OGH 8Ob110/14f

OGH8Ob110/14f28.4.2015

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten Prof. Dr. Spenling als Vorsitzenden, die Hofrätin Dr. Tarmann‑Prentner, die Hofräte Mag. Ziegelbauer und Dr. Brenn sowie die Hofrätin Dr. Weixelbraun‑Mohr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A***** S*****, vertreten durch Mag. Egon Stöger, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagte Partei W*****, vertreten durch Mag. Josef Kunzenmann, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen 41.675,31 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck vom 19. August 2014, GZ 1 R 102/14f‑51, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0080OB00110.14F.0428.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Ob ein Vertrag richtig ausgelegt wurde, stellt nur dann eine im Revisionsverfahren zu behandelnde erhebliche Rechtsfrage dar, wenn die Vorinstanzen infolge wesentlicher Verkennung der Rechtslage ein geradezu unvertretbares Auslegungsergebnis erzielt haben (RIS‑Justiz RS0042936; RS0042776 ua). Diese Voraussetzung liegt hier nicht vor.

1. Die Streitteile haben in einem vom Kläger als Lieferanten selbst verfassten Energielieferungsvertrag eine Wertsicherung des von der Beklagten zu zahlenden Entgelts vereinbart. Da der vom Kläger vorgegebene Wertsicherungsindex bereits im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses nicht mehr existierte, haben die Vorinstanzen ohne aufzugreifenden Rechtsirrtum die Anwendbarkeit des dem weggefallenen am ehesten entsprechenden Wertmessers bejaht (RIS‑Justiz RS0019447; 8 Ob 37/08m; Griss in KBB4, § 985 Rz 7; Aichberger‑Beig in Kletečka/Schauer ABGB‑ON1.02, § 985 Rz 12 ua).

Der Revisionswerber verkennt auch, dass der von ihm angestrebte Entfall jeder indexgebundenen Wertsicherung nicht die einseitige Verrechenbarkeit beliebiger Preise, sondern die unveränderte Geltung des angebotenen und vereinbarten Basispreises zur Folge hätte.

2. Wucher im Sinn des § 879 Abs 2 Z 4 ABGB liegt vor, wenn ein leicht erkennbares, auffallendes Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung besteht, der Bewucherte dieses wegen Leichtsinn, Zwangslage, Verstandesschwäche, Unerfahrenheit oder Gemütsaufregung nicht wahrnehmen kann und der Wucherer diese Lage des Bewucherten ausnützt (RIS‑Justiz RS0016861; RS0016919 [T4]). Ob diese Voraussetzungen vorliegen, ist eine Frage des Einzelfalls (RIS‑Justiz RS0016861 [T1]), die von den Vorinstanzen vertretbar verneint wurde.

Der Sachverhalt bietet keine Grundlage für die Annahme eines ‑ noch dazu auffallenden - Missverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung, weil gar nicht festgestellt werden konnte, ob der Kläger das gelieferte Heizöl auch zu den dem Index entsprechenden Preisen beschaffen hätte können.

Soweit der Revisionswerber für sich in Anspruch nehmen will, den letztlich für ihn nachteiligen Vertrag aus Unerfahrenheit abgeschlossen zu haben, übergeht er die Feststellung, dass er vor Gründung seines Betriebs bereits 21 Jahre bei einem Wärmelieferungsunternehmen beschäftigt war und dies auch der Beklagten bekannt war.

Unerfahrenheit liegt nicht schon dann vor, wenn die für ein bestimmtes Geschäft erforderlichen Kenntnisse fehlen, sondern wenn es dem Betroffenen ganz allgemein an Lebenserfahrung und Geschäftskenntnissen mangelt. Überhaupt muss die Berufung eines Unternehmers auf Unkenntnis und Unerfahrenheit in seinem eigenen Gewerbe auch unter dem Gesichtspunkt des Wuchers solange unbeachtet bleiben, als seinem Vertragspartner nicht geradezu Arglist vorzuwerfen wäre (6 Ob 662/81 = RIS‑Justiz RS0016892).

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