OGH 9ObA71/15d

OGH9ObA71/15d24.6.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Ziegelbauer, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Dehn sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Gerald Fuchs und Wolfgang Cadilek in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei W***** S*****, vertreten durch Mag. Martin Divitschek, Mag. Wolfgang Sieder ua, Rechtsanwälte in Deutschlandsberg, gegen die beklagte Partei Land *****, vertreten durch Mag. Bernd Wurnig, Rechtsanwalt in Graz, wegen Feststellung des aufrechten Dienstverhältnisses, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 28. April 2015, GZ 7 Ra 89/14h‑53, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:009OBA00071.15D.0624.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der klagenden

Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Die Beurteilung, ob im Einzelfall ein Kündigungs‑ oder Entlassungsgrund verwirklicht wurde, kann immer nur aufgrund der Umstände des Einzelfalls beurteilt werden; sie stellt daher in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO dar (RIS‑Justiz RS0106298 [T13 ua]). Dies gilt auch für das Vorliegen eines Kündigungsgrundes iSd § 130 Abs 2 Z 1 und Z 6 Stmk L‑DBR (gröbliche Verletzung der Dienstpflicht bzw dem Ansehen oder den Interessen des Dienstes abträgliches Verhalten). Der Kündigungsgrund des § 130 Abs 2 Z 1 Stmk L‑DBR entspricht dabei jenem des § 32 Abs 2 Z 1 VBG 1948, sodass auch die dazu ergangene Lehre und Rechtsprechung angewendet werden kann (vgl 9 ObA 53/08x zu § 116 Abs 2 Z 1 Sbg Gem‑VBG). Hervorzuheben ist davon, dass an Bedienstete in leitender Stellung im Allgemeinen strengere Anforderungen zu stellen sind. Aber auch in deren Fall muss das ihnen vorgeworfene Fehlverhalten, um die Dienstgeberkündigung zu rechtfertigen, „gröblich“ sein (RIS‑Justiz RS0029652 [T32]). Im Hinblick auf den Kündigungsgrund des § 130 Abs 2 Z 6 Stmk L‑DBR ist das Verhalten des Arbeitnehmers danach zu beurteilen, ob es in seiner Gesamtheit unter Anlegung eines objektiven Maßstabs nach der Verkehrsauffassung mit dem Ansehen und den Interessen des Dienstes unvereinbar war (RIS‑Justiz RS0081891).

2. In ihrer außerordentlichen Revision richtet sich die Klägerin gegen das von den Vorinstanzen bejahte Vorliegen dieser Kündigungsgründe, zeigt darin jedoch keine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung auf:

Die Klägerin war aufgrund eines Sondervertrags mit der Beklagten zunächst als Betriebsdirektorin mit der Leitung des Verwaltungsdienstes eines Landeskrankenhauses betraut. Obwohl sie sich zur Beachtung bestimmter Führungsgrundsätze verpflichtet hatte (Schaffung eines Klimas der Wertschätzung, der Offenheit und des Vertrauens, Förderung von Teamarbeit, konstruktive Konfliktregelung uä), gab es mehrere Beschwerden von Mitarbeitern, die sich mehr Respekt wünschten und bekannt gaben, dass sie ihre Arbeit in einem ständigen Angstzustand verrichten müssten und die Klägerin konstruktiver Kritik gegenüber verschlossen sei. Die Beschwerden betrafen das Führungsverhalten der Klägerin, das auch in näher festgestellten, in Wortwahl und Tonfall geringschätzigen Äußerungen gegenüber zwei Mitarbeiterinnen zum Ausdruck kam.

Im August 2011 wurde die Klägerin in eine andere Betriebsleitung mit der Zielvereinbarung versetzt, für die Beruhigung der damals schwierigen Stimmungslage und Verunsicherung der Mitarbeiter zu sorgen. Im Dezember 2011 ordnete sie den Wechsel von zwei Mitarbeiterinnen in andere Büroräumlichkeiten, das Ausräumen von deren Kasten und die Verwahrung der darin befindlichen Privatsachen durch dritte Personen an, wobei eine Mitarbeiterin im Krankenstand war und sich die andere nur wenig an der Räumung beteiligte. Mit der Betriebsärztin hatte sie Meinungsverschiedenheiten. Der im April 2012 erfolgten Anordnung des Arbeitsinspektorats, ein Konzept zur Evaluierung psychischer Fehlbelastungen zu erstellen, kam die Klägerin trotz Fristerstreckung nicht termingerecht nach, was in einer Sitzung am 13. 6. 2012, in der auch die Abberufung der Betriebsärztin auf der Tagesordnung stand, zu einem Eklat, dem Abbruch der Sitzung und letztlich auch zu einem gegen die Beklagte gerichteten Strafantrag des Arbeitsinspektorats führte.

Bei all dem hatte sich die Klägerin in einem schwierigen Umfeld zu bewegen, weil es im Verwaltungsbereich vom Landesrechnungshof aufgezeigte Probleme der Vergangenheit zu bewältigen galt und im November/Dezember 2011 eine weitere Überprüfung begann, sie auch unpopuläre Maßnahmen zu ergreifen hatte und von April bis Juni 2012 psychisch „angeschlagen“ war. Selbst unter Berücksichtigung dieser Umstände ist es aber vertretbar, wenn die Vorinstanzen bei einer Gesamtbetrachtung zum Ergebnis kamen, dass die Klägerin ihren Dienstpflichten als Führungskraft in gröblicher Weise nicht nachgekommen war und ihr Verhalten in seiner Gesamtheit den Interessen des Dienstes abträglich war. Dabei ist insbesondere von Bedeutung, dass sie durch ihren Führungs‑ und Kommunikationsstil den an sie gestellten Anspruch der Schaffung eines wertschätzenden und vertrauensvollen Klimas in beiden Betrieben klar verfehlt hatte. Nach den Umständen des Falls bedarf die Beurteilung der Vorinstanzen daher keiner Korrektur.

3. Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision der Klägerin zurückzuweisen.

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