OGH 9ObA20/15d

OGH9ObA20/15d24.9.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Hopf als Vorsitzenden und den Hofrat Mag. Ziegelbauer, die Hofrätin Dr. Dehn, sowie die fachkundigen Laienrichter ADir. Brigitte Augustin und Mag. Johann Schneller als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Dr. D*****, vertreten durch Dr. Peter Ringhofer, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei P*****, vertreten durch Dr. Josef Milchram, Dr. Anton Ehm, Mag. Thomas Mödlagl, Rechtsanwälte in Wien, wegen 1.) 3.655,20 EUR brutto sA und 2.) Feststellung (Streitwert: 11.000 EUR), aus Anlass der Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 23. Jänner 2013, GZ 9 Ra 57/12m‑9, womit über Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits‑ und Sozialgerichts Wien vom 2. März 2012, GZ 3 Cga 25/12k‑5, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:009OBA00020.15D.0924.000

 

Spruch:

A. Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Ist Art 21 der Grundrechtecharta in Verbindung mit Art 2 Abs 1 und 2 sowie Art 6 Abs 1 der Richtlinie 2000/78/EG ‑ auch unter Berücksichtigung des Art 28 der Grundrechtecharta ‑ dahin auszulegen, dass

a) eine kollektivvertragliche Regelung, die für Beschäftigungszeiten am Beginn der Karriere einen längeren Vorrückungszeitraum vorsieht und die Vorrückung in die nächste Bezugsstufe daher erschwert, eine mittelbare Ungleichbehandlung aus Gründen des Alters darstellt,

b) und im Fall der Bejahung dahin, dass eine solche Regelung insbesondere mit Rücksicht auf die geringe Berufserfahrung am Beginn der Karriere angemessen und erforderlich ist?

B. Das Verfahren vor dem Obersten Gerichtshof wird bis zum Einlangen der Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union gemäß § 90a Abs 1 GOG ausgesetzt.

Begründung

I. Sachverhalt:

Der am ***** 1961 geborene Kläger steht seit 1. 4. 1988 in einem privatrechtlichen Arbeitsverhältnis zur Beklagten, einem Sozialversicherungsträger. Auf das Arbeitsverhältnis gelangt ein Kollektivvertrag, nämlich die Dienstordnung A für die Angestellten bei den Sozialversicherungsträgern Österreichs (DO.A), zur Anwendung. Der Kläger wurde zunächst in die Gehaltsgruppe C, Dienstklasse II, nach der DO.A eingereiht. Seit 1. 4. 1993 ist er in die Gehaltsgruppe F, Dienstklasse I nach der DO.A eingereiht.

Der Kläger erwarb vor Beginn seines Arbeitsverhältnisses Schulzeiten von 1. 9. 1976 bis 30. 6. 1979 im Ausmaß von 2 Jahren und 10 Monaten an einem österreichischen Bundesgymnasium. Er stellte bei der Beklagten am 17. 5. 2011 einen Antrag auf Neufestsetzung von Vordienstzeiten für den Vorrückungstermin gemäß § 13 DO.A idF der 80. Änderung der DO.A.

Die Beklagte teilte dem Kläger am 27. 5. 2012 mit, dass nicht mehr als drei Jahre gegenüber der seinerzeitigen Dienstzeitfeststellung zusätzlich anzurechnen seien. Es trete beim Kläger keine Verbesserung bei der Einstufung bzw beim Zeitvorrückungstermin ein, weil aufgrund der Neuregelung die (erste) Vorrückung von Bezugsstufe 1 auf Bezugsstufe 2 statt wie bisher nach zwei Jahren erst nach fünf Jahren erfolge.

II. Unionsrechtliche Grundlagen:

1. Art 21 der Grundrechtecharta (GRC) lautet:

Nichtdiskriminierung

(1) Diskriminierungen insbesondere wegen ... des Alters ... sind verboten.

…“

Art 28 der GRC lautet:

Recht auf Kollektivverhandlungen und Kollektivmaßnahmen

Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber oder ihre jeweiligen Organisationen haben nach dem Unionsrecht und den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten das Recht, Tarifverträge auf den geeigneten Ebenen auszuhandeln und zu schließen …“

2. Die Richtlinie 2000/78/EG zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl L 303 vom 2. 12. 2000, S 16; in weiterer Folge: RL 2000/78) lautet auszugsweise:

Art 1 Zweck

Zweck dieser Richtlinie ist die Schaffung eines allgemeinen Rahmens zur Bekämpfung der Diskriminierung wegen ... des Alters ... in Beschäftigung und Beruf im Hinblick auf die Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung in den Mitgliedstaaten.

Art 2 Der Begriff 'Diskriminierung'

(1) Im Sinne dieser Richtlinie bedeutet 'Gleichbehandlungsgrundsatz', dass es keine unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung wegen eines der in Art 1 genannten Gründe geben darf.

