OGH 4Ob38/15i

OGH4Ob38/15i24.3.2015

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Jensik, Dr. Musger, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Rassi als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Österreichische Zahnärztekammer, Wien 1, Kohlmarkt 11/6, vertreten durch Dr. Friedrich Schulz, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei D***** N*****, vertreten durch Piaty Müller-Mezin Schoeller Rechtsanwälte GmbH in Graz wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Sicherungsverfahren 32.000 EUR), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Rekursgericht vom 14. Jänner 2014, GZ 5 R 198/14y‑16, mit welchem der Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 16. Oktober 2014, GZ 10 Cg 148/14x‑7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0040OB00038.15I.0324.000

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass das Begehren der klagenden Partei, der beklagten Partei mit einstweiliger Verfügung zu verbieten, Radiowerbung für zahnmedizinische Behandlungen zu betreiben, insbesondere indem sie in einem Gespräch im Radio Informationen über einen mobilen Zahnarzt verbreitet, abgewiesen wird.

Die klagende Partei hat ihre Kosten des Sicherungsverfahrens aller drei Instanzen endgültig selbst zu tragen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 6.677,28 EUR (darin 1.112,88 EUR an USt) bestimmten Kosten des Sicherungsverfahrens aller drei Instanzen zu ersetzen.

Begründung

Die Beklagte ist Alleingesellschafterin und Geschäftsführerin einer GmbH, die im steirischen Ort G***** einen Gewerbepark besitzt und dort unter anderem Praxisräume an den Zahnarzt Dr. J***** O***** vermietete; die Beklagte war bei diesem Zahnarzt auch als Zahnarzthelferin beschäftigt. Aufgrund ihres Kontakts zu einem Redakteur eines Radiosenders in der Steiermark erklärt ihr der Zahnarzt, dass er an einem Radiobericht über die von ihm durchgeführten Hausbesuche interessiert sei. Die Beklagte stellte darauf den Kontakt zum Sender her und führte auf Ersuchen von Dr. J***** O***** ein entsprechendes Interview selbst, weil dieser einen starken ungarischen Akzent aufweist.

Vor dem Interview mit der Beklagten machte der Redakteur und Sprecher des Senders diese und Dr. O***** darauf aufmerksam, dass im Beitrag die Praxis nicht genannt werde, weil es rechtlich problematisch sei, für einen Zahnarzt Werbung zu machen. Dr. O***** und die Beklagte behielten sich gegenüber dem Sender die Freigabe des Radioberichts vor, was ihnen vom Redakteur auch zugesichert wurde. Die Beklagte wollte durch ihr Interview die Nachfrage nach zahnärztlichen Hausbesuchen auch zum Vorteil des Dr. O***** erhöhen.

Im Interview schilderte die Beklagte in allgemeiner Form das Modell der Hausbesuche und hob dessen Vorzüge hervor, ohne aber nähere Angaben zu ihrer Person oder zur Ordination zu machen. In der Sendung berichtete auch eine Angehörige eines Patienten vom Modell der Hausbesuche. Derartige Hausbesuche werden nicht von allen Zahnärzten durchgeführt, sie sind aber auch nicht ungewöhnlich. In einer zur Zahnarztpraxis des Dr. O***** benachbarten Gemeinde ist eine Zahnärztin ansässig, die ebenfalls Hausbesuche anbietet und dafür Printwerbung betreibt.

Entgegen der Zusage des Senders wurde der Radiobeitrag ohne Freigabe durch Dr. O***** oder die Beklagte gesendet. Im Beitrag wurden dabei neu formulierte und nachträglich gesprochene Fragestellungen des Radiosprechers eingefügt. So führte der Sprecher nur im Nachhinein an, dass „die Zahnarztpraxis in G***** täglich bis zu dreimal mehr oder weniger mobil gemacht wird“.

Die klagende Zahnärztekammer begehrte zur Sicherung ihres gleichlautenden Unterlassungsbegehrens, der Beklagten zu verbieten, „Radiowerbung für zahnmedizinische Behandlungen zu betreiben, insbesondere indem sie in einem Gespräch im Radio Informationen über einen mobilen Zahnarzt verbreitet“.

