OGH 1Ob56/15i

OGH1Ob56/15i27.8.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski, Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätin Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Stadtgemeinde K*****, vertreten durch Dr. Gerhard Renner und Dr. Gerd Höllerl, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei V***** GmbH, *****, vertreten durch die KWR Karasek Wietrzyk Rechtsanwälte GmbH, Wien, wegen 540.829,22 EUR sA über den außerordentlichen Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 16. Februar 2015, GZ 11 R 18/15w‑22, mit dem der Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 11. November 2014, GZ 58 Cg 55/14v‑14, zurückgewiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0010OB00056.15I.0827.000

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Der Antrag auf Zuspruch der Kosten der Revisionsrekursbeantwortung wird gemäß § 508a Abs 2 Satz 2 und § 521a Abs 2 ZPO abgewiesen.

 

Begründung:

Nachdem die Beklagte in ihrer Klagebeantwortung neben Einwendungen zur Sache auch die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtswegs erhoben hatte, trug das Erstgericht beiden Parteien unter anderem auf, sämtliches Vorbringen zu erstatten und der Klägerin zusätzlich, das Klagebegehren schlüssig zu stellen. Nach dem Einlangen mehrerer Schriftsätze von beiden Seiten, die in der anberaumten (vorbereitenden) Tagsatzung vorgetragen und durch mündliches Vorbringen ergänzt wurden, berichtigte das Erstgericht die Bezeichnung der Beklagten und erörterte einzelne Sachverhaltsdetails. Danach verkündete es seinen Beschluss, mit dem die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtswegs verworfen wurde. Die Beklagte beantragte eine Ausfertigung dieses Beschlusses und stellte in der Sache den Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens, wobei die Parteien in Aussicht stellten, sich über die Person des Sachverständigen zu einigen und dies dem Gericht bekannt zu geben. Abschließend erklärte die Erstrichterin, das Verfahren (in der Hauptsache) auf den Grund des Anspruchs einzuschränken, und erstreckte die Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung auf unbestimmte Zeit. Dem erwähnten Antrag der Beklagten auf Zustellung einer Beschlussausfertigung kam das Erstgericht nach.

Gegen die Verwerfung der Prozesseinrede erhob die Beklagte innerhalb von zehn Tagen ab Zustellung Rekurs, in dem sie primär die Abänderung der Entscheidung im Sinne einer Klagezurückweisung anstrebte.

Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Rekursgericht den Rekurs als unzulässig zurück und erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für nicht zulässig. Gemäß § 261 Abs 1 ZPO habe zwar eine Entscheidung über die wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs vorgebrachte Einrede nach vorangehender mündlicher Verhandlung mit Beschluss zu erfolgen. Sei jedoch über diese Einrede in Verbindung mit der Hauptsache verhandelt worden, so sei die Entscheidung, womit dieselbe abgewiesen wird, nicht besonders auszufertigen, sondern in die über die Hauptsache ergehende Entscheidung aufzunehmen. Ebenso sei nach § 261 Abs 2 ZPO vorzugehen, wenn zwar ursprünglich über die Einrede abgesondert verhandelt wurde, anschließend jedoch angeordnet werde, dass die Verhandlung zur Hauptsache sogleich aufgenommen wird. Eine abgesonderte Anfechtbarkeit sei nur gegeben, wenn über die Prozesseinrede abgesondert verhandelt wird, ohne dass das Verfahren in der Hauptsache fortgeführt wird. Hingegen sei eine Anfechtbarkeit zu verneinen, wenn eine abgesonderte Verhandlung über die Prozesseinrede nicht erfolgt. Eine Entscheidung, die an sich nicht abgesondert angefochten werden könne, werde grundsätzlich nicht dadurch selbständig anfechtbar, dass sie ausgefertigt und den Parteien zugestellt wird. Nach der höchstgerichtlichen Rechtsprechung liege eine „abgesonderte Verhandlung“ über die Einrede nur vor, wenn eine solche Absonderung in ausreichend klarer Beschlussform iSd § 189 ZPO erfolgt. Eine rein faktische Einschränkung der Verhandlung auf die Erörterung der Prozesseinrede ohne diesbezügliche Beschlussfassung stelle hingegen keine Beschränkung der Verhandlung auf die „Unzuständigkeitseinrede“ iSd § 261 Abs 2 ZPO dar. Im vorliegenden Fall gebe es nicht den geringsten Hinweis darauf, dass das Erstgericht abgesondert über die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtswegs verhandeln hätte wollen oder auch nur faktisch den Verhandlungsgegenstand darauf beschränkt hätte. Der ordentliche Revisionsrekurs sei nicht zulässig, weil sich das Rekursgericht im Bezug auf die Zulässigkeit des vorliegenden Rekurses an der zitierten Lehre und ständigen höchstgerichtlichen rechtlichen Rechtsprechung orientiert habe.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen erhobene außerordentliche Revisionsrekurs der Beklagten, über den nun nach Zurückweisung ihres Antrags nach Art 140 Abs 1 Z 1 lit d B‑VG durch den Verfassungsgerichtshof zu entscheiden ist, ist aus den vom Rekursgericht zutreffend dargelegten Erwägungen, auf die daher zu verweisen ist, nicht zulässig.

