufläche (Gebäude) Baufläche (begrünt) *****.
Zweitens: Im Falle der Annahme dieses Anbotes schenkt hiermit Herr Diplom‑Ingenieur K ***** eine ideelle Hälfte der im Punkt Erstens genannten Liegenschaft samt allem rechtlichen und physischen Zubehör unentgeltlich an Frau R*****, geboren am *****.
Drittens: Herr Diplom‑Ingenieur K ***** haftet dafür, dass das Schenkungsobjekt sein unbeschränktes Eigentum darstellt und nicht mit irgendwelchen Rechten Dritter belastet ist.
Er verpflichtet sich, sich für die Dauer der Rechtswirksamkeit dieses Angebotes jedweder Verfügung über die vertragsgegenständliche Liegenschaftshälfte ohne Zustimmung der Frau R ***** zu enthalten.
Viertens: Die mit der abzutretenden Liegenschaftshälfte verbundenen Rechte und Verbindlichkeiten gehen mit dem Tage der Annahme dieses Anbotes auf die Übernehmerin über.
Fünftens: Dieses Anbot bindet auch Erben und Rechtsnachfolger des Anbotstellers; aus dem Anbot berechtigt sind auch die Erben der Anbotsempfängerin.
Sechstens: Sämtliche Kosten der Errichtung und Vergebührung des auf Grund dieses Anbotes zustande kommenden Abtretungsvertrages hat die Anbotempfängerin zu tragen.
Siebentens: Mit diesem Anbot bleibt der Abtretende der Übernehmerin unbefristet im Wort.“
Am 20. 6. 2012 erklärte die Antragstellerin in Form eines Notariatsakts folgende Annahme eines Anbots auf Schenkung:
„Erstens: Mit notariellem Anbot vom 1. Dezember 2008 ... hat Herr Diplom‑Ingenieur K *****, ... R*****, ... das unbefristete Anbot auf Schenkung einer idellen Hälfte der Liegenschaft Einlagezahl ... mit dem Grundstück ... samt allem rechtlichen und physischen Zubehör gestellt.
Zweitens: Ausdrücklich festzuhalten ist, dass dieses Anbot auch die Erben und Rechtsnachfolger des Anbotstellers bindet (Punkt fünftens des Anbots).
Drittens: Frau R ***** erklärt hiermit, dies auch gegenüber den zur Geschäftszahl ***** des Bezirksgerichts ***** in die Verlassenschaft nach Diplom‑Ingenieur K***** ... je zur Hälfte eingeantworteten Erben Herrn C***** ... und Frau M*****, ... mit allen Bestimmungen dieses Anbotes einverstanden zu sein und das Anbot vollinhaltlich anzunehmen.
Viertens: Zum Zweck der Gebührenbemessung wird festgehalten, dass die Grunderwerbssteuer zur gegenständlichen Annahmeerklärung von Frau R ***** ... bereits entrichtet wurde, da die vertragsgegenständliche Liegenschaftshälfte aufgrund des Treuhandvertrages vom 1. 12. 2008 ... schon bisher nur treuhändisch für Frau R***** gehalten wurde.
Fünftens: Festgehalten wird weiters, dass für die hier die Annahme erklärende Frau R ***** ... das Vorkaufsrecht gemäß § 1072 ABGB gegen den vorgemerkten Eigentümer Diplom‑Ingenieur K***** ... einverleibt ist.“
Im notariellen Protokoll vom 10. 10. 2014 ersuchte die Antragstellerin gemäß § 96 Notariatsordnung (NO), die notarielle Annahmeerklärung vom 20. 6. 2012 an die beiden Erben eingeschrieben mit Rückschein zuzustellen. Gemäß fortgesetztem Protokoll vom 21. 10. 2014 ist der die Erbin betreffende Rückschein am 14. 10. 2014, jener betreffend den Erben am 17. 10. 2014 in der Amtskanzlei des Notars eingelangt.
Die Antragstellerin begehrt die Einverleibung des Eigentumsrechts an einer „ideellen Hälfte“ der gegenständlichen Liegenschaft „auf B‑LNR 1“ gemäß Punkt Erstens der Annahme des Anbots auf Schenkung. Sie legte (insbesondere) folgende Urkunden vor: Das Schenkungsanbot, dessen Annahme, Einantwortungsbeschluss vom 24. 4. 2012, Reisepass vom 27. 8. 2004, Selbstberechnungserklärungen vom 17. 10. 2012, Unbedenklichkeitsbescheinigung vom 13. 11. 2012 und das notarielle Protokoll vom 21. 10. 2014, fortgesetzt am 21. 10. 2014.
