OGH 5Ob74/15s

OGH5Ob74/15s19.6.2015

Der Oberste Gerichtshof als Revisionsgericht hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden sowie den Hofrat Dr. Höllwerth, die Hofrätin Dr. Grohmann, die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Gemeinde P*****, 2. Röm.‑Kath. Pfarrkirche P*****, 3. Österreichischer Alpenverein, *****, alle vertreten durch Scherbaum Seebacher Rechtsanwälte GmbH in Graz, gegen die ‑ nunmehr ‑ beklagten Parteien 1. E***** S*****, 2. G***** S*****, beide *****, vertreten durch Dr. Manfred Rath und andere, Rechtsanwälte in Graz, wegen Feststellung und Einverleibung von Servituten, Leistung und Unterlassung (Streitwert 139.600 EUR), über die außerordentliche Revision der beklagten Parteien gegen das Teilurteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 10. Februar 2015, GZ 3 R 195/14t‑34, mit dem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 24. September 2014, GZ 41 Cg 97/13y‑29, in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 20. Oktober 2014, GZ 41 Cg 97/13y‑30, teilweise bestätigt wurde, den

Beschluss

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0050OB00074.15S.0619.000

 

Spruch:

2.) Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

I. Mit rechtskräftigem Beschluss des Verlassenschaftsgerichts vom 29. 1. 2015 ist die ursprünglich beklagte Verlassenschaft den Erben und nunmehrigen Revisionswerbern eingeantwortet worden. Die Bezeichnung der beklagten Partei ist damit auf die Erben richtigzustellen (RIS‑Justiz RS0039666 [T5; T14]).

II. Mit seinem Teilurteil bestätigte das Berufungsgericht die Entscheidung des Erstgerichts, soweit darin die Dienstbarkeit des Gehens zugunsten der Erst- und Drittbeklagten bzw des Gehens und Fahrens mit Fahrzeugen aller Art zugunsten der Zweitbeklagten über im Einzelnen genannte Grundstücke der Beklagten festgestellt und dem Begehren auf Zustimmung in die Einverleibung der Dienstbarkeiten in diesem Umfang sowie den damit im Zusammenhang stehenden Unterlassungs‑ und Beseitigungsansprüchen der Kläger stattgegeben wurde. Seit Ende des 19. Jahrhunderts hätten Gemeindeangehörige, Touristen und Gläubige die auf den Grundstücken der Beklagten gelegenen Wege ungehindert genutzt, um auf den Gipfel zu gelangen bzw die Messkapelle zu erreichen und den Kreuzweg zu begehen. Zur Messkapelle sei auch mit Fahrzeugen aller Art zumindest bis Ende 2013 ungehindert zugefahren worden. Die Wanderwege seien bereits vor 1956 vorhanden gewesen, markiert und laufend von der Drittklägerin kontrolliert worden.

1. Mit der von den Beklagten unter dem Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens vorgetragenen Rüge hat sich bereits das Berufungsgericht ausführlich auseinandergesetzt. Es gelangte dabei zum Ergebnis, dass die Ablehnung des von den Beklagten beantragten Lokalaugenscheins durch das Erstgericht keinen Verfahrensmangel begründe. Bereits vom Berufungsgericht verneinte Verfahrensmängel können nach der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs in der Revision nicht neuerlich geltend gemacht werden (RIS‑Justiz RS0042963).

2. Die Beklagten stellen die Ersitzung der Dienstbarkeit des Gehens über die in ihrem Eigentum stehenden Grundstücke zugunsten der Kläger im Revisionsverfahren ebenso nicht mehr in Frage, wie deren Aktivlegitimation. Sie meinen aber, es sei zu einer Freiheitsersitzung gekommen, weil sie ab Ende der 1980er/Anfang der 1990er‑Jahre an den Grundstücksgrenzen, wo die von Wanderern und Gläubigen benützten Wege ihre Liegenschaft erreichten und der Einstieg in den Kreuzweg erfolge, Tafeln, die auf die Zulassung einer ausschließlich prekaristischen Nutzung hinweisen würden, aufgestellt und durch Einzäunung einer Wiese zur Nutzung als Weidefläche bewirkt hätten, dass der Verlauf des Wegs unmittelbar unterhalb des Gipfels verändert worden sei.

3. Die sogenannte Freiheitsersitzung, auf die sich die Beklagten berufen, ist nach einhelliger Lehre und Rechtsprechung ein Verjährungsfall (M. Bydlinski in Rummel, ABGB3 § 1488 Rz 1; Dehn in KBB4 § 1488 Rz 1; Klang in Klang VI² 631; Mader/Janisch in Schwimann, ABGB3 § 1488 Rz 1; RIS‑Justiz RS0034333; vgl auch RS0108084). Voraussetzung für deren Eintritt ist, dass sich der Verpflichtete fortwährend der Ausübung der Dienstbarkeit widersetzt und der Berechtigte deshalb deren Ausübung drei Jahre lang, ohne richterliche Hilfe in Anspruch zu nehmen, tatsächlich unterlassen hat. Dazu ist es erforderlich, dass der Belastete ein Hindernis errichtet, das die Ausübung des Rechts für den Berechtigten wahrnehmbar unmöglich macht oder beeinträchtigt (RIS‑Justiz RS0037141). Ein letztlich erfolglos gebliebenes Widerstreben des Verpflichteten führt nicht zum Rechtsverlust (RIS‑Justiz RS0034271 [T4; T6]; RS0034241 [T3]). Ob ein solches Widersetzen des Berechtigten vorliegt, ist regelmäßig nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen (RIS-Justiz RS0034241 [T6]).