(2) Im Sinne des Absatzes 1

a) …

b) liegt eine mittelbare Diskriminierung vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen … eines bestimmten Alters … gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn:

i) diese Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt, und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich, oder

ii) …

Artikel 3 Geltungsbereich

(1) Im Rahmen der auf die Gemeinschaft übertragenen Zuständigkeiten gilt diese Richtlinie für alle Personen in öffentlichen und privaten Bereichen, einschließlich öffentlicher Stellen, in Bezug auf

c) die Beschäftigungs‑ und Arbeitsbedingungen, einschließlich der Entlassungsbedingungen und des Arbeitsentgelts;

Artikel 6 Gerechtfertigte Ungleichbehandlung wegen des Alters

(1) Ungeachtet des Artikels 2 Absatz 2 können die Mitgliedstaaten vorsehen, dass Ungleichbehandlungen wegen des Alters keine Diskriminierung darstellen, sofern sie objektiv und angemessen sind und im Rahmen des nationalen Rechts durch ein legitimes Ziel, worunter insbesondere rechtmäßige Ziele aus den Bereichen Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt und berufliche Bildung zu verstehen sind, gerechtfertigt sind und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind.

Derartige Ungleichbehandlungen können insbesondere Folgendes einschließen:

a) die Festlegung … besonderer Beschäftigungs‑ und Arbeitsbedingungen, einschließlich der Bedingungen für … Entlohnung, um die berufliche Eingliederung von Jugendlichen, älteren Arbeitnehmern und Personen mit Fürsorgepflichten zu fördern oder ihren Schutz sicherzustellen;

b) die Festlegung von Mindestanforderungen an das Alter, die Berufserfahrung oder das Dienstalter für den Zugang zur Beschäftigung oder für bestimmte mit der Beschäftigung verbundene Vorteile; …

Artikel 16 Einhaltung

Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass

a) …

b) die mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz nicht zu vereinbarenden Bestimmungen in Arbeits‑ und Tarifverträgen, Betriebsordnungen und Statuten der freien Berufe und der Arbeitgeber‑ und Arbeitnehmerorganisationen für nichtig erklärt werden oder erklärt werden können oder geändert werden. …“

III. Innerstaatliche Rechtsvorschriften:

1. Die auf den Kläger anzuwendenden kollektivvertraglichen Vorschriften der DO.A lauten:

a) DO.A vor der 80. Änderung, AVSV Nr 806/2010 (alte Rechtslage):

§ 13 Anrechenbare Dienstzeit für die Einstufung in das Gehaltsschema

(1) Für die Einstufung in das Gehaltsschema (§ 40) sind nachstehende, nach Vollendung des 18. Lebensjahres zurückgelegte Dienstzeiten anzurechnen:

1. Dienstzeiten (Lehrzeiten) bei Sozialversicherungsträgern im Bereich der Europäischen Union bzw des Europäischen Wirtschaftsraumes;

2. bis zum Höchstausmaß von zusammen fünf Jahren

a) die in anderen Dienst- oder Lehrverhältnissen als Angestellter, Arbeiter oder Lehrling zugebrachten Zeiten, wenn die einzelnen Dienst‑ bzw Lehrverhältnisse mindestens sechs Monate ununterbrochen gedauert haben,

b) …

§ 40 Einstufung in das Gehaltsschema, Vorrückung

(1) Die Angestellten sind, sofern nicht Abs 2 anzuwenden ist, in die Bezugsstufe 1 der nach den Bestimmungen der §§ 37 bis 39 gebührenden Gehaltsgruppe (Dienstklasse) einzustufen. Sind Dienstzeiten gemäß § 13 anzurechnen, ist Abs 3 für die Einstufung sinngemäß anzuwenden.

(2) Verwaltungsangestellte sind vor Vollendung des 16. Lebensjahres in die Bezugsstufe a, vor Vollendung des 17. Lebensjahres in die Bezugsstufe b und vor Vollendung des 18. Lebensjahres in die Bezugsstufe c der nach den Bestimmungen des § 37 gebührenden Gehaltsgruppe (Dienstklasse) einzustufen. Ab dem der Vollendung des 16., 17. bzw 18. Lebensjahres folgenden Monatsersten ist der Verwaltungsangestellte in die jeweils nächsthöhere Bezugsstufe einzustufen. Die in den Bezugsstufen a bis c vor Vollendung des 18. Lebensjahres zugebrachten Zeiten gelten nicht als für die Einstufung in das Gehaltsschema anrechenbare Dienstzeiten. Die vorstehende Regelung gilt sinngemäß auch für die in Gehaltsgruppe I einzureihenden Angestellten.

(3) Der Angestellte rückt, sofern nicht Abs 2 anzuwenden ist, nach Vollendung von je zwei Dienstjahren in die nächsthöhere Bezugsstufe seiner Gehaltsgruppe (Dienstklasse) vor (Zeitvorrückung).

