OGH 13Os137/14t

OGH13Os137/14t10.6.2015

Der Oberste Gerichtshof hat am 10. Juni 2015 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, Mag. Michel, Dr. Oberressl und Dr. Brenner in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Kampitsch als Schriftführer in der Strafsache gegen Erwin K***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Schöffengericht vom 19. September 2014, GZ 17 Hv 82/14f‑21, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0130OS00137.14T.0610.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Erwin K***** des Vergehens der sexuellen Belästigung nach § 218 Abs 1 Z 1 StGB (1/) und des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB (2/) schuldig erkannt.

Danach hat er in H***** Helene M*****

1/ im Sommer 2011 durch eine geschlechtliche Handlung an ihr belästigt, indem er ihre nackte Brust betastete und mit der Hand ihren äußeren Scheidenbereich streichelte;

2/ im Frühjahr 2012 mit Gewalt zur Duldung einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung genötigt, indem er sie fest am Handgelenk packte, sodass sie sich nicht losreißen konnte, ihre Brüste auf der nackten Haut betastete, mit seinen Fingern ihre Vagina berührte und versuchte, mit einem Finger in ihre Vagina einzudringen.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4, 5 und 5a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der keine Berechtigung zukommt.

Die aus § 281 Abs 1 Z 4 StPO erhobene Beschwerdekritik am Unterbleiben der vom Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft beantragten Vernehmung des Polizeibeamten RI Wilhelm V***** versagt schon mangels eines in der Hauptverhandlung gestellten Antrags des Beschwerdeführers (RIS‑Justiz RS0099244; Ratz , WK‑StPO § 281 Rz 306), hat sich dessen Verteidiger doch nach dem unbeanstandet gebliebenen Protokoll über die Hauptverhandlung dem Antrag der Anklagebehörde nicht angeschlossen, sondern vielmehr keine Erklärung dazu abgegeben (ON 20 S 8).

Der Einwand von Aktenwidrigkeit (Z 5 letzter Fall), weil die Entscheidungsgründe nach Auffassung des Beschwerdeführers zu Unrecht von „gleichlautenden“ Aussagen (US 4) der Zeugin Helene M***** sprechen, versagt:

Dem Beschwerdevorbringen zuwider hat die genannte Zeugin schon bei ihrer ersten Einvernahme vor der Polizei am 8. November 2013 ausdrücklich angegeben, der Angeklagte habe sie beim Vorfall im Sommer 2011 äußerlich an der Scheide berührt (ON 2 S 46 letzter Absatz), und dies bei ihrer kontradiktorischen Einvernahme wiederholt (ON 12 S 8). Bloß der Umstand, dass sie bei ihrer zweiten, ausdrücklich der Konkretisierung ihrer ersten Aussage dienenden Einvernahme vor der Polizei am 3. Dezember 2013 die Schilderung nicht vollständig wiederholte (ON 2 S 39 f), stellt keinen erheblichen Unterschied dar.

Auch die Beschwerdebehauptung, Helene M***** habe in der kontradiktorischen Vernehmung ‑ in der sie erstmals angab, vom Angeklagten beim zweiten Vorfall im März bzw April 2012 am Handgelenk festgehalten worden zu sein (ON 12 S 8) ‑ in erheblicher Abweichung von ihren polizeilichen Vernehmungen ausgesagt, mit dem Fuß gegen den Angeklagten getreten, diesen jedoch nicht getroffen zu haben, findet keine Deckung im Akt. Vielmehr gab die Zeugin an, sie habe versucht, ihn mit der Faust zu treffen, was ihr nicht gelungen sei (ON 12 S 9 zweiter Absatz).

Darüber hinaus wendet sich der Beschwerdeführer mit eigenen Erwägungen über die Unmöglichkeit der von der Zeugin geschilderten zeitlichen Abfolge des zweiten Vorfalls, über einen ‑ vom Erstgericht verneinten (US 4) ‑ Zusammenhang des Verlusts seines Wohnrechts mit den Aussagen der Zeugin M***** und ein daraus ableitbares „verleumderisches Vorgehen“ der Genannten sowie die von den Tatrichtern ohnedies berücksichtigte Schilderung lediglich eines Übergriffs durch Heinz K***** bei der Polizei (US 4) bloß nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht zulässigen Schuldberufung gegen die tatrichterliche Beweiswürdigung, ohne einen Begründungsmangel gemäß § 281 Abs 1 Z 5 StPO aufzuzeigen oder erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen iSd § 281 Abs 1 Z 5a StPO zu wecken.

Mit Blick auf § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO bleibt anzumerken, dass das Erstgericht zu 2/ verfehlt den ‑ zufolge nunmehriger Strafuntergrenze von einem Jahr gegenüber der im Tatzeitraum „Frühjahr 2012“ (US 3) geltenden Fassung ‑ ungünstigeren § 201 Abs 1 StGB idF BGBl I 2013/116 angewendet hat. Zu amtswegiger Wahrnehmung der darin gelegenen Nichtigkeit (§ 281 Abs 1 Z 10 StPO; vgl Ratz , WK‑StPO § 281 Rz 653, § 288 Rz 36) besteht jedoch ‑ worauf bereits die Generalprokuratur zutreffend hinwies ‑ kein Anlass, weil eine unrichtige Subsumtion den Angeklagten nicht ohne Weiteres iSd § 290 StPO benachteiligt ( Ratz , WK‑StPO § 290 Rz 22 ff) und das Oberlandesgericht die verfehlte rechtliche Unterstellung bei der Entscheidung über die vom Angeklagten gegen den Sanktionsausspruch erhobene Berufung zu berücksichtigen hat (RIS‑Justiz RS0118870 [insbes T8, T9]; jüngst 15 Os 131/14z).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Stichworte