OGH 9Ob33/15s

OGH9Ob33/15s27.8.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsrekursgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte des Obersten Gerichtshofs Mag. Ziegelbauer, Dr. Dehn, Dr. Hargassner und Mag. Korn in der Pflegschaftssache der minderjährigen Kinder 1. S***** M*****, geboren am *****, 2. S***** M*****, geboren am *****, beide vertreten durch das Land Wien als Kinder‑ und Jugendhilfeträger (Magistrat der Stadt Wien, Amt für Jugend und Familie, Rechtsvertretung, Bezirke 17‑19, 1190 Wien, Gatterburggasse 14), gegen den Vater L***** M*****, wegen Unterhaltsherabsetzung, über den Revisionsrekurs der Kinder gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 13. Februar 2015, GZ 45 R 451/14b‑113, mit dem dem Rekurs der Kinder gegen den Beschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 5. September 2014, GZ 6 Pu 166/13k‑97, nicht Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0090OB00033.15S.0827.000

 

Spruch:

Aus Anlass des Revisionsrekurses wird der angefochtene Beschluss des Rekursgerichts, soweit er die Unterhaltspflicht des Vaters für den Zeitraum von 1. Mai 2014 bis 30. November 2014, betrifft, ersatzlos aufgehoben. Das Verfahren über den Antrag des Vaters auf Herabsetzung seiner Unterhaltsleistung ist für diesen Zeitraum infolge der am 10. November 2014 erfolgten Eröffnung des Schuldenregulierungsverfahrens über das Vermögen des Vaters unterbrochen.

 

Begründung:

L***** M***** ist als Vater der mj Kinder S***** und S***** M***** für sie unterhaltspflichtig. Mit Beschluss vom 5. September 2014 setzte das Erstgericht seine monatliche Unterhaltspflicht beginnend mit 1. Mai 2014 von 173 EUR je Kind auf 118 EUR je Kind herab. Das Mehrbegehren des Vaters, gerichtet auf Bestimmung der Unterhaltspflicht mit nur 100 EUR je Kind ab 1. Mai 2014, wurde abgewiesen.

Mit Beschluss des Bezirksgerichts Hernals vom 10. November 2014, *****, wurde über das Vermögen des Vaters das Schuldenregulierungsverfahren mit Eigenverwaltung eröffnet. In der Prüfungstagsatzung vom 3. Februar 2015 erkannte der Vater die von den Kindern in Höhe von jeweils 10.719,74 EUR angemeldeten Forderungen an. Mit Beschluss vom 24. Februar 2015, bekannt gemacht am 3. März 2015, wurde das Schuldenregulierungsverfahren aufgehoben und die rechtskräftige Einleitung des Abschöpfungsverfahrens bekanntgegeben.

Mit dem angefochtenen Beschluss des Rekursgerichts vom 13. Februar 2015 wurde ‑ in Unkenntnis der Eröffnung des Schuldenregulierungsverfahren ‑ dem gegen den Unterhaltsherabsetzungsbeschluss des Erstgerichts gerichteten Rekurs der Kinder nicht Folge gegeben und der ordentliche Revisionsrekurs für nicht zulässig erklärt. Infolge ihrer Zulassungsvorstellung wurde der von ihnen erhobene Revisionsrekurs im Hinblick auf die Konkurseröffnung nachträglich zugelassen.

Die Kinder beantragen in ihrem Revisionsrekurs die Abänderung des Beschlusses dahin, dass die Herabsetzung der Unterhaltsverpflichtung erst ab 1. Dezember 2014 zum Tragen komme. Das Unterhaltsherabsetzungsverfahren hätte infolge der Konkurseröffnung vom 10. November 2014 unterbrochen werden müssen. Der Vater habe die Forderung in der Prüfungstagsatzung vom 3. Februar 2015 überdies voll anerkannt, sodass das Rekursgericht gegen die Bindungswirkung des Anerkenntnisses verstoßen habe.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig und im aus dem Spruch ersichtlichen Umfang berechtigt .

1.  Nach § 25 Abs 1 Z 4 AußStrG wird das Verfahren unterbrochen, wenn der Konkurs über das Vermögen einer Partei eröffnet wird, sofern die Bestimmungen der Konkursordnung dies vorsehen. Die einschlägigen Bestimmungen finden sich in den §§ 6 bis 8 IO, die sinngemäß für Außerstreitverfahren gelten (§ 8a IO). Nach § 7 Abs 1 IO werden alle anhängigen Rechtsstreitigkeiten, in denen der Schuldner Kläger oder Beklagter ist, mit Ausnahme der in § 6 Abs 3 IO bezeichneten Streitigkeiten, durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens unterbrochen. Die Unterbrechung tritt ex lege ein. Da das Schuldenregulierungsverfahren gemäß den §§ 181 ff IO ein Konkursverfahren ist, hat auch die Eröffnung eines Schuldenregulierungsverfahrens verfahrensunterbrechende Wirkung (RIS‑Justiz RS0103501), dies auch bei Eigenverwaltung des Schuldners (9 ObA 9/15m mwN).