4. Verbote werden als ausreichende Widersetzlichkeit anerkannt, wenn sich der Servitutsberechtigte daran hält (RIS‑Justiz RS0034388; vgl auch RS0034250). Ein Verbot haben die Beklagten bzw deren Rechtsvorgänger aber nicht zum Ausdruck gebracht, wenn sie auf ihren Hinweistafeln verwiesen, dass lediglich eine prekaristische Nutzung vorliege. Das muss hier schon deshalb ohne Rechtsfolgen bleiben, weil die Ersitzung bereits abgeschlossen war und die Wanderwege ungeachtet der Hinweisschilder bis zumindest November 2010 ungehindert benützt worden sind. Weder kann daraus abgeleitet werden, die Nutzer hätten sich einem „Verbot“ einer anderen als bloß prekaristischen Begehung gefügt, noch liegt darin eine Unterwerfung unter die durch die Hinweisschilder zum Ausdruck gebrachten Rechtsansicht im Sinne eines Verzichts auf ersessene Rechte. Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass das Aufstellen von solchen Hinweistafeln die ungehinderte Benützung der Wanderwege nicht beeinträchtigte und daher keine Freiheitsersitzung zu begründen vermochte, ist damit nicht korrekturbedürftig.

5. Mit der wegen der Einzäunung einer Wiese erfolgten Verlegung des Wanderwegs war nach den Feststellungen kein besonderer Umweg verbunden. Dadurch wurde der Zugang zum Gipfel weder nennenswert erschwert noch gefährdet. Dessen ungeachtet vertreten die Revisionswerber den Standpunkt, mit der Verlegung sei die Identität des alten Wegs mit dem verlegten Weg verloren gegangen, wobei hinsichtlich des letzteren in Ermangelung des Zeitablaufs noch keine Ersitzung stattfinden habe können. Dabei übersehen die Beklagten, worauf bereits das Berufungsgericht zutreffend hingewiesen hat, dass sich der Wegeberechtigte eine Verlegung des Servitutswegs gefallen lassen muss, wenn sie nicht dem Zweck der Dienstbarkeit zuwider läuft (RIS‑Justiz RS0011753). Nimmt der Servitutsbelastete eine solche Verlegung vor, tritt weder eine Unterbrechung der Ersitzung noch ein Erlöschen der Dienstbarkeit ein (RIS‑Justiz RS0011695 [T1]). Die Ansicht der Vorinstanzen, dass die Servitut ungeachtet der teilweisen Verlegung des Wegs aufrecht ist, begründet damit keine im Einzelfall (vgl RIS‑Justiz RS0011695 [T9]) aufzugreifende Fehlbeurteilung.

6. Es trifft zu, dass die Errichtung eines weiteren Wegs auf einer bereits mit einem Fahrrecht an einem bestehenden Weg belasteten Liegenschaft für sich alleine nicht automatisch zur Ausdehnung dieser Dienstbarkeit auf den neu errichteten Weg führt. Anders verhält es sich allerdings, wenn der Eigentümer der mit der Dienstbarkeit belasteten Liegenschaft von der bereits erörterten Möglichkeit einer Verlegung des Wegs Gebrauch macht, durch die die Dienstbarkeit in der Folge nur noch am neuen Wegverlauf besteht. Dazu haben die Beklagten im Verfahren erster Instanz unbestritten (§ 267 Abs 1 ZPO) vorgebracht, dass der ursprünglich mit dem Geh‑ und Fahrrecht belastete Hohlweg nach Errichtung des Interessentenwegs durch Schranken abgesperrt worden ist. Damit ist das Berufungsgericht aber vertretbar zum Ergebnis gelangt, dass auch hier eine Verlegung des Servitutswegs vorlag, die das Recht nicht zum Erlöschen brachte. Dass der alte Hohlweg bis heute unverändert bestehen mag, wie die Beklagten in ihrem Rechtsmittel geltend machen, vermag bei dieser Sachlage nichts zu ändern, zumal damit noch nicht dargetan ist, dass er dem Servitutszweck vollkommen gerecht werden könnte, mag er ursprünglich auch seltener und mit Fuhrwerken und später ‑ entsprechend der fortschreitenden technischen Entwicklung zulässigerweise ‑ häufiger und mit Kraftfahrzeugen befahren worden sein.

7. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht.

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