(4)

(7) Bei Angestellten, die in Bezugsstufe 18 vier Jahre zugebracht und seit der Einstufung in diese Bezugsstufe für einen Zeitraum von vier aufeinander folgenden Jahren mindestens die Gesamtbeurteilung 'gut' der Dienstbeschreibung erhalten haben, wird das Gehalt um einen Vorrückungsbetrag der gebührenden Einreihung erhöht; …“

b) DO.A in der Fassung der 80. Änderung, AVSV Nr 806/2010 (Wirksamkeitsbeginn 1. 1. 2011 bzw 1. 1. 2004):

§ 13 Anrechenbare Dienstzeit für die Einstufung in das Gehaltsschema

(1) Für die Einstufung in das Gehaltsschema (§ 40) sind nachstehende, nach dem 30. Juni des Jahres, in dem nach der Aufnahme in die erste Schulstufe neun Schuljahre absolviert worden sind oder worden wären, zurückgelegte Dienstzeiten anzurechnen:

2a. bis zum Höchstausmaß von zusammen drei Jahren

a) …

b) die über die Erfüllung der allgemeinen Schulpflicht hinausgehende Zeit eines Studiums an einer inländischen allgemeinbildenden höheren oder einer berufsbildenden mittleren oder höheren Schule oder einer Akademie im Sinne des Schulorganisationsgesetzes 1962 oder an einer diesen gesetzlich geregelten Schularten vergleichbaren Schule, in dem für dieses Studium nach den schulrechtlichen Vorschriften geltenden Mindestausmaß, höchstens jedoch im Ausmaß von drei Jahren; als Zeitpunkt des möglichen Studienabschlusses ist bei Studien, die mit dem Schuljahr enden, der 30. Juni und bei Studien, die mit dem Kalenderjahr enden, der 31. Dezember anzusehen; …

3.

§ 40 Einstufung in das Gehaltsschema, Vorrückung

(1) Die Angestellten sind in die Bezugsstufe 1 der nach den Bestimmungen der §§ 37 bis 39 gebührenden Gehaltsgruppe (Dienstklasse) einzustufen. Sind Dienstzeiten gemäß § 13 anzurechnen, ist Abs 3 für die Einstufung sinngemäß anzuwenden.

(2) [entfällt ab 1. Jänner 2011]

(3) In der Bezugsstufe 1 verbleibt der/die Angestellte fünf Jahre, von der folgenden Bezugsstufe an rückt er/sie nach Vollendung von je zwei Dienstjahren in die nächsthöhere Bezugsstufe seiner Gehaltsgruppe (Dienstklasse) vor (Zeitvorrückung).

(7) Bei Angestellten, die in Bezugsstufe 18 vier Jahre zugebracht und seit der Einstufung in diese Bezugsstufe für einen Zeitraum von vier aufeinander folgenden Jahren mindestens die Gesamtbeurteilung 'gut' der Dienstbeschreibung erhalten haben, wird das Gehalt um einen Vorrückungsbetrag der gebührenden Einreihung erhöht; …

§ 239 Übergangsbestimmung zu §§ 13 und 40 DO.A

(1) Eine Neufeststellung der Einstufung in das Gehaltsschema sowie des Zeitpunktes der Zeitvorrückung auf Grund der Änderung der §§ 13 und 40 durch die 80. Änderung der DO.A erfolgen bei am 1. Jänner 2011 bereits bestehenden Dienstverhältnissen nur auf Antrag. …“

2. Die Bestimmungen des Gleichbehandlungsgesetzes (GlBG), BGBl I 2004/66, das unter anderem die RL 2000/78 in das österreichische Recht umsetzen soll, lauten auszugsweise:

§ 17 Gleichbehandlungsgebot im Zusammenhang mit einem Arbeitsverhältnis

(1) Aufgrund … des Alters … darf im Zusammenhang mit einem Arbeitsverhältnis niemand unmittelbar oder mittelbar diskriminiert werden, insbesondere nicht

1. …

2. bei der Festsetzung des Entgelts,

§ 19 Begriffsbestimmungen

(1)

(2) Eine mittelbare Diskriminierung liegt vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen … eines bestimmten Alters … gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Zieles angemessen und erforderlich.

§ 20 Ausnahmebestimmungen

(1)

(2)

(3) Eine Diskriminierung auf Grund des Alters liegt nicht vor, wenn die Ungleichbehandlung

1. objektiv und angemessen ist,

2. durch ein legitimes Ziel, insbesondere rechtmäßige Ziele aus den Bereichen Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt und berufliche Bildung, gerechtfertigt ist und

3. die Mittel zur Erreichung dieses Zieles angemessen und erforderlich sind.

(4) Ungleichbehandlungen nach Abs 3 können insbesondere einschließen

1. die Festlegung … besonderer Beschäftigungs‑ und Arbeitsbedingungen, einschließlich der Bedingungen für … Entlohnung, um die berufliche Eingliederung von Jugendlichen, älteren Arbeitnehmer/inne/n und Personen mit Fürsorgepflichten zu fördern oder ihren Schutz sicherzustellen,

2. die Festlegung von Mindestanforderungen an das Alter, die Berufserfahrung oder des Dienstalters für den Zugang zur Beschäftigung oder für bestimmte mit der Beschäftigung verbundenen Vorteile,

§ 26 Rechtsfolgen der Verletzung des Gleichbehandlungsgebots

(1)

(2) Erhält ein/e Arbeitnehmer/in wegen Verletzung des Gleichbehandlungsgebots des § 17 Abs 1 Z 2 durch den/die Arbeitgeber/in für gleiche Arbeit oder für eine Arbeit, die als gleichwertig anerkannt wird, ein geringeres Entgelt als ein/e Arbeitnehmer/in, bei dem/der eine Diskriminierung wegen eines in § 17 genannten Grundes nicht erfolgt, so hat er/sie gegenüber dem/der Arbeitgeber/in Anspruch auf Bezahlung der Differenz und eine Entschädigung für die erlittene persönliche Beeinträchtigung. …“