Den (hier etwas gekürzt wiedergegebenen) Argumenten des Rekursgerichts, das noch die Rechtslage vor der Änderung des § 261 ZPO durch BGBl I Nr 94/2015 anzuwenden hatte, ist hinzuzufügen, dass das Erstgericht nicht nur von einer (förmlichen oder auch nur faktischen) Beschränkung der Verhandlung auf die Prozesseinrede abgesehen, sondern seine Absicht, auch in der Sache (weiter) zu verhandeln, unmissverständlich dadurch zum Ausdruck gebracht hat, dass es nach Erörterung der Frage eines Sachverständigenbeweises das Verfahren formell auf den Grund des Anspruchs eingeschränkt und die Tagsatzung auf unbestimmte Zeit erstreckt hat. Selbst wenn vorher eine abgesonderte Verhandlung über die Prozesseinrede stattgefunden hätte, hätte das Gericht damit iSd § 261 Abs 2 ZPO von Amts wegen angeordnet, dass die Verhandlung zur Hauptsache sogleich aufgenommen (bzw weitergeführt) wird. Auch in einem solchen Fall war ‑ wie schon das Rekursgericht zutreffend dargelegt hat ‑ eine gesonderte Ausfertigung des Beschlusses nicht vorgesehen und erst die in der Hauptsache ergehende Entscheidung bekämpfbar. Dass eine gesetzlich nicht vorgesehene Zustellung einer Beschlussausfertigung ‑ hier über ausdrücklichen Antrag der Beklagten ‑ nicht zu einer (sonst nicht gegebenen) Anfechtbarkeit dieser Entscheidung führen kann, hat der Oberste Gerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen (RIS‑Justiz RS0040207 [T1]).

Verfassungsrechtliche Bedenken gegen den vom Gesetz angeordneten Ausschluss eines abgesonderten Rechtsmittels bestehen auch im Hinblick auf die Verfahrensgarantien des Art 6 EMRK nicht, zumal die Frage, zu welchem Zeitpunkt eine von einer Partei als unrichtig angesehene Entscheidung über eine Prozesseinrede bekämpft werden kann, lediglich prozessökonomische Aspekte betrifft, nicht aber den Rechtsschutz selbst, der ja jedenfalls gewährt wird. Nur der Vollständigkeit halber ist auf das Argument der Revisionswerberin einzugehen, eine abgesonderte Verhandlung über die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtswegs wäre schon aus Zweckmäßigkeitsgründen der Prozessökonomie geboten gewesen. Ob es im Einzelfall prozessökonomischer ist, über eine solche Prozesseinrede abgesondert zu entscheiden und dies im Rechtsmittelweg unverzüglich überprüfbar zu machen, oder aber die Bekämpfung auf den Zeitpunkt der Fällung der Hauptsachenentscheidung zu verschieben, hängt ausschließlich davon ab, ob sich die Einrede letztlich als berechtigt erweist oder nicht (vgl dazu auch Kodek in Fasching/Konecny 2 III § 261 ZPO Rz 30 ff). Ist sie unberechtigt, ist es Zeit und Kosten sparender, kein eigenes Rechtsmittelverfahren zwischenzuschalten, sondern die Frage erst gleichzeitig mit der Entscheidung in der Hauptsache überprüfbar zu machen. Wenn es der Gesetzgeber nun letztlich dem Erstgericht ‑ ähnlich wie etwa in § 519 Abs 1 Z 2 ZPO dem Berufungsgericht ‑ überließ, die „Weichen“ für die Zulässigkeit oder Unzulässigkeit einer abgesonderten Anfechtung zu stellen, wobei insbesondere auch die Erfolgsaussichten eines Rechtsmittels zu berücksichtigen sind, kann darin keine bedenkliche Beeinträchtigung des Rechts der Prozessparteien auf ein faires Verfahren (einschließlich einer Sachentscheidung in angemessener Frist) gesehen werden. Dass es im Einzelfall zu prozessökonomisch nachteiligen Folgen kommen kann, weil sich letztlich nach Durchführung des Verfahrens in der Hauptsache die Prozesseinrede doch als berechtigt erweist, ist aus den dargelegten Erwägungen hinzunehmen. Der zusätzliche finanzielle Verfahrensaufwand würde der Beklagten aber ohnehin dadurch abgegolten, dass die Klägerin ihr die gesamten Verfahrenskosten zu ersetzen hätte.

Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 528a iVm § 510 Abs 3 ZPO).

Die klagende Partei hat ohne gerichtliche Aufforderung eine Beantwortung zum außerordentlichen Revisionsrekurs der Beklagten erstattet. Da dieser Schriftsatz angesichts der mangelnden Zulässigkeit des Revisionsrekurses nicht als der zweckmäßigen Rechtsverfolgung dienlich angesehen werden kann, hat sie ihre Verfahrenskosten insoweit selbst zu tragen.

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