OGH 17Os3/15t

OGH17Os3/15t8.6.2015

Der Oberste Gerichtshof hat am 8. Juni 2015 durch den Präsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Ratz als Vorsitzenden, die Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek und Hon.‑Prof. Dr. Kirchbacher sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oberressl in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Kampitsch als Schriftführer in der Strafsache gegen Lajos O***** wegen des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach §§ 15, 12 zweiter Fall, 302 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Krems an der Donau als Schöffengericht vom 11. Dezember 2014, GZ 38 Hv 60/14k‑16, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0170OS00003.15T.0608.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Lajos O***** des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach §§ 15, 12 zweiter Fall, 302 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er am 12. Mai 2014 in S***** mit dem Vorsatz, dadurch die Republik Österreich „in ihrem konkreten Recht auf Einhaltung der die Zwecke des Strafvollzuges gemäß § 20 StVG sichernden Bestimmungen der §§ 21 Abs 1, 86 Abs 1 und 96a StVG“ (ersichtlich gemeint: an ihrem Recht auf einen den gesetzlichen Zwecken entsprechenden Strafvollzug sowie an der Aufrechterhaltung von Sicherheit und Ordnung in den Anstalten [§ 20 Abs 1 und 2 StVG]) zu schädigen, den Justizwachebeamten der dortigen Justizanstalt Franz M***** zu bestimmen versucht, seine Befugnis, im Namen des Bundes als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, zu missbrauchen, indem er ihn fragte, ob dieser ihm ein Mobiltelefon besorgen könne und wie viel er dafür bezahlen müsse, und dieses Ersuchen trotz Abmahnung durch den Beamten wiederholte.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus § 281 Abs 1 Z 3, 9 lit a und b sowie 10 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde ist nicht im Recht.

Die Verfahrensrüge (Z 3) macht geltend, der Vorsitzende des Schöffengerichts habe bei der Verkündung des Urteils die Tat, deren der Beschwerdeführer schuldig befunden wurde, nicht eigenständig formuliert, sondern stattdessen auf die Anklageschrift verwiesen (vgl ON 15 S 8: „Schuldspruch im Sinne der Anklage“). Das Rechtsmittelgericht hat stets nur aufgrund der Urteilsausfertigung (§ 270 StPO), die hier das Referat der entscheidenden Tatsachen in der gesetzlich vorgeschriebenen Form (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) enthält, zu entscheiden (RIS‑Justiz RS0125533). Eine ‑ aus Z 3 beachtliche - Abweichung des schriftlichen vom verkündeten Urteil zeigt der Beschwerdeführer nicht auf, denn der Anklagetenor (ON 8 S 1), auf den bei der Verkündung hinreichend deutlich verwiesen wurde, entspricht exakt dem Tenor der Urteilsausfertigung ( Ratz , WK‑StPO § 281 Rz 280 und 579; Danek , WK‑StPO § 268 Rz 7).

Die Einwände der Rechtsrüge (Z 9 lit a), Träger von Rechten, deren Schädigung der Täter in seinen Vorsatz aufgenommen hat, könne nicht der Staat sein, und die Ausfolgung eines Mobiltelefons an einen Strafgefangenen falle nicht in die Befugnis eines Justizwachebeamten, könne daher nicht Gegenstand des Missbrauchs sein, erschöpfen sich in nicht methodengerecht aus dem Gesetz abgeleiteten Rechtsbehauptungen. Das daran anknüpfende Vorbringen, „die Überlassung eines Handys“ könne „keine sonst nach irgendwelchen Bestimmungen strafbare Handlung sein“, ist unter dem Aspekt des damit geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes der Z 10 unschlüssig.