IV. Anträge und Vorbringen der Parteien:

Der Kläger begehrt mit der vorliegenden Klage die Zahlung von 3.655,20 EUR brutto sA an Entgeltdifferenzen sowie die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet sei, ihm weiterhin (ab 1. 1. 2012) die gemäß der DO.A jeweils vorgesehenen Bezüge in jener Höhe zu bezahlen, die sich ausgehend von einer Einstufung in Gehaltsgruppe F, Dienstklasse I, Bezugsstufe 17, mit nächster Vorrückung 1. 10. 2012 ergebe. Er brachte vor, dass die 80. Änderung der DO.A zwar die Möglichkeit der Anrechnung von Schulzeiten als Vordienstzeiten für die Bemessung seiner Bezüge geschaffen habe. Diese Anrechnung habe die Beklagte vorgenommen. Durch die scheinbar neutrale Regelung des § 40 Abs 3 DO.A in der Fassung der 80. Änderung, auf die sich die Beklagte berufe, werde die Anrechnung aber dadurch unwirksam gemacht, dass die Gehaltsvorrückung in der ersten Bezugsstufe gleichzeitig um drei Jahre verlängert worden sei. Diese Regelung diskriminiere ihn wegen des Alters. Das Alter sei der allein bestimmende Faktor für die Benachteiligung, die hier darin liege, dass in der ersten Bezugsstufe fünf Jahre zugewartet werden müssten, um die erste Gehaltsvorrückung zu erreichen. Ausreichende Rechtfertigungsgründe lägen dafür nicht vor. Die vorgeschriebene Verweildauer von fünf Jahren in der ersten Bezugsstufe lasse sich weder mit dem Argument der Einarbeitung noch anderen sachlichen Argumenten rechtfertigen, denn sie differenziere nicht zwischen verschiedenen Arten von Vordienstzeiten. Die Ausdehnung der Vorrückungszeit in der ersten Bezugsstufe gemäß § 40 Abs 3 DO.A sei unionsrechtswidrig und daher unwirksam. Für die diskriminierungsfreie Bemessung seiner Bezüge sei unter Berücksichtigung der absolvierten Schulzeiten von einer jeweils zweijährigen Verweildauer in den Bezugsstufen einschließlich der ersten Bezugsstufe auszugehen.

Die Beklagte beantragte die Klageabweisung und entgegnete, dass die Kollektivvertragsparteien mit der 80. Änderung der DO.A in Reaktion auf die Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Hütter (C‑88/08) eine sachgerechte und diskriminierungsfreie Anrechnungsregelung im Rahmen des ihnen offen stehenden Ermessensspielraums geschaffen hätten. Schulzeiten seien nach der früheren Rechtslage gar nicht anrechenbar gewesen, sodass eine ursprüngliche Diskriminierung des Klägers wegen des Alters, die durch die Neuregelung fortgesetzt worden wäre, nicht bestanden habe. Aus der Entscheidung Hütter könne der Kläger nicht das Erfordernis der Anrechnung von Schulzeiten an sich folgern. Die Neuregelung der Anrechnung knüpfe nicht an ein bestimmtes Lebensalter an, sodass sie nicht unmittelbar diskriminierend sei. Aber auch eine mittelbare Diskriminierung liege nicht vor, weil die Neuregelung durch die Rechtfertigungsgründe der Honorierung von Berufserfahrung, der Betriebstreue, des Dienstalters und der Beschäftigungsförderung von auf dem Arbeitsmarkt benachteiligten Gruppen gerechtfertigt sei. Ob die Neuregelung in der DO.A rechtspolitisch als „richtig“ oder sozialpolitisch als „zweckmäßig“ empfunden werde, sei kein ausreichendes Kriterium für ihre Beurteilung, weil sie dem Konsens der Kollektivvertragsparteien entspreche.

V. Bisheriges Verfahren:

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. § 40 Abs 3 DO.A in der Fassung der 80. Änderung bewirke eine mittelbare Diskriminierung des Klägers wegen des Alters, weil damit im Wesentlichen die bisherige Regelung aufrechterhalten worden sei, wonach Vordienstzeiten vor dem 18. Lebensjahr nicht angerechnet werden konnten. Der Kläger sei zwar nach der alten Bestimmung nicht diskriminiert gewesen. § 40 Abs 3 DO.A heble jedoch die neu geschaffene Anrechnungsmöglichkeit von Schulzeiten durch die Verlängerung der Verweildauer in der ersten Bezugsstufe faktisch aus, was auch offenbarer Zweck der Regelung sei. Gründe, die eine Diskriminierung wegen des Alters rechtfertigen könnten, seien nicht ersichtlich.

Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil ab und wies das Klagebegehren über Berufung der Beklagten ab. Eine Anrechnung von Schulzeiten sei vor der 80. Änderung der DO.A überhaupt nicht vorgesehen gewesen, sodass der Kläger nach der alten Rechtslage nicht wegen des Alters diskriminiert gewesen sei. Der Kläger bestreite nicht, dass eine Regelung zulässig sei, wonach Schul‑ und Lehrzeiten überhaupt nicht anzurechnen seien. Die Neuregelung der §§ 13 und 40 DO.A mit der 80. Änderung führe daher nicht zu einer Verschlechterung einer ursprünglichen Rechtsposition oder einer Ungleichbehandlung des Klägers und prolongiere daher hier auch nicht eine in der Vergangenheit bestandene Diskriminierung des Klägers wegen des Alters. Für sich allein betrachtet stelle die Neuregelung dieser Bestimmungen aber weder eine unmittelbare noch eine mittelbare Diskriminierung wegen des Alters dar. Bei der Frage, welche Vordienstzeiten angerechnet werden, stelle die Neuregelung nämlich nicht auf ein bestimmtes Lebensalter, sondern auf einen sachlichen Zeitpunkt, den Tag der Vollendung der allgemeinen Schulpflicht, ab. Die Anhebung der Verweildauer in der ersten Bezugsstufe von zwei auf fünf Jahren sei zulässig. Darin liege keine mittelbare Diskriminierung, weil es zu weit hergeholt wäre, dass die Vorrückung in einer bestimmten Weise gestaltet werden müsse.

Gegen diese Entscheidung erhob der Kläger die vom Berufungsgericht zugelassene Revision, mit der er die Stattgebung seiner Klage anstrebt. Die Beklagte beantragt mit ihrer Revisionsbeantwortung, dem Rechtsmittel des Klägers den Erfolg zu versagen.

Der Oberste Gerichtshof hat, nachdem von ihm zunächst der Ausgang des Vorabentscheidungsverfahrens zu C‑417/13, Starjakob , abgewartet wurde (8 ObA 20/13v; 9 ObA 52/13g), beschlossen, ein (weiteres) Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union zu stellen.

VI. Berechtigung zur Vorlage:

Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union hat in einem Verfahren nach Art 267 AEUV das befasste nationale Gericht sowohl die Erforderlichkeit einer Vorabentscheidung als auch die Erheblichkeit der dem Gerichtshof vorzulegenden, das Unionsrecht betreffenden Fragen zu beurteilen (EuGH C‑395/08, Bruno , Rn 18).

Der Gerichtshof der Europäischen Union war bereits mehrfach mit Fragen zu den §§ 13, 40 DO.A inhaltlich vergleichbaren gesetzlichen Regelungen durch Vorabentscheidungsersuchen österreichischer Gerichte befasst (C‑88/08, Hütter ; C‑429/12, Pohl ; C‑529/13, Felber ; C‑530/13, Schmitzer ua). Die sich im vorliegenden Verfahren stellende Frage der Auslegung des Unionsrechts wurde bereits im Verfahren C‑417/13, Starjakob , an den Gerichtshof der Europäischen Union herangetragen (siehe dritte Vorlagefrage in Rn 21). In dieser Rechtssache ging es um die Auslegung des Unionsrechts im Zusammenhang mit dem Versuch des österreichischen Gesetzgebers, eine bestehende Altersdiskriminierung im Gesetz durch eine gesetzliche Neuregelung zu beseitigen. Der Gerichtshof musste im Hinblick auf die Beantwortung der dort gestellten ersten Frage, Buchstabe b, und der vierten Frage die für den vorliegenden Fall relevante dritte Vorlagefrage nicht beantworten (C‑417/13, Rn 50).

Im vorliegenden Verfahren ist wesentlich, dass die Anrechnung von Schulzeiten nach der DO.A vor ihrer 80. Änderung noch nicht vorgesehen war, sodass es ‑ anders als in der Rechtssache Starjakob ‑ an einer ursprünglichen (und damit auch an einer durch die Neuregelung fortgesetzten) Ungleichbehandlung des Klägers wegen des Alters fehlt. Damit kommt der Frage, ob eine ‑ hier kollektivvertragliche ‑ Regelung, die für Beschäftigungszeiten am Beginn einer Karriere einen längeren Zeitraum für die Vorrückung in die nächste Bezugsstufe vorsieht und diese daher erschwert, eine mittelbare Diskriminierung wegen des Alters darstellt, und ob eine solche Regelung vor dem Hintergrund der RL 2000/78 gerechtfertigt sein kann, im vorliegenden Verfahren erhebliche Bedeutung zu.

Rechtliche Beurteilung

VII. Begründung der Vorlagefragen:

1. Erfüllungsanspruch

Der Kläger macht einen Nachzahlungsanspruch im Sinn eines Erfüllungsanspruchs auf Aufwertung seines Entgelts aus dem Arbeitsverhältnis zur Beklagten bei Anrechnung seiner Schulzeiten nach § 13 Abs 1 Z 2a lit b DO.A in der seit der 80. Änderung geltenden Fassung, aber unter Beibehaltung der Vorrückungen nach dem vor der 80. Änderung der DO.A bestehenden Vorrückungsschema (zweijährige Vorrückungen ab Beginn des Arbeitsverhältnisses) geltend. Er hat zu diesem Zweck bei der Beklagten eine Neufeststellung der Einstufung in das Gehaltsschema sowie des Zeitpunkts der Zeitvorrückung gemäß § 239 Abs 1 DO.A beantragt. Die Beklagte akzeptiert gegenüber dem Kläger zwar die Anrechnung von nicht mehr als drei Jahren an Schulzeiten gegenüber der ursprünglichen Dienstzeitfeststellung. Sie beruft sich jedoch auf die gleichzeitige Verlängerung des Vorrückungszeitraums in der Bezugsstufe 1 auf fünf Jahre gemäß § 40 Abs 3 DO.A, sodass sich kein Erfordernis für eine Neuberechnung der Ansprüche des Klägers ergebe.

