OGH 9ObA66/15v

OGH9ObA66/15v24.6.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Ziegelbauer, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Dehn sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Gerald Fuchs und Wolfgang Cadilek als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei E***** B*****, vertreten durch Dr. Wolfgang Winiwarter, Rechtsanwalt in Krems, gegen die beklagte Partei *****gemeinde *****, vertreten durch DDr. Wolfgang Doppelbauer, Rechtsanwalt in Wels, wegen Feststellung eines aufrechten Dienstverhältnisses (Streitwert: 200.000 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 26. März 2015, GZ 7 Ra 100/14y‑46, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:009OBA00066.15V.0624.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1.  Ob eine Entlassung rechtzeitig oder verspätet vorgenommen wurde, lässt sich allgemein nur nach den Umständen des einzelnen Falls richtig beurteilen (RIS‑Justiz RS0031571 ua). Auch ob dem Erfordernis der Unverzüglichkeit des Ausspruchs der Entlassung durch Befassung des Gemeinderats entsprochen wurde, stellt eine Beurteilung im Einzelfall dar, die ‑ von Fällen krasser Fehlbeurteilung abgesehen ‑ keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO begründet (RIS‑Justiz RS0029273 [T32]). Eine solche liegt hier nicht vor.

2.  Im vorliegenden Fall kamen bei einer die beklagte Gemeinde betreffenden Gebarungseinschau mit dem Schwerpunkt „Kassen‑ und Buchführung“ finanzielle Unregelmäßigkeiten und schwerwiegende Rechtsverstöße, Rechtsbrüche und organisatorische Unzulänglichkeiten zu Tage. Im Gebarungsbericht wurden der Kläger als Amtsleiter sowie der Bürgermeister der Beklagten belastet, sie spielten den Bericht gegenüber den Gemeinderatsmitgliedern allerdings herunter und ermöglichten nur schleppend eine Berichtseinsicht. Da der Bericht vom Kläger vor der Gemeinderatssitzung vom 13. 9. 2012 zum Teil gar nicht (Ersuchen eines Gemeinderatmitglieds), zum Teil nicht in seiner Gesamtheit (Ersuchen eines Fraktionsführers) zur Verfügung gestellt worden war und in der Sitzung nur auszugsweise verlesen wurde, verlangten Gemeinderatsmitglieder infolge der Sitzung den Bericht, um sich selbst ein Bild von den Vorwürfen zu machen. In der Folge gewährte der Kläger zwar Einsicht in den Bericht, verweigerte aber die Herstellung von Kopien, sodass die Gemeinderatsmitglieder nur nach und nach ausreichende Kenntnis davon erlangten. In der deshalb einberufenen außerordentlichen Gemeinderatssitzung vom 10. 10. 2012 beschlossen sie, die weitere Vorgangsweise von einem Gespräch und einer Stellungnahme des Klägers abhängig zu machen. Nachdem das Gespräch ergebnislos geblieben war und die Fraktionen nicht gewillt waren, auf die Forderungen des Klägers einzugehen, holte die Beklagte Rechtsberatung ein. In der nächsten Gemeinderatssitzung vom 24. 10. 2012 wurde schließlich die Entlassung des Klägers beschlossen und ihm am Folgetag das Entlassungsschreiben übergeben. Die Vorinstanzen erachteten die Entlassung als rechtzeitig.

3.  Soweit der Kläger meint, dass der Gemeinderat bereits in seiner Sitzung vom 13. 9. 2012 beschlussfähig gewesen sei, ist für ihn daraus nichts zu gewinnen, weil der Bericht in jener Sitzung nur selektiv verlesen wurde und die Verharmlosungen des Klägers aufgrund seiner mangelnden Kooperation erst in der Gemeinderatssitzung vom 10. 10. 2012 falsifiziert werden konnten. Dass den Gemeinderatsmitgliedern bereits nach den Fraktionssitzungen von zwei politischen Parteien am 18. und 24. 9. 2012 die Faktenlage ausreichend klar gewesen sein musste, entspricht nicht dem festgestellten Sachverhalt, wäre aber auch nicht maßgeblich, weil die Kenntnis jenes Organs einer juristischen Person maßgeblich ist, das die Entlassung zu beschließen hat; die Kenntnis bloß einzelner Mitglieder des Organs genügt nicht (s RIS‑Justiz RS0021588; RS0114477; 8 ObA 220/99g).

4.  Dass dem Kläger in der Folge Gelegenheit zur Stellungnahme und Besprechung der weiteren Vorgehensweise gegeben wurde, ist für die Rechtzeitigkeit der Entlassung unschädlich (vgl RIS‑Justiz RS0029381; RS0029386). Dasselbe gilt hier für die Einholung einer Rechtsauskunft (RIS‑Justiz RS0104546). Berücksichtigt man überdies, dass die Einberufung der weiteren Gemeinderatssitzung fristenbedingt (§ 45 Abs 3 NÖ GO 1973) einer Vorlaufzeit unterlag, so ist die Beurteilung der Vorinstanzen, dass im Verhalten der Beklagten kein Verzicht auf die Geltendmachung des Entlassungsgrundes zu erblicken ist (vgl RIS‑Justiz RS0029267) und die Entlassung nicht verfristet erfolgte, vertretbar und bedarf keiner höchstgerichtlichen Korrektur.

Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision des Klägers zurückzuweisen.

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