OGH 12Os42/15s

OGH12Os42/15s11.6.2015

Der Oberste Gerichtshof hat am 11. Juni 2015 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé, Dr. Oshidari, Dr. Michel-Kwapinski und Dr. Brenner in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Kampitsch als Schriftführer in der Strafsache gegen Josef G***** wegen des Verbrechens des sexuellen Missbrauchs einer wehrlosen oder psychisch beeinträchtigten Person nach § 205 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 3. Februar 2015, GZ 38 Hv 137/14k‑16, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0120OS00042.15S.0611.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Josef G***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Josef G***** zweier Verbrechen des sexuellen Missbrauchs einer wehrlosen oder psychisch beeinträchtigten Person nach § 205 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er nachts zum 31. Mai 2014 in E***** wehrlose Personen, nämlich die aufgrund erheblicher Alkoholisierung schlafenden Michelle Z***** und Karolina R***** unter Ausnützung dieses Zustands missbraucht, indem er an ihnen jeweils den vaginalen Beischlaf vornahm.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus Z 4 und 5 des § 281 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten verfehlt ihr Ziel.

Der Erledigung der Verfahrensrüge (Z 4) ist voranzustellen, dass bei Prüfung der Berechtigung eines Antrags stets von der Verfahrenslage im Zeitpunkt der Stellung des Antrags und den bei seiner Stellung vorgebrachten Gründen auszugehen ist. Ergänzendes Vorbringen im Rechtsmittel hat daher ‑ als unzulässige Neuerung ‑ außer Betracht zu bleiben (RIS-Justiz RS0099618). Gleiches gilt für die Kritik an der Begründung der abweisenden Beschlüsse (RIS-Justiz RS0116749).

Durch die Abweisung einer Reihe von Beweisanträgen wurden Verteidigungsrechte des Angeklagten nicht verkürzt.

Der Antrag auf „Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Beweis, dass die beiden Mädchen Michelle Z***** und Karolina R***** bei einem Alkoholkonsum von jeweils einer Flasche Wodka oder Tequila im Zeitraum von 18:00 Uhr bis 21:00 Uhr eine Alkoholbeeinträchtigung erlitten hätten, wodurch sie in ein Koma gefallen wären, samt erforderlichen klinischen Aufenthaltes und die geschilderten Handlungen im Zeitraum 21:00 Uhr bis 01:00 Uhr nicht möglich gewesen wären“, ließ vor dem Hintergrund diffuser Beweisergebnisse zur Trinkmenge, dem Ausmaß der Alkoholresorption (vgl US 9; ON 15 S 14 f) sowie der bestehenden Alkoholgewöhnung ‑ und mangels jeglichen Vorbringens zu den beiden letzterwähnten Parametern ‑ nicht erkennen, weshalb zu erwarten gewesen wäre, dass ein Sachverständigengutachten zum behaupteten Ergebnis gekommen wäre (vgl RIS-Justiz RS0118444).

Im Übrigen ließ das Beweisbegehren, was die Trinkmenge anbelangt, auch die nötige Klarheit vermissen: Denn nach dem ungerügt gebliebenen Protokollsinhalt gab der Antragsteller im Widerspruch zu seinem ursprünglichen Vorbringen („jeweils eine“ Flasche Wodka oder Tequila) auf Nachfragen des Vorsitzenden an, dass die Mädchen „jedenfalls eine“ nicht mehr als halb volle Flasche „Alkohol, Tequila oder Wodka“ getrunken hätten (ON 15 S 14 f).

Die weiteren Anträge auf Einholung

- eines psychiatrischen Gutachtens zum Beweis dafür, dass „auf Grundlage der Schilderungen der beiden Zeuginnen die Vorkommnisse im Zimmer des Beschuldigten eine tiefgreifende Bewusstseinsstörung oder Wehrlosigkeit ausschließen“, und

- eines medizinischen Gutachtens zum Beweis dafür, dass „bei einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung oder Wehrlosigkeit samt körperlicher Einschränkung nach Vollzug eines Geschlechtsaktes jedenfalls zu Verletzungen im Intimbereich geführt hätten“ (ON 15 S 15 f), zielten ebenfalls auf bloße Erkundungsbeweisführung ab (vgl RIS-Justiz RS0118123). Zu einer Bekanntgabe, weshalb die beantragten Sachverständigen zu den behaupteten Schlussfolgerungen gelangen hätten können, wäre der Antragsteller aber umso mehr verpflichtet gewesen, als nach dem Rechtsmittelvorbringen insoweit bloße Aktengutachten begehrt worden wären.

Der Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) zuwider mussten sich die Tatrichter mit Angaben der Zeugin Karolina R*****, wonach sie „nichts gesagt hätte“, wenn der Altersunterschied zum Angeklagten bloß zwei Jahre (und nicht mehr als zehn) betragen hätte, schon deshalb nicht auseinandersetzen, weil Gegenstand des Zeugenbeweises nur sinnliche Wahrnehmungen, nicht aber (hier: hypothetische) Schlussfolgerungen sind (vgl RIS-Justiz RS0097545 [T1]).

Unterschiedliche Depositionen der genannten Zeugin betreffend unwesentliche Details des Tatgeschehens (dazu, ob sie nach den Missbrauchshandlungen geweint, geschrien oder nichts gesagt habe) bedurften ebenfalls keiner Erörterung in den ‑ gedrängt abzufassenden (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) ‑ Entscheidungsgründen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Erledigung der Berufung folgt (§ 285i StPO).

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Stichworte