OGH 1Ob102/15d

OGH1Ob102/15d18.6.2015

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski, Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätin Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Gerhard W*****, vertreten durch Dr. Herbert Pochieser, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Republik Österreich (Bund), vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wegen 5.381,62 EUR sA und Feststellung, über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 30. März 2015, GZ 14 R 174/14g‑31, womit die Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 27. Mai 2014, GZ 31 Cg 34/13t‑15, zurückgewiesen wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0010OB00102.15D.0618.000

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 465,96 EUR bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Begründung

Nachdem das Urteil des Erstgerichts seinem Rechtsvertreter am 4. 6. 2014 zugestellt worden war, beantragte der Kläger am 1. 7. 2014 die Bewilligung der Verfahrenshilfe „im vollen Umfang“ zur Erhebung einer Berufung. Der Beschluss des Erstgerichts vom 8. 7. 2014, mit dem der Verfahrenshilfeantrag zurückgewiesen wurde, weil diesem die Rechtskraft eines früheren Beschlusses über die Abweisung seines Verfahrenshilfeantrags entgegenstehe und er kein neues Vorbringen zur Erfolgsaussicht der weiteren Verfahrensführung erstattet habe, wurde dem Kläger am 9. 7. 2014 zugestellt. Dieser Beschluss erwuchs mangels Anfechtung am 24. 7. 2014 in Rechtskraft (vgl § 521 Abs 1 iVm § 222 Abs 2 Z 7 ZPO).

Den weiteren, von seinem Rechtsvertreter eingebrachten Antrag des Klägers vom 23. 7. 2014 auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Erhebung einer Berufung gegen das Urteil wies das Erstgericht mit Beschluss vom 8. 8. 2014 zurück. Der zweitinstanzliche Beschluss, mit dem seinem dagegen erhobenen Rekurs nicht Folge gegeben wurde, wurde dem Kläger am 16. 10. 2014 zugestellt.

Das Berufungsgericht wies die Berufung des Klägers, die er am 13. 11. 2014 durch seinen Rechtsvertreter einbrachte, als verspätet zurück. Rechtlich führte es aus, die Fristunterbrechung nach § 464 Abs 3 ZPO trete bei einem unzulässigen Verfahrenshilfeantrag nicht ein. Der Verfahrenshilfeantrag vom 1. 7. 2014 sei rechtskräftig „als unzulässig“ zurückgewiesen worden und daher nicht geeignet, die Berufungsfrist zu unterbrechen. Der weitere Verfahrenshilfeantrag vom 23. 7. 2014 sei bereits nach Ablauf der Berufungsfrist gestellt worden und führe damit nicht zur Unterbrechung der Berufungsfrist. Überdies sei der neuerliche Antrag auch zurückgewiesen worden.

Gegen die Zurückweisung der Berufung richtet sich der von der Beklagten beantwortete Rekurs des Klägers.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

1. Gegen einen Beschluss, mit dem das Berufungsgericht eine Berufung zurückweist, ist der Rekurs gemäß § 519 Abs 1 Z 1 ZPO ohne Rücksicht auf den Streitwert und ungeachtet des Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage zulässig (RIS‑Justiz RS0043861 [T1]; RS0043882 [T1]; RS0043886 [T1, T4]; RS0043893 [T4, T7]; RS0098745 [T3, T7, T16, T17]). Das Rekursverfahren vor dem Obersten Gerichtshof ist seit der ZVN 2009 zweiseitig (RIS‑Justiz RS0098745 [T21]; RS0125481 [T5, T7]; RS0128487 [T1]).

2. Die Durchführung einer Rekursverhandlung vor dem Obersten Gerichtshof kommt nach § 526 Abs 1 Satz 1 ZPO nicht in Betracht (so schon 2 Ob 77/07y).

3. Eine Aktenwidrigkeit liegt nur dann vor, wenn Feststellungen auf einer aktenwidrigen Grundlage beruhen, wenn also der Inhalt einer Urkunde, eines Protokolls oder eines sonstigen Aktenstücks unrichtig wiedergegeben und infolgedessen ein fehlerhaftes Sachverhaltsbild der rechtlichen Beurteilung unterzogen wurde (RIS‑Justiz RS0043298 [T1]; vgl RS0043324 [T8]). Mit der vom Kläger angestellten Überlegung, sein am 23. 7. 2014 gestellter Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe könne sich nur auf die Erhebung eines Rekurses gegen den erstinstanzlichen Beschluss vom 8. 7. 2014 beziehen, zeigt er keine Aktenwidrigkeit auf. Im von seinem Rechtsvertreter eingebrachten Verfahrenshilfeantrag führte er ausdrücklich an, er beabsichtige gegen das Urteil des Erstgerichts Berufung zu erheben. Dass er die Gewährung der Verfahrenshilfe zur Einbringung eines Rekurses gegen die Zurückweisung des Verfahrenshilfeantrags vom 1. 7. 2014 anstrebte, ist dem weiteren Verfahrenshilfeantrag nicht zu entnehmen.

4. Gemäß § 464 Abs 3 ZPO unterbricht ein innerhalb der Berufungsfrist gestellter, die Beigebung eines Rechtsanwalts einschließender Verfahrenshilfeantrag diese Frist; sie beginnt mit dem Eintritt der Rechtskraft des abweisenden Beschlusses neuerlich zu laufen. Selbst wenn ‑ wovon der Kläger unter Bezugnahme auf ein nach der Abweisung des ersten Verfahrenshilfeantrags erstattetes ergänzendes Vorbringen ausgeht ‑ der Verfahrenshilfeantrag vom 1. 7. 2014 meritorisch zu behandeln gewesen und daher ab- statt zurückgewiesen worden wäre, wäre auch in diesem Fall die vierwöchige Berufungsfrist bei Erhebung der Berufung am 13. 11. 2014 bereits abgelaufen gewesen. Abgesehen davon, dass der Kläger den weiteren Verfahrenshilfeantrag vom 23. 7. 2014 nach Ablauf der Berufungsfrist stellte, könnte diesem selbst bei vorangegangener meritorischer Entscheidung über den früheren Verfahrenshilfeantrag keine Unterbrechungswirkung zukommen. Wird nach einem erfolglosen Antrag auf Beigebung eines Rechtsanwalts sofort wieder ein neuer (verbesserungsbedürftiger) Antrag gestellt, ohne den Eintritt geänderter Verhältnisse auch nur andeutungsweise darzutun, ist diesem die Unterbrechungswirkung abzusprechen, weil die Partei ansonsten in missbräuchlicher Art und Weise die theoretisch unbegrenzte Erstreckung einer Frist bewirken könnte (RIS‑Justiz RS0122115; vgl § 464 Abs 3 iVm § 73 Abs 3 ZPO). Im weiteren Verfahrenshilfeantrag zeigte der Kläger überhaupt keine Änderung der für die Verfahrenshilfegewährung entscheidenden Umstände auf, sodass dieser ‑ vom Rekursgericht bestätigt ‑ rechtskräftig zurückgewiesen wurde. Damit konnte auch dieser prozessual unzulässige Antrag keinen Einfluss auf den Fristenlauf haben.

5. Dem Rekurs ist daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

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