2.  Ob gesetzliche Unterhaltsansprüche Insolvenzforderungen sind, richtet sich nach dem Zeitpunkt ihrer Fälligkeit: Unterhaltsforderungen, die im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens (Schulden‑ regulierungsverfahrens) über das Vermögen des Schuldners bereits fällig sind, sind Insolvenzforderungen. Da der Unterhalt mangels anderer Vereinbarung am Monatsersten im Voraus fällig wird (§ 1418 ABGB), gilt dies auch für die gesamte im Monat der Insolvenzeröffnung zustehende Leistung ( Neuhauser in Schwimann/Kodek , ABGB 4 Bd 1a § 231 Rz 537 mwN). Demnach wird ein Pflegschaftsverfahren, soweit es bis zur Insolvenzeröffnung geschuldeten rückständigen Unterhalt zum Gegenstand hat, durch die Eröffnung des Schuldenregulierungsverfahrens ‑ auch im Stadium des Rechtsmittelverfahrens (RIS‑Justiz RS0036996 [T4, T9 ua]) ‑ ex lege unterbrochen. Die Forderung ist als Konkursforderung im Schuldenregulierungsverfahren anzumelden (s 10 Ob 41/08i).

Dagegen ist die gerichtliche Geltendmachung des ab Insolvenzeröffnung fällig werdenden Unterhalts nicht eingeschränkt. Laufende gesetzliche Unterhaltsforderungen können (mit Ausnahme des § 51 Abs 2 Z 1 IO) im Insolvenzverfahren nicht geltend gemacht werden und werden von den Konkurswirkungen der Insolvenz auch nicht berührt. Anhängige Verfahren laufen insofern weiter (s 10 Ob 41/08i; Schwimann/Kolmasch , Unterhaltsrecht 7 60; Neuhauser in Schwimann/Kodek , ABGB 4 Bd 1a § 231 Rz 536; Nunner‑Krautgassner , Wirkungen der Konkurseröffnung auf Außerstreitverfahren, Zivilverfahrensrecht, Jahrbuch 2009, 130, 143).

3.  Soweit in der Entscheidung 8 Ob 120/08t die Unterbrechungswirkung eines Kindesunterhaltsverfahrens, in dem der Herabsetzungsantrag des Unterhaltspflichtigen verfahrensgegenständlich war, verneint wurde, ist sie in der Lehre auf Kritik gestoßen ( Neuhauser in Schwimann/Kodek , ABGB 4 Bd 1a § 231 ABGB Rz 539; Nunner‑Krautgassner , Wirkungen der Konkurseröffnung, 142; Gitschthaler in Gitschthaler/Höllwerth , AußStrG § 25 Rz 27) und ist in der Folge auch vereinzelt geblieben. Beispielsweise wurde in der Entscheidung 10 Ob 30/10z die Unterbrechungswirkung bejaht. Auch im vorliegenden Fall hat daher zu gelten, dass die Eröffnung eines Schuldenregulierungsverfahrens ein Unterhaltsherabsetzungsverfahren unterbricht.

4.  Ist ein Verfahren ex lege unterbrochen und bisher nicht wieder aufgenommen worden, sind Rechtsmittelschriften grundsätzlich nicht meritorisch zu erledigen, sondern zurückzuweisen (stRsp, RIS‑Justiz RS0037023; RS0037150). Dies gilt jedoch dann nicht, wenn im Rechtsmittel ‑ wie hier ‑ Fragen der Unterbrechung aufgeworfen werden (zB 3 Ob 171/08f).

5.  Anzumerken ist, dass im Fall der Unterbrechung eines außerstreitigen Verfahrens zwar nicht von einer Unzulässigkeit des Rechtswegs im üblichen Sinn gesprochen werden kann, weil es sich nicht nur beim Pflegschaftsverfahren, sondern auch beim Konkursverfahren um ein außerstreitiges Verfahren handelt. Die Missachtung des zwingenden Vorrangs des konkursrechtlichen Prüfungsverfahrens vor der (erst im Fall der Bestreitung der Forderung zulässigen) Fortsetzung des unterbrochenen außerstreitigen Unterhaltsverfahrens stellt jedoch einen Verfahrensverstoß dar, der dem Grunde und auch seinem Gewicht nach der Unzulässigkeit des Rechtswegs iSd § 56 AußStrG gleichzusetzen und daher ebenfalls mit Nichtigkeit bedroht ist (8 Ob 14/07b; 10 Ob 30/10z).

6.  Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass das Rekursverfahren hinsichtlich der Unterhaltsherabsetzung bis einschließlich der Alimente für November 2014 infolge der Eröffnung des Schuldenregulierungsverfahrens und mangels einer Wiederaufnahme des Verfahrens unterbrochen ist. Aus Anlass des Revisionsrekurses ist daher die während der Verfahrensunterbrechung ergangene Entscheidung des Rekursgerichts insoweit, das heißt bezüglich der Unterhaltsherabsetzung von 1. Mai bis 30. November 2014, ersatzlos aufzuheben (§ 56 AußStrG). Im Übrigen, das heißt bezüglich des Zeitraums seit 1. Dezember 2014, wurde der Beschluss des Rekursgerichts nicht bekämpft.

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