OGH 3Ob53/15p

OGH3Ob53/15p21.4.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Hoch als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin Dr. Lovrek, die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch und die Hofrätin Dr. A. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei G*****, vertreten durch Dr. Gerald Scholz, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Ing. H*****, vertreten durch Mag. Rainer Rienmüller, Rechtsanwalt in Wien, wegen 25.856,10 EUR sA und Feststellung (Revisionsinteresse 19.392,80 EUR sA und Feststellung), über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 9. Jänner 2015, GZ 12 R 148/14v‑54, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Das Berufungsgericht bejahte die Haftung der beklagten, mit Dachgeschoßausbauarbeiten beauftragten Bauunternehmerin für die Folgen eines Sturzes der Klägerin, die als Fußgängerin über einen im Zuge von Estricharbeiten benötigten und auf dem Gehsteig vor dem Haus gelegten Betonschlauch stolperte. Das Berufungsgericht ging von einem Mitverschulden der Klägerin von 25 % aus.

In der gegen das Berufungsurteil erhobenen außerordentlichen Revision zeigt die Beklagte keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf:

Rechtliche Beurteilung

1. Das Berufungsgericht folgte in seiner vorbildlich begründeten Entscheidung ohnedies den zu 2 Ob 107/98v, 2 Ob 157/09s und 2 Ob 28/13a dargelegten Grundsätzen, wonach der Bauführer nur mehr für eigenes Auswahl‑ und Überwachungsverschulden haftet, wenn er die Pflicht zur Absicherung einer Baustelle an eine Subunternehmerin übertrug.

2. Hier steht allerdings, wie das Berufungsgericht zutreffend hervorhob, gerade nicht fest, dass die Beklagte der mit den Estricharbeiten betrauten Subunternehmerin die Pflicht zur Absicherung der Baustelle zur Gänze übertrug. Das Erstgericht hielt vielmehr ‑ vom Berufungsgericht übernommen ‑ fest, dass ein Mitarbeiter der Beklagten und der Geschäftsführer der Subunternehmerin über die Notwendigkeit von Absicherungsmaßnahmen sprachen, aber nicht festgestellt werden konnte, ob Ergebnis des Gesprächs war, dass die Beklagte die Absicherungsmaßnahmen ergreifen oder die Subunternehmerin für die Absicherung verantwortlich sein sollte.

3. Die daraus vom Berufungsgericht gezogene Schlussfolgerung, dass die Beklagte zumindest Überwachungspflichten traf, die sie vernachlässigte, ist zumindest vertretbar, weil bei dieser Sachlage ‑ wie bereits das Berufungsgericht aufzeigte ‑ zweifelhaft ist, dass überhaupt eine Übertragung der Absicherungspflichten zu bejahen ist.

4. Die Ausführungen in der Revision dazu, dass der Geschäftsführer der Subunternehmerin selbst Fachmann sei und daher für die von ihm geschaffene Gefahrenquelle hafte, gehen am Kern des Problems vorbei: Dass die Subunternehmerin Fachmann ist, könnte die Beklagte nämlich nur hinsichtlich eines ‑ vom Berufungsgericht ohnedies nicht angenommenen ‑ Auswahlverschuldens entlasten.

5. Die Beurteilung des Verschuldensgrades unter Anwendung der Grundsätze der Rechtsprechung ‑ ohne dass ein wesentlicher Verstoß gegen maßgebliche Abgrenzungskriterien vorliegt ‑ und auch das Ausmaß eines Mitverschuldens des Geschädigten im Einzelfall bilden im Hinblick auf die Einzelfallbezogenheit regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage nach § 502 Abs 1 ZPO (RIS‑Justiz RS0087606).

Eine vom Obersten Gerichtshof im Interesse der Rechtssicherheit aufzugreifende Fehlbeurteilung liegt im Hinblick auf die festgestellte Sehbehinderung der Klägerin und den Umstand, dass keinerlei Absicherungsmaßnahmen ergriffen wurden, nicht vor.

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