Mit Blick auf § 290 StPO wird angemerkt, dass Justizwachebeamte die Einhaltung der Regeln des Strafvollzugs zu überwachen sowie die Abschließung der Strafgefangenen (einschließlich des Verkehrs mit der Außenwelt) und die Ordnung in der Anstalt zu sichern haben. Im Rahmen dieser Aufgaben haben sie etwa dafür zu sorgen, dass Strafgefangene nur ordnungsgemäß überlassene Gegenstände in ihrem Gewahrsam haben und ihnen Gegenstände, bei denen Missbrauchsgefahr besteht, abgenommen werden (vgl §§ 33, 101 Abs 1 und 3, 102 Abs 1, 103 Abs 2 Z 3 StVG). Teil der Abschließung von Strafgefangenen ist auch das Verbot des Verkehrs mit der Außenwelt, der nur in den gesetzlich geregelten (zu Telefongesprächen vgl § 96a StVG) Fällen durchbrochen werden darf (§§ 21 Abs 1 und 86 ff StVG). Die Erfüllung dieser Aufgaben durch Justizwachebeamte erfolgt im Rahmen der Hoheitsverwaltung. Handlungen, die der unmittelbaren Erfüllung dieser Vollziehungsaufgaben dienen (RIS‑Justiz RS0095963), sind Amtsgeschäfte im Sinn des § 302 Abs 1 StGB. Im vorliegenden Zusammenhang sind daher die Nichtabnahme nicht ordnungsgemäß überlassener Gegenstände oder das Überlassen eines Mobiltelefons tatbildlich (RIS‑Justiz RS0096468, 17 Os 26/14y; 14 Os 169/08x; 15 Os 172/94; Kienapfel/Schmoller BT III 2 § 302 Rz 27; Zagler SbgK § 302 Rz 123; aM Bertel in WK 2 StGB § 302 Rz 79 [der allerdings den Begriff des Amtsgeschäfts mit „Hoheitsakt“ gleichsetzt]). Auf das Erreichen der gesetzlich vorgesehenen Zwecke des Strafvollzugs (§ 20 Abs 1 StVG) sowie auf die Aufrechterhaltung von Sicherheit und Ordnung in den Anstalten (§ 20 Abs 2 StVG) hatte der Staat einen unter dem Aspekt des Schädigungsvorsatzes beachtlichen Anspruch (RIS‑Justiz RS0093035, RS0093047).

Das einen Rechtsfehler mangels Feststellungen zur ‑ im Tatzeitpunkt vorliegenden ‑ Wissentlichkeit des Beschwerdeführers in Bezug auf (zumindest) vorsätzlichen Fehlgebrauch der Befugnis des Beamten (vgl RIS‑Justiz RS0108964) reklamierende Vorbringen übergeht die genau in diesem Sinn getroffenen Konstatierungen (US 3; vgl auch US 5 und 7, wo die Überzeugung der Tatrichter von der Erfüllung des subjektiven Tatbestands unmissverständlich in Bezug zur Tathandlung gesetzt wird).

Der Einwand eines Verfolgungshindernisses (Z 9 lit b), weil das Ermittlungsverfahren „bereits durch die Staatsanwaltschaft eingestellt war, einem allenfalls gestellten Fortführungsantrag des Rechtsschutzbeauftragten keine Berechtigung zukommen konnte“, entzieht sich mangels Darlegung, weshalb die Voraussetzungen einer Fortführung nicht vorgelegen seien, einer inhaltlichen Erwiderung. Im Übrigen hat die Staatsanwaltschaft gemäß § 195 Abs 3 erster Satz StPO das Verfahren (nur) dann fortzuführen, wenn sie den Antrag für berechtigt hält. Sie ist daher ‑ gleich wie das Gericht (RIS‑Justiz RS0126210), dessen Entscheidung sie lediglich vorwegnimmt ‑ an das Antragsvorbringen gebunden. Die Einhaltung dieser Voraussetzungen durch die Staatsanwaltschaft ist Gegenstand gerichtlicher Überprüfung, und zwar im Ermittlungsverfahren im Wege des Einspruchs (§ 106 StPO), bei der Urteilsanfechtung unter dem Aspekt eines prozessualen Verfolgungshindernisses (13 Os 142/11y; Ratz , WK‑StPO § 281 Rz 634/1; Nordmeyer , WK‑StPO § 195 Rz 33 und 35). Ein solches liegt hier, wovon sich der Oberste Gerichtshof in amtswegiger Prüfung überzeugte, nicht vor.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen (§ 285i StPO).

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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