OGH 7Ob44/15v

OGH7Ob44/15v9.4.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Hofrätin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Höllwerth, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich und Dr. Singer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei W***** G*****, vertreten durch Mag. Florian Mitterbacher, Rechtsanwalt in Klagenfurt am Wörthersee, gegen die beklagte Partei K*****versicherung auf Gegenseitigkeit, *****, vertreten durch Mag. Christiane Hoja‑Trattnig, Rechtsanwältin in Klagenfurt am Wörthersee, wegen 103.500,03 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 16. Jänner 2015, GZ 2 R 204/14h‑30, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0070OB00044.15V.0409.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Die Zuerkennung einer Leistung aus der gesetzlichen Sozialversicherung wegen Invalidität oder Berufsunfähigkeit hat für die Beurteilung des Vorliegens der in Art 7.1 AUVB 2003 definierten dauernden Invalidität für das Gericht keine bindende Wirkung. Ob und in welchem Grad dauernde Invalidität nach Art 7.1 AUVB 2003 besteht, bildet eine vom Erstgericht unabhängig von der sozialversicherungsrechtlich gegebenen Invalidität des Klägers zu beurteilende Tatfrage.

2.1 Wurde ein Verfahrensmangel erster Instanz in der Berufung geltend gemacht, vom Berufungsgericht aber verneint, kann der Mangel nach ständiger Rechtsprechung in der Revision nicht mehr gerügt werden (RIS‑Justiz RS0042963, RS0106371).

2.2 Ob ein weiteres Gutachten notwendig ist oder aber das schon erstattete die Feststellungen der Vorinstanzen rechtfertigt, sind Fragen der irreversiblen Beweiswürdigung, wie auch die Notwendigkeit weiterer Beweisaufnahmen allgemein (RIS‑Justiz RS0043320, RS0043414). Auch die Frage, welche Bedeutung die Tatsacheninstanzen einem von einer Partei vorgelegten Privatgutachten beigemessen haben, betrifft die in dritter Instanz nicht angreifbare Beweiswürdigung (RIS‑Justiz RS0043291 [T3]). Die Rechtsmittelbeschränkung kann auch nicht dadurch umgangen werden, dass ein unerwünschtes Ergebnis der Behandlung der Beweisrüge als Mangel des Berufungsverfahrens releviert wird (RIS‑Justiz RS0043371 [T28]).

2.3 Die Entscheidung des Berufungsgerichts über eine Mängel‑ oder Beweisrüge ist mängelfrei, wenn es sich mit diesen überhaupt befasst, das Verfahren des Erstgerichts überprüft, nachvollziehbare Überlegungen über die Beweiswürdigung anstellt und in seinem Urteil festhält (RIS‑Justiz RS0043150, RS0043144).

Der Kläger beantragte seine Einvernahme, die Einvernahme näher genannter Zeugen und die Einholung weiterer Sachverständigengutachten. Das Berufungsgericht verneinte den in der Unterlassung der beantragten Beweisaufnahme erblickten erstinstanzlichen Verfahrensmangel mit ausführlicher Begründung. Auch befasste es sich mit der Beweisfrage und stellte dazu nachvollziehbare Erwägungen an.

3. Das Erstgericht traf ‑ wenn auch disloziert innerhalb der Beweiswürdigung ‑ vom Berufungsgericht unbeanstandet, die auf dem eingeholten chirurgischen Sachverständigengutachten gründende Feststellung, dass beim Kläger der Endzustand erreicht und eine auf eine zunehmende Arthrose zurückzuführende Funktionsverschlechterung nicht anzunehmen sei. Mit seinen Ausführungen, zwischen der Untersuchung und dem Schluss der Verhandlung sei eine mit der Verschlechterung der Arthrose einhergehende weitere Funktionseinschränkung eingetreten, entfernt sich der Kläger vom Boden der den Obersten Gerichtshof bindenden Tatsachenfeststellungen.

4. Die Feststellung des Invaliditätsgrades (Beeinträchtigungen der körperlichen und geistigen Funktionsfähigkeit nach medizinischen Gesichtspunkten) stellt ‑ entgegen der Ansicht des Klägers keine Rechtsfrage (Auslegung von Urkunden) ‑ sondern eine Tatfrage dar, die im Revisionsverfahren nicht überprüft werden kann (RIS‑Justiz RS0118909).

5. Es liegt nur dann eine von der Versicherungsdeckung umfasste Störung des Nervensystems vor, wenn sie organische Ursachen hat. Wird das Nervensystem nicht organisch geschädigt, sondern entsteht eine Neurose nur aufgrund der psychischen Haltung des Geschädigten zum Unfall und seinen Folgen, so ist die Deckung nach Art 18.5 AUVB 2003 ausgeschlossen (vgl RIS‑Justiz RS0122120 zur nahezu wortgleichen Bedingung Art 18.4 AUVB 1995).

Die Rechtsansicht der Vorinstanzen, ausgehend davon, dass die psychische Problematik des Klägers als solche keinen organischen Ansatz habe, liege auch keine von der Versicherungsdeckung umfasste Störung des Nervensystems vor, ist nicht zu beanstanden.

6. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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