Das Erstgericht wies das Grundbuchsgesuch ab. Nach § 85 Abs 2 GBG müsse im Begehren genau angegeben werden, was im Grundbuch eingetragen werden solle. Jenen Anteil, ob dessen die Einverleibung des Eigentumsrechts zur Hälfte begehrt werde, gäbe es in der Grundbuchseinlage nicht. Das Schenkungsanbot vom 1. 12. 2008 sei mit Ableben des Anbotstellers am 8. 2. 2010 erloschen. Zu Lebzeiten des Anbotstellers sei keine Schenkungsannahme erfolgt, weshalb der Schenkungsgegenstand in die Verlassenschaft gefallen sei. Das Schenkungsanbot enthalte keine Aufsandungserklärung, die nach § 32 Abs 1 GBG für eine Einverleibung erforderlich sei.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Antragstellerin teilweise Folge und bewilligte die Vormerkung ihres Eigentumsrechts insgesamt an der Hälfte der Liegenschaft.
Rechtlich folgerte es, dass zwar nach § 85 Abs 2 GBG im Grundbuchsantrag genau anzugeben sei, was im Grundbuch eingetragen werden solle. § 96 Abs 1 GBG verbiete es jedoch, mehr oder etwas anderes, als die Partei begehre, zu bewilligen. § 98 GBG lege den Inhalt des eine Eintragung bewilligten Beschlusses fest. Deshalb sei der Inhalt des Erfordernisses eines Grundbuchsbeschlusses mangels gegenteiliger Regelung auch für den Inhalt des Grundbuchsantrags maßgebend: Auch aus dem Gesuch müssten sich die für seine Bewilligung erforderlichen rechtserzeugenden Tatsachen ergeben. Das Gericht sei allerdings nicht an den vorgeschlagenen Wortlaut der begehrten Eintragung gebunden. Für den Eintragungswerber seien die Voraussetzungen des § 85 Abs 1 und 2 GBG bereits dann erfüllt, wenn sein Antrag jegliche Verwechslung des Eintragungsobjekts oder Fehlinterpretation des Begehrens ausschließe und dem allgemeinen Interesse an der Beibehaltung standardisierter Regeln über Form, Aufbau und Inhalt des grundbücherlichen Informationssystems jedenfalls so weit Rechnung getragen werde, dass dem Grundbuchsgericht ohne besonderen Aufwand eine Beschlussfassung im Sinn des § 98 GBG möglich sei. Es bestehe keine gesetzliche Bestimmung, wonach im Grundbuchsantrag im Fall des Erwerbs bloß eines Teils der Rechte des Rechtsvorgängers angeführt werden müsste, was mit dem nicht erworbenen Teil geschehe. Dieser bleibe selbstverständlich dem bisherigen Eigentümer. Hier sei eine Verwechslung des Eintragungsobjekts bzw eine Fehlinterpretation des Begehrens auszuschließen. Die Antragstellerin strebe die Einverleibung eines schenkungsweise angebotenen Hälfteanteils an. Da die Erben des Rechtsvorgängers je zur Hälfte Eigentümer seien, stehe der Antragstellerin die Hälfte des jeweiligen Hälfteanteils zu. Die begehrte Eigentumseinverleibung „auf Anteil B‑LNR. 1“ sei nicht möglich, weil nur mehr B‑LNR 2 und 3 existierten. Es würde allerdings einen übertriebenen Formalismus darstellen, den eindeutigen Antrag deswegen abzuweisen.