2. Mittelbare Diskriminierung aus Gründen des Alters

2.1 Nach Art 6 Abs 1 EUV ist die Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC) im Rang des Primärrechts verbindlich. Nach Art 21 Abs 1 GRC sind Diskriminierungen insbesondere auch wegen des Alters verboten. Zudem ist das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters als allgemeiner Rechtsgrundsatz im Sinn des Art 6 Abs 3 EUV anerkannt (C‑144/04, Mangold , Rn 75; C‑555/07, Kücükdeveci , Rn 21 und 22). Das nunmehr auch in der GRC verankerte Verbot der Altersdiskriminierung wird durch die einschlägige Antidiskriminierungs‑RL 2000/78 konkretisiert, die einen allgemeinen Rahmen zur Bekämpfung der Diskriminierung unter anderem wegen des Alters schafft. Es darf damit insbesondere in Bezug auf das Arbeitsentgelt (Art 3 Abs 1 lit c RL 2000/78) keine unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung aus Gründen des Alters geben. Das Fehlen einer Diskriminierung steht aber in Frage, wenn eine Person aufgrund ihres Alters trotz gleicher oder gleichwertiger Arbeit ein geringeres Arbeitsentgelt erhält.

2.2 Da seit der 80. Änderung der DO.A die Anrechnung von Vordienstzeiten bei der Beklagten nicht mehr direkt vom Alter abhängig ist, liegt nach Auffassung des Senats eine unmittelbare Diskriminierung wegen des Alters nicht vor. Die Neuregelung in § 13 Abs 1 Z 2a lit b DO.A stellt für die Anrechenbarkeit von Dienstzeiten vordergründig auf ein neutrales Kriterium ab, nämlich den 30. Juni jenes Jahres, in dem neun Schuljahre absolviert wurden. Gleichzeitig wurde die bis dahin (bis zum Erreichen der 18. Bezugsstufe) gleichmäßig verlaufende Vorrückung (alle zwei Jahre), dahin geändert, dass neu eintretende Arbeitnehmer nunmehr deutlich mehr Dienstzeiten bis zur ersten Vorrückung aufweisen müssen (fünf Jahre statt zwei). Es stellt sich daher die Frage, ob diese dem Anschein nach neutralen Regelungen nicht eine mittelbare Diskriminierung wegen des Alters darstellen.

2.3 Die mittelbare Diskriminierung setzt voraus, dass es ‑ durch scheinbar neutrale Vorschriften ‑ zu einer Benachteiligung von Personen eines bestimmten Alters gegenüber anderen Personen eines anderen Alters kommen kann. Eine mittelbare Diskriminierung wegen des Alters kann daher vorliegen, wenn durch scheinbar neutrale Vorschriften jüngere Arbeitnehmer im Vergleich zu älteren Arbeitnehmern benachteiligt werden. Der Bezugspunkt des Vergleichs ist die jeweils andere Gruppe von Arbeitnehmern, hier also jüngere und ältere Arbeitnehmer. Die Verlängerung des ersten Vorrückungszeitraums im Vergleich zu den folgenden Bezugsstufen betrifft vor allem die bei der Beklagten neu eintretenden Arbeitnehmer ohne Vordienstzeiten. In dieser Gruppe sind in der Regel vor allem jüngere Arbeitnehmer vertreten, sodass nach Auffassung des Senats eine Benachteiligung jüngerer Arbeitnehmer beim Entgelt durch die Neuregelung nicht ausgeschlossen werden kann.

Unter Berücksichtigung des hier anzuwendenden kollektivvertraglichen Gehaltsschemas, wonach die Bezüge mit zunehmender Vorrückung kontinuierlich (bis zur Bezugsstufe 18) steigen, befinden sich in der Gruppe der Arbeitnehmer, deren Entgelt niedriger ist, tendenziell die jüngeren Arbeitnehmer. Da durch die Neuregelung in § 40 Abs 3 DO.A die Verweildauer in der (niedrigsten) Bezugsstufe 1 von zwei Jahren deutlich auf fünf Jahre erhöht wurde, werden daher durch eine scheinbar neutrale Vorschrift im Ergebnis überwiegend jüngere Arbeitnehmer, die dadurch ‑ trotz gleicher oder gleichartiger Arbeit, was durch Einstufung in die gleiche Gehaltsgruppe und gleiche Dienstklasse zum Ausdruck kommt ‑ über einen längeren Zeitraum hinweg ein gleichbleibend niedrigeres Entgelt erhalten als vergleichbare ältere Arbeitnehmer, benachteiligt. Es stellt sich daher die Frage, ob durch diese Regelung eine mittelbare Diskriminierung jüngerer Arbeitnehmer wegen des Alters iSd Art 2 Abs 2 lit b RL 2000/78 bei der Entgeltsituation (Art 3 Abs 1 lit c RL 2000/78) bewirkt wird.

