OGH 5Ob103/15f

OGH5Ob103/15f14.7.2015

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden sowie den Hofrat Dr. Höllwerth, die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi als weitere Richter in der Grundbuchsache der Antragstellerin DI S*****, vertreten durch Mag. Hanno Stromberger und Dr. Julia Klatil, Rechtsanwälte in Villach, wegen Anmerkung nach § 66 GBG, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 10. Februar 2015, AZ 4 R 240/14i, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0050OB00103.15F.0714.000

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 126 Abs 2 GBG iVm § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 126 Abs 3 GBG).

 

Begründung:

Der Nachlass des am 9. 7. 2013 verstorbenen Eigentümers der EZ ***** wurde mit Einantwortungsurkunde vom 25. 7. 2008 seinem Sohn Ing. K***** und seiner Tochter je zur Hälfte eingeantwortet. Nach der Verbücherungsanordnung sollte das Eigentumsrecht an der Liegenschaft für den Sohn mit der Beschränkung des im Testament auferlegten Belastungs‑ und Veräußerungsverbots zugunsten seiner Kinder, darunter die Antragstellerin, einverleibt werden.

Am 27. 11. 2013 schloss Ing. K***** mit seiner Gattin einen Übergabsvertrag. Aufgrund dieses Vertrags wurde das Eigentumsrecht der Ehegattin an der Liegenschaft eingetragen. Das Eigentumsrecht des Erben war zuvor nicht eingetragen worden. Die Ehegattin hatte ihrem Gesuch um Einverleibung ihres Eigentumsrechts eine gekürzte Ausfertigung der Einantwortungsurkunde beigelegt, die die angeordnete Beschränkung durch Eintragung eines Belastungs‑ und Veräußerungsverbots nicht enthielt. Das Veräußerungs‑ und Belastungsverbot wurde daher nicht eingetragen.

Am 10. 7. 2014 wurde eine Strafanzeige gegen Ing. K***** wegen §§ 223, 224 StGB erstattet.

Am 6. 8. 2014 begehrte die Antragstellerin unter Vorlage der Strafanzeige sowie einer Amtsbestätigung des Leiters der zuständigen Staatsanwaltschaft über die Einbringung der Anzeige die Bewilligung der Anmerkung nach § 66 GBG, dass die Einverleibung streitig sei.

Die Vorinstanzen wiesen diesen Antrag ab. Die Antragstellerin sei nicht in einem bücherlichen Recht verletzt worden.

Der außerordentliche Revisionsrekurs der Antragstellerin ist mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 126 Abs 2 GBG iVm § 62 Abs 1 AußStrG nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

1. Nach § 61 Abs 1 Satz 1 GBG kann derjenige, der durch eine Einverleibung in einem bücherlichen Recht verletzt scheint, die Einverleibung aufgrund ihrer Ungültigkeit im Prozessweg bestreitet und die Wiederherstellung des vorigen Grundbuchsstandes begehrt, die Anmerkung dieses Streites beantragen.

2. Wer behauptet, dass eine Einverleibung als Folge einer strafgesetzlich verbotenen Handlung erwirkt worden ist, kann nach § 66 Abs 1 GBG unter Vorlage der Bestätigung der zuständigen Behörde, dass die Anzeige bei ihr erstattet worden ist, die Anmerkung beantragen, dass die Einverleibung streitig ist, um die in § 61 GBG bezeichnete Rechtswirkung gegen spätere Eintragungen zu begründen. Soll durch die Streitanmerkung die Wirkung begründet werden, dass der Anspruch auf Ungültigerklärung einer Einverleibung auch gegen dritte Personen, die bücherliche Rechte noch vor der Streitanmerkung im guten Glauben darauf erworben haben, gewahrt werde, so muss das Gesuch um die Streitanmerkung beim Grundbuchsgericht innerhalb der Frist eingebracht werden, die der Partei zum Rekurs gegen die Bewilligung der Einverleibung zukäme (§ 66 Abs 2 GBG).

3. Nach ständiger Rechtsprechung (RIS‑Justiz RS0060512) setzt eine Streitanmerkung iSd § 61 Abs 1 GBG voraus, dass ein dingliches Recht an einer verbücherten Liegenschaft, zumindest aber ein Recht geltend gemacht wird, das zufolge besonderer Bestimmung einem dinglichen Recht gleichzuhalten ist (RIS‑Justiz RS0060512 [T4]). Der Antragsteller muss in einem bücherlichen Recht verletzt sein (RIS‑Justiz RS0060512). Bei bloß obligatorischen, auf vertraglicher Grundlage beruhenden Ansprüchen ist die Anmerkung hingegen nicht zulässig (RIS‑Justiz RS0060629).

4. Diese Grundsätze gelten auch für die Streitanmerkung nach § 66 GBG, obwohl in dessen Abs 1 nicht ausdrücklich von einer Verletzung „bücherlicher Rechte“ die Rede ist:

4.1. In seinem Erkenntnis vom 13. 8. 1872 (GIU 4685) führte der Oberste Gerichtshof aus: „Die begehrte Streitanmerkung kann auch deshalb nicht bewilligt werden, weil der Zusammenhang der §§ 61, 66 und 67 der Grundbuchsordnung ergibt, daß zu dem Ansuchen um eine solche Anmerkung auch in dem Falle des § 66 nur derjenige berechtigt ist, welcher durch die Eintragung, bei der die Anmerkung des Streites geschehen soll, in seinen bücherlichen Rechten verletzt scheint. Der Unterschied zwischen § 61 und § 66 in dieser Beziehung besteht lediglich darin, dass die Einverleibung auf Grund ihrer Ungültigkeit dort im Proceßweg, hier im Anschluss an das Strafverfahren angefochten wird. Darum spricht auch der § 67 von der verletzten Partei und gestattet ihr, wenn das Strafgericht zwar auf die Schuld des Angeklagten, jedoch nicht auf eine solche Löschung erkannt hat, noch eine bestimmte Frist für die Klage auf Löschung der Einverleibung. Die Streitanmerkung setzt eben das auf Löschung einer Einverleibung gerichtete Begehren voraus, es mag dasselbe im Civil- oder im Strafverfahren erhoben werden; zu einem solchen Petit ist aber nur eine Person berufen, die durch die bestrittene Einverleibung in ihrem bücherlichen Recht verletzt erscheint.“

4.2. An dieser Voraussetzung der Verletzung bücherlicher Rechte hielt der Oberste Gerichtshof auch in folgenden Entscheidungen fest (1 Ob 1112/1931 = ZBl 1932/34; 7 Ob 12/11g).

4.3. Diese Rechtsmeinung wird ebenso einhellig in der Lehre vertreten ( Bartsch , Das österreichische allgemeine Grundbuchsgesetz in seiner praktischen Anwendung 7 , 525; G .  Kodek in Kodek , Grundbuchsrecht, § 66 GBG Rz 5; Rechberger/Bittner , Das Grundbuchsverfahren² Rz 305; Feil/Marent/Preisl , Grundbuchsrecht² § 66 GBG Rz 1). Hoyer kritisiert in seiner Anmerkung zur Entscheidung 7 Ob 12/11g (NZ 2013/16) keinesfalls die Verweigerung der Streitanmerkung bei bloß obligatorischen, auf Vertrag beruhenden Ansprüchen. Seine „Fragestellung“ bezieht sich nur auf die Streitanmerkung analog § 70 GBG (Zuerkennung eines dinglichen Rechts aufgrund Ersitzung) und auf andere Fälle des außerbücherlichen Eigentumserwerbs durch Zuschlag oder Einantwortung. In diesen Fällen gilt der Eintragungsgrundsatz eben nicht, weshalb die Berechtigten unabhängig von der Eintragung ihres Eigentums dinglich berechtigt iSd § 9 GBG sind.

4.4. Letztlich spricht auch der Wortlaut des Gesetzes dafür, dass einem obligatorisch aus einem Veräußerungs- und Belastungsverbot Begünstigten kein Recht auf eine Streitanmerkung nach § 66 GBG zukommt: Um die Wirkung der Streitanmerkung auch gegenüber gutgläubigen Dritten zu erzielen, muss der Antrag auf Streitanmerkung innerhalb der Frist eingebracht werden, die der Partei zum Rekurs gegen die Bewilligung der Einverleibung zukäme (§ 66 Abs 2 GBG). Einem nur obligatorisch Verbotsberechtigten steht aber im Sinn der höchstgerichtlichen Judikatur (RIS‑Justiz RS0006710) kein Rechtsmittel gegen die Einverleibung zu.

5. Zur Streitanmerkung nach § 61 Abs 1 GBG hat der Oberste Gerichtshof bereits klargestellt, dass es sich um die Verletzung eines dinglichen oder eines einem solchen kraft besonderer Bestimmung gleich zuhaltenden Rechts handeln muss. Klagsanmerkungen sind nur zulässig, soweit sie das Grundbuchsgesetz oder ein anderes Gesetz, das vergleichbare Rechtswirkungen festlegt, vorsieht. Dass schließt zwar eine Analogie nicht aus, schränkt diese jedoch auf Klagen ein, deren Anspruchsgrund und Wirkung einem Klagetypus entsprechen, der einer Streitanmerkung zugänglich ist (7 Ob 313/01g mwN).

5.1. Die Revisionsrekurswerberin versucht in ihren Ausführungen, Gründe für eine Analogiefähigkeit einer Anmerkung zu Gunsten einer Begünstigten aus einem intabulierten Veräußerungs‑ und Belastungsverbot zu finden, scheitert aber eben daran, dass ein solches Verbot nur rein obligatorisch und nicht absolut wirkt. Die Verbücherung selbst bewirkt nur die absolute Wirkung gegenüber Dritten, macht das Verbot selbst aber nach der herrschenden Meinung nicht zu einem dinglichen Recht (5 Ob 128/10z, RIS‑Justiz RS0062140 [T6]; RS0126487). Die Rechtsprechung ließ zwar die Anmerkung der Erbschaftsklage mit der Begründung zu, dass das Erbrecht ein dingliches Recht sei (RIS‑Justiz RS0013135). In der Lehre wird das Erbrecht allerdings ungeachtet §§ 308, 532 ABGB nicht zu den dinglichen Rechten gezählt, es bleibt aber dennoch ein absolutes Recht (s  Helmich in Kletečka/Schauer , ABGB‑ON 1.02 § 308 Rz 4 mwN; Eccer/Riss in KBB 4 § 308 Rz 1). Der wahre Erbe, der mit Erbschaftsklage die Herausgabe des Nachlasses begehrt, hat schon aufgrund des absoluten Charakters des Erbrechts jedenfalls eine andere, nämlich wesentlich stärkere Rechtsposition als ein obligatorisch Verbotsberechtigter. Am obligatorischen und relativen Charakter eines nicht intabulierten Veräußerungs‑ und Belastungsverbots ändert auch nichts, dass dieses nicht rechtsgeschäftlich eingeräumt wurde, sondern letztwillig verfügt wurde.

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