Die österreichische Privatrechtsordnung sei vom Prinzip der Privatautonomie beherrscht, also der grundsätzlichen Freiheit der Personen, ihre rechtlichen Beziehungen zu anderen ‑ im Rahmen des zwingenden Rechts und der guten Sitten ‑ durch Rechtsgeschäfte zu regeln. Die getrennte Abgabe von Vertragsanbot und Vertragsannahme sei zulässig. Der Offerent könne gemäß § 862 Satz 1 ABGB die Annahmefrist und damit die Dauer der Bindung an das Offert grundsätzlich frei festlegen. Die Annahmeerklärung sei nach der Zugangstheorie (§ 862a ABGB) nur eine dem Offerenten zugangsbedürftige Willenserklärung. Die Unterfertigung einer Erklärung der Annahme des Anbots könne ohne rechtzeitigen Zugang den Vertragsabschluss für sich alleine nicht bewirken. Es bedürfe eines urkundlichen Nachweises dafür, dass die Annahmeerklärung auch zugegangen sei.
Im vorliegenden Fall habe der Offerent keine zeitliche Grenze für die Annahme der Schenkung gesetzt, sondern ausdrücklich deponiert, dass die Möglichkeit zur Annahme des Anbots auch für seine Rechtsnachfolger bindend sei, sodass es der vom Erstgericht geforderten Annahme vor dem Tod des Anbotstellers nicht bedürfe. Auch der Zugang der Annahmeerklärungen sei nachgewiesen worden.
Eine Grundbuchsurkunde sei in ihrer Gesamtheit zu beurteilen. Auch die Aufsandungserklärung sei Teil des Konsensualvertrags. Sie sei die ausdrückliche Erklärung desjenigen, dessen Recht beschränkt, belastet aufgehoben oder auf eine andere Person übertragen werden solle, dass er in die Einverleibung einwillige. Sie bedürfe daher nicht der Annahme durch den Erwerber und sei nicht Teil des Verpflichtungs‑, sondern des Verfügungsgeschäfts. Sie könne entweder in der Urkunde über das Titelgeschäft, in einer besonderen Urkunde oder sogar im Grundbuchsgesuch selbst abgegeben werden. Die Aufsandungserklärung ist neben dem Formerfordernis des Bucheintrags materielles Erfordernis der Rechtsänderung und als solches dingliches Verfügungsgeschäft.
Hier enthalte das Anbot auf Annahme einer Schenkung keine Aufsandungserklärung, weshalb lediglich die Vormerkung des Eigentumsrechts zu bewilligen gewesen sei.
Das Rekursgericht ließ den ordentlichen Revisionsrekurs mit der Begründung zu, dass divergierende Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs bestehe, ob eine Aufsandungserklärung, die keine Einwilligung zur Einverleibung des Eigentumsrechts erkennen lasse, zur Abweisung des Grundbuchsgesuchs führen müsse.
Rechtliche Beurteilung
Die Revisionsrekurse beider Erben und Hälfteeigentümer der Liegenschaft sind zulässig und auch berechtigt.
1. Das Grundbuchsgericht hat nach § 94 Abs 1 GBG das Ansuchen und dessen Beilagen genau zu prüfen. Es darf eine grundbücherliche Eintragung unter anderem nur dann bewilligen, wenn das Begehren durch den Inhalt der beigebrachten Urkunden begründet erscheint (§ 94 Abs 1 Z 3 GBG). Das Ansuchen kann daher nur dann bewilligt werden, wenn der Urkundeninhalt nicht nur in formaler Hinsicht unbedenklich erscheint, sondern auch in der materiell‑rechtlichen Frage keine Zweifel aufkommen lässt (RIS‑Justiz RS0060878).
2. Die Antragstellerin beruft sich auf den Rechtsgrund einer Schenkung. Der Schenkungsvertrag sei nach Annahme des unbefristet, auch gegen die Erben wirksamen Schenkungsanbots des verstorbenen Offerenten (beides in Form eines Notariatsakts errichtet) mit Zugang der Annahmeerklärung an die Erben wirksam zustande gekommen.
3. Das Vorliegen eines Schenkungsvertrags erfordert eine Schenkungsabsicht (RIS‑Justiz RS0018833). Unentgeltlichkeit iSd § 938 ABGB ist nicht gegeben, wenn der Geschenkgeber die Sache in Erfüllung einer Verbindlichkeit überlässt ( Bollenberger in KBB 4 §§ 940, 941 Rz 2; Ertl in Fenyves/Kerschner/Vonkilch , Klang ³ § 938 ABGB Rz 23, 30; Parapatits in Schwimann/Kodek ABGB 4 IV § 938 Rz 3; RIS-Justiz RS0018843; RS0018852). Im Grundbuchsverfahren muss das Einverständnis über die (teilweise) Unentgeltlichkeit aus den beigebrachten Urkunden hervorgehen (5 Ob 141/94; 5 Ob 39/14t mwN). Ist demnach kein ausreichender Anhaltspunkt für das Vorliegen eines Schenkungswillens gegeben, ist von einem entgeltlichen Rechtsgeschäft auszugehen (vgl RIS‑Justiz RS0060878 [T18]).