Die Vorinstanzen erließen die beantragte einstweilige Verfügung.

Das Rekursgericht qualifizierte die Mitwirkung der Beklagten „an der inkriminierten Radiowerbung“ als wettbewerbswidrig nach § 1 Abs 1 Z 1 UWG iVm § 35 ZÄG und Art 5 der gemäß § 35 Abs 5 ZÄG von der klagenden Partei erlassenen Werberichtlinien für den zahnärztlichen Beruf. Die Beklagte und Dr. O***** hätten den Beitrag initiiert, um Werbung für die mobilen Dienstleistungen der Zahnarztpraxis in G***** zu betreiben. Ungeachtet des nicht autorisierten Hinweises auf die Zahnarztpraxis in G***** überschreite die Textierung eine bloße Sachinformation und könne von den angesprochenen Verkehrskreisen nur als Werbung verstanden werden. Zur Verhinderung von Umgehungen der Werbebeschränkungen müssten sich auch Dritte eines gegen das Standesrecht verstoßenden Verhaltens enthalten. Die Beklagte sei passiv legitimiert, weil sie als Gehilfin am wettbewerbswidrigen Verhalten des Zahnarztes Dr. O***** als unmittelbaren Täter mitgewirkt habe. Der ordentliche Revisionsrekurs sei mangels über den Einzelfall hinausgehender Rechtsfragen nicht zuzulassen.

In ihrem dagegen gerichteten außerordentlichen Revisionsrekurs führt die Beklagte zur Zulässigkeit des Rechtsmittels den Umstand an, dass höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage fehle, inwieweit Dritte vom Werbeverbot der WerbeRL umfasst seien. Sie beantragt, die angefochtene Entscheidung im abweisenden Sinn abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die klagende Partei beantragt in der ihr freigestellten Revisionsrekursbeantwortung, dem Rechtsmittel nicht Folge zu geben, es als unzulässig zurückzuweisen, allenfalls als unbegründet abzuweisen.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig und berechtigt.

1. Die klagende Partei machte in erster Instanz ausschließlich geltend, dass die Beklagte für die in der Zahnarztpraxis in G***** tätigen Zahnärzte geworben und dabei gegen die Werbebeschränkung der WerbeRL und § 35 ZÄG verstoßen habe.

2. Die Vorinstanzen sind von der gefestigten Rechtsprechung (vgl zuletzt 4 Ob 159/14g) abgewichen, wonach Nichtärzte an die standesrechtlichen Werbebeschränkungen nur bei einer Werbung für einen oder mehrere bestimmte ‑ oder durch Angabe einer Ordination oder Einrichtung bestimmbare (zB 4 Ob 356/83; 4 Ob 122/12p) ‑ Ärzte gebunden sind (4 Ob 16/99b; 4 Ob 112/03d).

3. Die der Beklagten zurechenbaren Aussagen in der Radiosendung beziehen sich auf keine bestimmte Ordination. Die Beklagte hat im Rahmen des Interviews die Zahnarztpraxis in G***** und dort tätige Zahnärzte ebenso wenig erwähnt wie den Umstand, dass sie in einer Praxis in G***** tätig ist. Vielmehr hat die Beklagte nur allgemein das Modell zahnärztlicher Hausbesuche beschrieben, das in Österreich nicht unüblich ist und in der Gegend der Zahnarztpraxis in G***** nicht nur von Dr. O***** angeboten wird. Der Beklagten, die sich dabei auf die Ausübung des Grundrechts auf freie Meinungsäußerung (Art 10 EMRK) berufen kann, sind keine werbende Aussagen vorwerfbar.