Daran ändert wohl die von der Beklagten ins Treffen geführte Verbesserung der besoldungsrechtlichen Situation mit der 80. Änderung der DO.A für Arbeitnehmer, die vor Vollendung des 18. Lebensjahrs bei der Beklagten neu eintreten (vgl § 40 Abs 2 DO.A alt) nichts, weil es sich dabei um eine andere Gruppe von jüngeren Arbeitnehmern handelt, die sich nach der 80. Änderung der DO.A lediglich in derselben Situation befindet wie alle neu bei der Beklagten eintretenden Arbeitnehmer.

3. Rechtfertigungsgründe

3.1 Damit stellt sich bei Bejahung der Frage 1.a) die weitere Frage 1.b), ob die Regelung eines deutlich längeren Vorrückungszeitraums in der Einstiegsphase und die dadurch bewirkte Ungleichbehandlung für jüngere Arbeitnehmer trotz gleicher oder gleichartiger Arbeit durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind (Art 2 Abs 2 lit b sublit i und Art 6 Abs 1 RL 2000/78).

3.2 Der Gerichtshof der Europäischen Union hat bereits ausgesprochen, dass die Berücksichtigung von Berufserfahrung eine Ungleichbehandlung (im Sinn der damals anzuwendenden Richtlinie des Rates 75/117/EWG vom 10. Februar 1975 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für Männer und Frauen) rechtfertigen kann und der Arbeitgeber das Kriterium der Anciennität („Biennalsprünge“) nicht besonders zu rechtfertigen braucht (C‑109/88, Danfoss , Rn 24, 25). Zur Rechtfertigung eines längeren Vorrückungszeitraums zu Beginn des Arbeitsverhältnisses könnte daher vor allem das Argument ins Treffen geführt werden, dass eine Einarbeitung des Arbeitnehmers notwendig sei und seine Berufserfahrung zu Beginn des Arbeitsverhältnisses langsamer wachse. Die Einarbeitung dient zweifellos dem Erwerb von Berufserfahrung, die den Arbeitnehmer in der Regel befähigt, seine Arbeit besser zu verrichten. Diese wurde in der Rechtsprechung des Gerichtshofs bereits als tauglicher Rechtfertigungsgrund einer Ungleichbehandlung im Hinblick auf das Entgelt grundsätzlich anerkannt (C‑17/05, Cadman , Rn 34; C‑196/02, Nikoloudi , Rn 55; C‑109/88, Danfoss , Rn 24). Das Dienstalter ist auch in Art 6 Abs 1 lit b RL 2000/78 erwähnt. Dem könnte allerdings entgegengehalten werden, dass Berufserfahrung auch in ‑ hier auch anrechenbaren -Vordienstzeiten erworben werden kann. Auch darf die Möglichkeit, Berufserfahrung zu honorieren, nicht dazu führen, sie zu Lasten der jüngeren Arbeitnehmer überproportional zu honorieren. Das Argument, dass Berufserfahrung zu Beginn des Arbeitsverhältnisses absolut und relativ langsamer erworben werde, könnte dahin hinterfragt werden, ob die Berufserfahrung nicht gerade zu Beginn der beruflichen Tätigkeit vergleichsweise schneller anwächst als mit zunehmendem Dienstalter. Auch die Sozialpartner gehen offenbar davon aus, dass die Berufserfahrung mit zunehmendem Dienstalter weniger schnell wächst, sehen sie doch in Kollektivverträgen immer wieder vor, dass ab Erreichung eines bestimmten Dienstalters die Vorrückungszeiträume verlängert werden, oder dass ‑ wie zB hier gemäß § 40 Abs 7 DO.A ab Erreichung der Bezugsstufe 18 ‑ der letzte Vorrückungszeitraum verlängert wird und ‑ unter bestimmten Voraussetzungen ‑ nur mehr eine weitere Vorrückung vorgesehen ist. Vor diesem Hintergrund könnte der Rechtfertigungsgrund der Berufserfahrung für die dargestellte Ungleichbehandlung auch angezweifelt werden, wodurch die nachstehenden Rechtfertigungsüberlegungen in den Vordergrund rücken würden.

3.3 Grundsätzlich können auch Anreizsysteme für die ebenfalls die als Rechtfertigungsgrund geltend gemachte Betriebstreue eine Ungleichbehandlung rechtfertigen. Ob allerdings die beträchtliche Verlängerung der Vorrückungszeit in der ersten Bezugsstufe auf das Zweieinhalbfache der jeweils danach folgenden Vorrückungszeiten tatsächlich eine angemessene und erforderliche Maßnahme zur Stärkung der Betriebstreue sein kann, bleibt zweifelhaft, droht doch gerade bei jüngeren Arbeitnehmern die Gefahr, angesichts des überproportional langen ersten Vorrückungszeitraums in einen besseren Kollektivvertrag „abzuwandern“. Umgekehrt stellt sich die Frage, ob nicht gerade eine gleichmäßige Vorrückung dem Ziel der Betriebsbindung eher gerecht werden könnte.