4. Nach diesen Kriterien erscheint das in Notariatsaktsform errichtete Schenkungsanbot des vorgemerkten Alleineigentümers (und späteren Erblassers), soweit es die Schenkungsabsicht betrifft, zunächst unbedenklich: In Punkt 2. des Anbots erklärte der Eigentümer, „im Fall der Annahme dieses Anbots“ der Antragstellerin einen Hälfteanteil an der Liegenschaft zu schenken. Nach Punkt 3. haftet er dafür, dass das Schenkungsobjekt sein unbeschränktes Eigentum darstelle und nicht mit irgendwelchen Rechten Dritter belastet sei. In Punkt 6. (Kostentragungsregelung) ist jedoch von einem aufgrund dieses Anbots zustande kommenden Abtretungsvertrag die Rede. Nach Punkt 7. soll der Abtretende der Übernehmerin mit dem Anbot unbefristet im Wort bleiben.
5. Isoliert betrachtet ließen sich diese Formulierungen ungeachtet der im Grundbuchsverfahren gebotenen Auslegung einer Urkunde nach ihrem Wortlaut (RIS‑Justiz RS0060573 [T10]; 5 Ob 39/14t mwN) unter Umständen als bloße Fehlbezeichnung des (künftigen) Vertrags verstehen, die einem Schenkungswillen nicht zwingend entgegensteht. Die Bezeichnungen als „Abtretungsvertrag“ und „Abtretender“ gewinnen jedoch durch den gesamten Inhalt der Annahmeerklärung besondere Bedeutung: Deren Punkt 4. hielt ausdrücklich fest, dass die vertragsgegenständliche Liegenschaftshälfte aufgrund des Treuhandvertrags vom 1. 12. 2008 (dem Datum des vom Erblasser [mit dem Voreigentümer Dr. H*****] geschlossenen Kaufvertrags sowie des Schenkungsanbots) schon bisher nur treuhändisch für die Antragstellerin gehalten wurde.
6. Ein Treuhänder, der eine Liegenschaftshälfte für den Treugeber kauft, wird nach außen hin unbeschränkter Eigentümer, im Innenverhältnis unterliegt er jedoch besonderen Bedingungen bzw Beschränkungen (RIS‑Justiz RS0010488 [T2, T4]; P. Bydlinski in KBB 4 § 1002 ABGB Rz 7; Eccher/Riss in KBB 4 § 358 ABGB Rz 2; Apathy in Schwimann/Kodek aaO § 1002 ABGB Rz 9). Mit Beendigung des Treuhandverhältnisses sind das Treugut bzw die allenfalls an dessen Stelle getretenen Gegenstände sowie Zuwächse an den Treugeber zurückzustellen ( Eccher/Riss aaO Rz 3; Leupold in Fenyves/Kerschner/Vonkilch aaO § 358 ABGB Rz 85). Diese Rückstellung durch den Treuhänder ist keine freigiebige, also ohne Verpflichtung erfolgende Zuwendung, sondern Erfüllung einer Verbindlichkeit und damit keine Schenkung.
7. Schon diese Zweifel daran, welcher Rechtsgrund tatsächlich besteht (auf die Erben übergegangene Rückstellverpflichtung des Treuhänders oder [allenfalls] wirksam zustande gekommener Schenkungsvertrag) rechtfertigen nach § 94 Abs 1 Z 3 GBG die Abweisung des Grundbuchsgesuchs. Auf sonstige Abweisungsgründe muss zufolge § 95 Abs 3 GBG nicht weiter eingegangen werden, weil das Grundbuchsgesuch in der vorliegenden Form nicht wiederholt werden kann.
8. Im einseitigen Grundbuchsverfahren gibt es nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ‑ von hier nicht interessierenden Ausnahmen abgesehen ‑ keinen Kostenersatz (RIS‑Justiz RS0035961).
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