4. Selbst wenn man die beanstandete Sendung wegen des Hinweises auf die „ Zahnarztpraxis in G***** “ als Werbung für einen bestimmbaren Zahnarzt qualifizieren wollte, wäre für die klagende Partei nichts gewonnen: Eine allfällige Bestimmbarkeit der Ordination des Dr. J***** O***** ist keine Grundlage einer gegen die Beklagte zu erlassenden einstweiligen Verfügung. Der entsprechende Hinweis auf den Ort der Praxis stammt nämlich nicht von ihr, sondern vom Radiosprecher und wurde zudem nachträglich in den Beitrag eingefügt, wenngleich der Sprecher der Beklagten vor der Aufnahme erklärte, dass der Name der Praxis aus rechtlichen Gründen nicht genannt werden dürfe und eine Werbung für einen bestimmten Zahnarzt problematisch sei. Unter diesen Umständen musste die Beklagte nicht damit rechnen, dass in der Sendung der Ort der Zahnarztpraxis erwähnt wird.

5. Ein Unterlassungsanspruch nach dem UWG kann wohl auch für Verletzungen durch Dritte bestehen, wenn dem Haftenden die rechtliche Möglichkeit offen stand, für die Abstellung des Wettbewerbsverstoßes zu sorgen (RIS-Justiz RS0079628), wobei der Senat bei einem Bericht über ein Unternehmen eine grundsätzliche Kontrollpflicht der Unternehmensverantwortlichen vor Veröffentlichung bejaht (zB 4 Ob 103/88; 4 Ob 192/03v; RIS‑Justiz RS0079628 [T15]). Auf eine Verletzung einer derartigen Prüfpflicht kann sich die klagende Partei im Anlassfall allerdings nicht berufen. Die Beklagte hatte sich ohnedies die Freigabe des Beitrags vorbehalten. Aufgrund des vereinbarungswidrigen Verhaltens des Radiosenders war ihr aber eine Prüfung von allfälligen Verletzungen der standesrechtlichen Werbebeschränkungen verwehrt.

6. Dem Sicherungsantrag ist daher schon mangels einer der Beklagten auch zuzurechnenden (vgl 4 Ob 64/94) Werbung für bestimmte oder bestimmbare Zahnärzte die Grundlage entzogen. Die ihr zuzurechnenden Aussagen sind daher objektiv nicht geeignet, den Wettbewerb zu beeinflussen. Eine allfällige Absicht der Beklagten, mit dem Interview die Nachfrage nach zahnärztlichen Hausbesuchen auch zum Vorteil des Dr. J***** O***** zu erhöhen, ist für die Erlassung eines Unterlassungsgebots unerheblich.

7. Dass sich die Beklagte als Gehilfin eines lauterkeitswidrigen Verhaltens des Zahnarztes verantwortlich gemacht habe, wie die Klägerin behauptet, findet weder in der Fassung des Unterlassungsbegehrens einen Niederschlag, noch besteht eine Sachverhaltsgrundlage dahin, dass der Zahnarzt selbst unlauter gehandelt habe.

8. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 393 Abs 1 iVm §§ 41, 50 ZPO. Die Äußerung der Beklagten deckt (auch unter Berücksichtigung von § 21 Abs 1 RATG) nicht den Zuspruch eines doppelten Einheitssatzes. Die beiden Schriftsätze, mit denen die Beklagte ihren Verfahrenshilfeantrag mangels vollständig ausgefüllten Vermögensbekenntnisses und Belegen verbesserte, waren schon deshalb nicht zu honorieren, weil bereits mit dem Verfahrenshilfeantrag ein vollständig ausgefülltes Vermögensbekenntnis samt Belegen vorzulegen ist (§ 66 Abs 1 ZPO). Es kann daher dahinstehen, ob einem Kostenersatzanspruch diesbezüglich auch § 72 Abs 3 Satz 3 ZPO entgegensteht. Für die Pauschalgebühren gebührt der Beklagten kein Ersatz, weil sie wegen der ihr bewilligten Verfahrenshilfe von der Entrichtung der Gerichtsgebühren befreit war (vgl auch § 70 ZPO, § 20 GGG und § 2 Abs 3 GEG; Oberhammer , Kostenhandbuch 2 Rz 155). Das gilt auch für die Pauschalgebühren für den Rekurs gegen die einstweilige Verfügung des Erstgerichts, weil die Befreiung von der Entrichtung der Gebühren wegen des gleichzeitig mit dem Rekurs gestellten Verfahrenshilfeantrags auch das Rekursverfahren umfasst (vgl § 64 Abs 3 ZPO).

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