3.4 Eine Rechtfertigung der dargestellten Ungleichbehandlung könnte allenfalls auch darin gesucht werden, dass die vereinbarten kollektivvertraglichen Regelungen infolge der Beteiligung der in Art 28 GRC genannten Organisationen der Arbeitnehmer und Arbeitgeber (Sozialpartner) einem Interessenausgleich bei Wahrung der Verhältnismäßigkeit entsprechen (vgl nur C‑297, 298/10, Hennings , Rn 92). Es könnte argumentiert werden, dass es den Kollektivvertragsparteien im Rahmen ihres (weiten) sozialen Gestaltungsspielraums auch freisteht, unterschiedlich lange Vorrückungszeiten zu vereinbaren. Die Einführung eines verlängerten ersten Vorrückungszeitraums könnte als eine noch nicht diskriminierende Maßnahme angesehen werden, weil alle neu eintretenden Arbeitnehmer, die in dieser Phase des Arbeitsverhältnisses in der Regel nur über geringe Berufserfahrung verfügen, in der Regel diesen ersten Zeitraum gleichermaßen durchlaufen müssen. So hat Generalanwalt Bot in der Rechtssache Starjakob in seinen Schlussanträgen vom 3. 7. 2014 ausgeführt, dass die Entscheidung des österreichischen Gesetzgebers, den für die Vorrückung in den ersten drei Gehaltsstufen (Bezugsstufen) erforderlichen Zeitraum um jeweils ein Jahr zu verlängern, „an sich nicht zu beanstanden“ sei (C‑417/13, Schlussanträge des GA, Rn 44). Allerdings kommt den Sozialpartnern nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs bei Maßnahmen iSd Art 6 Abs 1 RL 2000/78 zwar ein weiter Ermessensspielraum, aber kein größerer Gestaltungsspielraum zu als den Mitgliedstaaten der Europäischen Union und sind sie in gleicher Weise wie diese an das Unionsrecht gebunden (C‑45/09, Rosenbladt , Rn 40, 41; C‑411/05, Palacios de la Villa , Rn 68; C‑297, 298/10, Hennings , Rn 92; C‑447/09, Prigge , Rn 47 f). Eine sonst ungerechtfertigte Maßnahme dürfte daher ihre Rechtfertigung nicht ausschließlich in einem Kompromiss der Sozialpartner finden, was allerdings in der Lehre wiederum die Frage provoziert, ob es sich bei der Kollektivvertragsautonomie nach Art 28 GRC nur um ein „nachrangiges Grundrecht“ handelt ( Felten , Der Gestaltungsspielraum der Kollektivvertragsparteien nach Unionsrecht, DRdA 2012/26, 382 ff mwN).

3.5 Die Schaffung eines verlängerten ersten Vorrückungszeitraums ermöglicht es der Beklagten, Arbeitnehmer für längere Zeit kostengünstig einzusetzen. Diese Maßnahme kann daher unter Umständen als geeignet angesehen werden, die berufliche Eingliederung von ‑ in der Gruppe der Neueintretenden vergleichsweise stärker repräsentierten ‑ Jugendlichen, die noch wenig Vordienstzeiten aufweisen, zu fördern (Art 6 Abs 1 lit a RL 2000/78/EG; vgl C‑88/08, Hütter , Rn 20 ff). Allerdings stellt sich auch hier die Frage nach der Verhältnismäßigkeit der Maßnahme vor dem Hintergrund des Umstands, dass der erste Vorrückungszeitraum von fünf Jahren überproportional im Verhältnis zu den sonst vom Kollektivvertrag in der Regel vorgesehenen Vorrückungszeiträumen von jeweils zwei Jahren verlängert wurde. Das angestrebte Ziel hätte wohl auch durch eine gleichmäßigere Aufteilung der Verlängerung der Vorrückungszeiträume erreicht werden können (etwa durch Verlängerung der ersten drei Vorrückungen von jeweils zwei auf drei Jahre). Dadurch hätten nicht nur die neu eintretenden Arbeitnehmer, sondern auch die bereits länger bei der Beklagten beschäftigten älteren Arbeitnehmer die Folgen der neuen (niedrigeren) Einstufung zu tragen. Damit ist auch dieser Rechtfertigungsgrund bei Annahme einer mittelbaren Diskriminierung mit Zweifeln behaftet.

3.6 Schließlich streben die Neuregelungen der §§ 13 und 40 DO.A sichtlich auch das Ziel an, die durch die Ermöglichung der Anrechnung von Vordienstzeiten bewirkten negativen finanziellen Folgen durch die Schaffung eines längeren Vorrückungszeitraums in der ersten Bezugsstufe zu „neutralisieren“. Allerdings erscheint es vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union als zweifelhaft, ob Erwägungen über die Kostenneutralität einer Maßnahme für sich allein ein legitimes Ziel im Sinn des Art 6 Abs 1 RL 2000/78/EG darstellen können (C‑417/13, Starjakob , Rn 36; C‑501/12, Specht , Rn 74 ff; C‑77/02, Steinicke , Rn 66).

Als Gericht letzter Instanz ist der Oberste Gerichtshof zur Vorlage verpflichtet, wenn die richtige Anwendung des Unionsrechts nicht derart offenkundig ist, dass kein Raum für vernünftige Zweifel bleibt. Solche Zweifel liegen ‑ wie im Einzelnen vorstehend dargestellt wurde ‑ hier vor.

VIII. Aussetzung des Verfahrens

Der Ausspruch über die Aussetzung des Verfahrens beruht auf § 90a Abs 1 GOG.

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