OGH 7Ob85/15y

OGH7Ob85/15y10.6.2015

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Höllwerth, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich und Dr. Singer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei W***** V*****, vertreten durch Neumayer, Walter & Haslinger Rechtsanwälte‑Partnerschaft in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. A***** Z***** AG, *****, vertreten durch Jank Weiler Operenyi Rechtsanwälte OG in Wien, 2. I***** AG und 3. I***** GmbH, beide *****, vertreten durch Dorda Brugger Jordis Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 7.523,16 EUR sA, über den Rekurs der erstbeklagten Partei gegen den Beschluss des Handelsgerichts Wien als Berufungsgericht vom 19. Februar 2015, GZ 1 R 6/15a‑49, womit das Urteil des Bezirksgerichts für Handelssachen Wien vom 29. September 2014, GZ 13 C 134/10s‑45, hinsichtlich der erstbeklagten Partei aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0070OB00085.15Y.0610.000

 

Spruch:

Der Rekurs wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei hat die Kosten ihrer Rekursbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Begründung

Der Kläger begehrte von den Beklagten die Zahlung von 7.523,16 EUR sA Zug um Zug gegen Rückstellung der Wertpapiere und stellte hilfsweise mehrere (das Hauptbegehren nicht übersteigende) Zahlungs‑ und Feststellungsbegehren, jeweils gestützt auf Schadenersatz. Er und seine Ehegattin hätten am 11. 11. 2005 6.000 EUR an I*****‑ und I*****‑Aktien und am 24. 5. 2007 weitere 2.000 EUR an I*****‑Aktien gekauft. An Dividendenausschüttungen hätten sie bislang 476,84 EUR erhalten. Sie seien vom Vermögensberater fehlerhaft beraten worden. Dafür hafte die Erstbeklagte. Die Zweit‑ und Drittbeklagte hätten für fehlerhafte Informationen und Prospekte einzustehen. Die Ehegattin des Klägers habe ihre Ansprüche an ihn abgetreten.

Das Erstgericht wies Haupt‑ und Eventualbegehren ‑ hinsichtlich der Zweit- und Drittbeklagten rechtskräftig ‑ ab.

Das Berufungsgericht hob hinsichtlich der Erstbeklagten das erstinstanzliche Urteil auf und trug dem Erstgericht in diesem Umfang die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Es sprach ferner aus, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei.

Der dagegen von der Erstbeklagten erhobene Rekurs ist absolut unzulässig.

Rechtliche Beurteilung

1. Nach § 519 Abs 2 ZPO darf das Berufungsgericht den Rekurs gegen einen Aufhebungsbeschluss nur dann zulassen, wenn es die Voraussetzungen für gegeben erachtet, unter denen nach § 502 ZPO die Revision zulässig ist. Damit ist auch die absolute Revisionsbeschränkung des § 502 Abs 2 ZPO anzuwenden. Aus diesem Grund ist der Ausspruch des Gerichts zweiter Instanz über die Zulässigkeit des Rekurses nach ständiger Rechtsprechung wirkungslos, wenn der Entscheidungsgegenstand 5.000 EUR nicht übersteigt (RIS‑Justiz RS0043025).

2. Der Kläger macht seine eigenen und die ihm von seiner Ehegattin abgetretenen Schadenersatzansprüche gegen die Erstbeklagte infolge Fehlberatung geltend.

3.1. Durch eine Zession ändert sich der Schuldinhalt nicht (§ 1394 ABGB). Auch für Belange des Prozesses tritt dadurch keine Änderung ein. Insbesondere tritt keine Änderung der Beschränkung der Zulässigkeit von Rechtsmitteln ein (3 Ob 2/11g; vgl auch 5 Ob 123/12t). Gleichartige Forderungen verschiedener Gläubiger, die im Einzelnen abgetreten wurden, sind nicht zusammenzurechnen (RIS‑Justiz RS0042882, RS0037905 [T21]).

3.2. Werden in einer Klage mehrere Forderungen geltend gemacht, bilden sie nur dann einen einheitlichen Streitgegenstand, wenn die Voraussetzungen des § 55 Abs 1 JN vorliegen, andernfalls sind sie getrennt zu behandeln (RIS‑Justiz RS0053096). § 55 Abs 1 JN ist als Ausnahme vom Grundsatz der Nichtzusammenrechnung anzusehen, sodass eine Zusammenrechnung im Zweifel ausscheidet (RIS‑Justiz RS0122950). Für die Beurteilung des Vorliegens der Voraussetzungen dieser Bestimmung ist von den Angaben in der Klage auszugehen (RIS‑Justiz RS0106759).

3.3. Gemäß § 55 Abs 1 Z 2 JN sind mehrere in einer Klage geltend gemachte Ansprüche zusammenzurechnen, wenn sie ‑ unter anderem ‑ von mehreren Personen erhoben werden, die Streitgenossen gemäß § 11 Z 1 ZPO sind. Diese Zusammenrechnung ist auch für die Zulässigkeit von Rechtsmitteln maßgeblich (§ 55 Abs 4 JN). Materielle Streitgenossen nach § 11 Z 1 ZPO sind Parteien, wenn sie in Ansehung des Streitgegenstands in Rechtsgemeinschaft stehen oder aus demselben tatsächlichen Grund oder solidarisch berechtigt oder verpflichtet sind. Eine Berechtigung oder Verpflichtung aus demselben tatsächlichen oder rechtlichen Grund im Sinn des § 11 Z 1 ZPO setzt einen einheitlichen rechtserzeugenden Tatbestand voraus, ohne dass für einen Streitgenossen noch weitere rechtserzeugende Tatsachen für die Ableitung des Anspruchs hinzutreten (RIS‑Justiz RS0035450, RS0035411, RS0035528 [T1]). Liegt nur eine formelle Streitgenossenschaft nach § 11 Z 2 ZPO vor, kommt es selbst dann nicht zu einer Zusammenrechnung, wenn die geltend gemachten Ansprüche in einem rechtlichen oder tatsächlichen Zusammenhang stehen (4 Ob 104/11i = RIS‑Justiz RS0035528 [T9]; 5 Ob 119/11b).

3.4. Der Kläger und seine Ehegattin würden in Ansehung der geltend gemachten Schadenersatzansprüche lediglich formelle Streitgenossen im Sinn des § 11 Z 2 ZPO sein. Grundlage ihrer Ansprüche ist die getrennt zu prüfende Falschberatung beim Erwerb der Wertpapiere (vgl 3 Ob 2/11g). Ihre Ansprüche können ein ganz verschiedenes rechtliches und tatsächliches Schicksal haben. Demnach sind ihre Ansprüche nicht zusammenzurechnen. Der Kläger hat kein Vorbringen dazu erstattet, dass und aus welchem Grund der Streitwert im Sinn der Judikatur 5.000 EUR übersteigt.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 40, 50 ZPO. Der Kläger hat auf die absolute Unzulässigkeit des Rekurses in seiner Rekursbeantwortung nicht hingewiesen.

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