OGH 14Os16/15g

OGH14Os16/15g28.4.2015

Der Oberste Gerichtshof hat am 28. April 2015 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Moelle als Schriftführerin in der Strafsache gegen Alessandro B***** wegen des Verbrechens nach § 3g VerbotsG über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Geschworenengericht vom 26. November 2014, GZ 38 Hv 50/14d‑36, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0140OS00016.15G.0428.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Alessandro B***** auf Grund des Wahrspruchs der Geschworenen des Verbrechens nach § 3g VerbotsG schuldig erkannt.

Danach hat er sich am 18. Dezember 2011 in F***** auf andere als die in den §§ 3a bis 3f VerbotsG bezeichnete Weise im nationalsozialistischen Sinn betätigt, indem er im Rahmen einer Burschenschaftsfeier seine rechte Hand zum Hitler‑Gruß hob.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus den Gründen der Z 5 und 10a des § 345 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten ist nicht im Recht.

Dem Einwand der Verfahrensrüge (Z 5) zuwider wurden durch die Abweisung des ‑ zum Beweis dafür, dass beim Angeklagten zum Tatzeitpunkt ein die Zurechnungsfähigkeit ausschließender Rauschzustand bestanden hat, gestellten ‑ Antrags auf „Einholung eines weiteren Gutachtens aus dem Fachbereich der Medizin“ (ON 35 S 14) wegen behaupteter unvollständiger Befundaufnahme und inhaltlicher Mangelhaftigkeit der Expertise des psychiatrischen und neurologischen Sachverständigen Dr. W***** Verteidigungsrechte nicht verletzt.

Während die Überzeugungskraft eines im Sinn des § 127 Abs 3 StPO mängelfreien Gutachtens der freien Beweiswürdigung des erkennenden Gerichts (hier: der Geschworenen) unterliegt, ist nach dieser Gesetzesstelle auf inhaltliche Kritik an Befund und Gutachten zunächst mit einem Versuch der Beseitigung der relevierten Mängel durch nochmalige Vernehmung des Sachverständigen und erst bei dessen Scheitern mit Bestellung eines weiteren Sachverständigen zu reagieren (Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 351).

Vorliegend wurde die im Beweisantrag thematisierte Videoaufzeichnung der inkriminierten Tathandlung (Videoaufzeichnung der CD Kärnten 1), die dem Sachverständigen (eigenen Angaben zufolge; ON 35 S 13) vor der schriftlichen Gutachtenserstattung (ON 26) nicht zur Verfügung gestanden war, in der Hauptverhandlung in Anwesenheit des Experten mehrfach vorgeführt (ON 35 S 4, 7, 9, 10, 11, 13), worauf dieser seine schriftliche Expertise nach entsprechender Ergänzung aufrecht hielt und darlegte, aus welchen Gründen dieses Beweismittel nicht geeignet war, seine ‑ auf Basis des Akteninhalts und der Angaben des Beschwerdeführers ‑ schriftlich vertretene Einschätzung, wonach dieser zum Tatzeitpunkt zwar durch „größere Alkoholeinnahme … beeinträchtigt“ war, sich aber nicht in einem die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Rauschzustand befand, zu ändern (ON 35 S 12 f).

Im Anschluss wurde dem Beschwerdeführer im Rahmen der mündlichen Gutachtenserörterung die Gelegenheit eingeräumt, den Sachverständigen mit sämtlichen aus seiner Sicht offenen Fragen zu konfrontieren (ON 35 S 13).

Der in der Verfahrensrüge angesprochene Antrag erschöpfte sich dessen ungeachtet in einem Vortrag der ‑ im Widerspruch zu jener des Experten stehenden ‑ Auffassung des Beschwerdeführers, ohne dass eine substantiierte Auseinandersetzung mit dessen diesbezüglichen Erläuterungen erfolgte (ON 35 S 14). Solcherart wurde kein ‑ nach Durchführung eines Verbesserungsverfahrens bestehen gebliebener ‑ Mangel von Befund und Gutachten im Sinn des § 127 Abs 3 erster Satz StPO aufgezeigt, sondern bloß eine Überprüfung der Beurteilung des beigezogenen Sachverständigen in der nicht indizierten Erwartung eines für den Antragsteller günstigeren Ergebnisses begehrt, womit der Antrag auf unzulässige Erkundungsbeweisführung abzielte und zu Recht der Abweisung verfiel (vgl erneut Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 351; RIS‑Justiz RS0117263, RS0102833).

Das den Beweisantrag

ergänzende Beschwerdevorbringen hat mit Blick auf das aus dem Wesen des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes resultierende

Neuerungsverbot auf sich zu beruhen.

Mit Hinweisen auf das „Beweis‑Video“, auf einzelne Passagen aus dem Sachverständigengutachten sowie auf Aussagen zweier Zeugen zu ‑ angeblich auf dem Video ersichtlichen ‑ Unsicherheiten des Beschwerdeführers beim Gehen und Stehen und daraus gezogenen eigenen Schlüssen weckt die ‑ „aus anwaltlicher Vorsicht“ erhobene - Tatsachenrüge (Z 10a) keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der im Wahrspruch festgestellten entscheidenden Tatsachen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 285d Abs 1, 344 StPO). Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung (§§ 285i, 344 StPO).

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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