OGH 1Ob77/15b

OGH1Ob77/15b21.5.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski, Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätin Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H***** R*****, vertreten durch Dr. Günther Loibner, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei F***** F*****, vertreten durch Dr. Markus Bernhauser, Rechtsanwalt in Wien, wegen Einwilligung in die Einverleibung des Eigentumsrechts, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 23. Dezember 2014, GZ 15 R 234/14p‑32, mit dem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 26. August 2014, GZ 17 Cg 98/13a‑23, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0010OB00077.15B.0521.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Ob im Hinblick auf den Inhalt der Prozessbehauptungen eine bestimmte Tatsache als vorgebracht anzusehen ist, ist eine Frage des Einzelfalls, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung keine erhebliche Bedeutung zukommt (RIS‑Justiz RS0042828). Der Beklagte hat bereits in seiner Klagebeantwortung vorgebracht (und dazu auch Beweise angeboten), dass die Klägerin nach der ersten und vor der zweiten Besprechung ihm gegenüber im Beisein seines Rechtsvertreters ausdrücklich erklärt habe, dass sie nicht auf Zuhaltung des Vertrags klagen werde. Sie werde den Beklagten nicht verklagen, wenn er nicht bereit sei, den Verkauf an die Klägerin vorzunehmen. Diese Erklärung habe er zustimmend und dankend entgegen genommen; die Klägerin habe sohin auf ein allfälliges Recht auf Zuhaltung der Klage verzichtet.

2. Die Auslegung von Willenserklärungen im Einzelfall und Auslegungsfragen betreffend die Erklärungsabsicht im Einzelfall sind vom Obersten Gerichtshof ‑ von groben Auslegungsfehlern und sonstigen krassen Fehlbeurteilungen abgesehen ‑ nicht zu überprüfen (RIS‑Justiz RS0044358 [T31]; vgl auch RS0044298); gleiches gilt für die Beurteilung der Schlüssigkeit eines Erklärungsverhaltens (RIS‑Justiz RS0042936 [T36]).

Eine zur Zulässigkeit der Revision führende Verkennung der Auslegungsgrundsätze, wodurch ein unvertretbares Auslegungsergebnis erzielt wurde (vgl dazu 2 Ob 25/08b) liegt hier nicht vor:

Maßgeblich ist der objektive Erklärungswert einer Willensäußerung (RIS‑Justiz RS0014160), dh es ist nur der erkennbar erklärte Parteiwille entscheidend, zu dessen Verständnis das gesamte Verhalten der Vertragsteile, das sich aus Äußerungen in Wort und Schrift sowie aus sonstigem Tun oder Nichttun zusammensetzen kann, zu berücksichtigen ist, wird doch unter „Parteiabsicht“ nicht irgendein unkontrollierbarer Parteiwille, sondern der redlicherweise zu unterstellende Geschäftszweck verstanden. Es braucht daher nicht der subjektive unerkennbare Parteiwille ergründet zu werden, sondern es ist nach der Vertrauenstheorie (RIS‑Justiz RS0017915 [T27]; Rummel in Rummel, ABGB³ § 863 Rz 2) herauszufinden, wie der andere Teil eine Erklärung verstehen musste (Binder/Kolmasch in Schwimann/Kodek, ABGB4 § 914 Rz 62; RIS‑Justiz RS0017915 [T15]). Dies gilt auch für unentgeltliche Rechtsgeschäfte (Binder/Kolmasch aaO), weswegen von der Klägerin zu einem „animus donandi“ vermisste Feststellungen nicht getroffen werden müssen.

3. Die Ansicht der Klägerin, ihre (vom Beklagten und seinem Rechtsvertreter zustimmend zur Kenntnis genommene Erklärung, sie werde den Beklagten nicht klageweise in Anspruch nehmen, sollte dieser [dem Verkauf der Liegenschaft] nicht zustimmen, er solle aus Liebe verkaufen, sei bloß als Schalmeienklänge, als die als solche erkennbare Bemühung, gute Stimmung zu machen, zu verstehen gewesen, ist nicht zu teilen. Wenn das Berufungsgericht diese Erklärung der Klägerin im Kontext des gesamten Vorgefallenen insbesondere unter Berücksichtigung der Differenzen der Parteien über Entrümpelungskosten und Lastenfreistellung nach ihrem objektiven Erklärungswert, als pactum de non petendo (zu dessen Zulässigkeit vgl RIS‑Justiz RS0034169; Fasching, Komm1 III 9; ders in Fasching 2 I Einleitung Rz 61) auffasste, womit nicht auf die Forderung selbst, aber auf die gerichtliche Geltendmachung, etwa zur Vermeidung eines Rechtsstreits, verzichtet wird, liegt darin jedenfalls keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende krasse Fehlbeurteilung im Einzelfall. „Unentgeltlich abgegeben“ ‑ wie das Berufungsgericht ausgeführt hat ‑ bedeutet nicht zwingend ‑ wie die Revisionswerberin meint - schenkungshalber (vgl 1 Ob 360/52 = RIS‑Justiz RS0024624). So anerkennen Griss (KBB4 § 1444 ABGB Rz 3 mwN), Holly (in Kletečka/Schauer, ABGB‑ON1.01 § 1444 Rz 13) Heidinger (in Schwimann, ABGB³ § 1444 Rz 5) und auch Dullinger (in Rummel, ABGB3 § 1444 Rz 3) als taugliche causa beim Verzicht den Rechtsgrund der Streitbereinigung.

Da die Klägerin insgesamt nur solche Rechtsfragen anspricht, deren Erledigung nicht von der Lösung erheblicher Rechtsfragen abhängt, ist ihr Rechtsmittel zurückzuweisen.

Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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