OGH 4Ob122/12p

OGH4Ob122/12p10.7.2012

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende sowie die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Österreichische Zahnärztekammer, Wien 1, Kohlmarkt 11/6, vertreten durch Dr. Friedrich Schulz, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei R***** F*****, vertreten durch Mag. Franz Karl Juraczka, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert 36.000 EUR), über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 31. Jänner 2012, GZ 3 R 111/11g-30, womit das Urteil des Landesgerichts Korneuburg vom 11. April 2011, GZ 4 Cg 122/10x-19, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Die Vorinstanzen verurteilten den Beklagten, es zu unterlassen, zahnärztliche Leistungen in Ungarn durch mehr als eine Anzeige pro Kalendervierteljahr in Printmedien, welche in Österreich verbreitet werden, anzupreisen oder an einer solchen Anpreisung mitzuwirken. Darüber hinaus ermächtigten sie die klagende Zahnärztekammer zur Urteilsveröffentlichung.

Der Beklagte vermag keine erheblichen Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen.

1. Ist das Berufungsgericht in die Prüfung der Frage einer allfälligen im erstinstanzlichen Verfahren unterlaufenen Nichtigkeit eingetreten und hat eine solche verneint, ist die Wahrnehmung dieser Nichtigkeit im Verfahren dritter Instanz nicht mehr möglich (RIS-Justiz RS0042981, vgl RS0043405).

2. Angebliche Mängel des Verfahrens erster Instanz, die vom Berufungsgericht nicht als solche anerkannt worden sind, können nicht nach § 503 Z 2 ZPO geltend gemacht werden (RIS-Justiz RS0042963).

3. Die tatsächliche oder vermeintliche unrichtige Wiedergabe des Prozessvorbringens einer Partei im angefochtenen Urteil ist für die Überprüfung der Richtigkeit der Entscheidung ohne Bedeutung; hierin liegt keine Aktenwidrigkeit (RIS-Justiz RS0041814). Die von den Vorinstanzen angenommene Außerstreitstellung bezieht sich eindeutig erkennbar nur auf den tatsächlichen Sachverhalt (mehrmalige Anzeigen des Beklagten in einem Kalenderquartal), nicht jedoch auf die im Verfahren strittige Würdigung dieses Sachverhalts als Verstoß gegen § 1 UWG.

4. Wer für Ärzte werbend auftritt, hat sich einer gegen das Standesrecht der Ärzte verstoßenden Ankündigung zu enthalten. Er muss die Konkretisierung der in § 25 Abs 1 ÄrzteG enthaltenen Begriffe durch die von der Österreichischen Ärztekammer erlassenen Richtlinien („Arzt und Öffentlichkeit“) beachten (RIS-Justiz RS0106099). Dass der Werbende es allenfalls unterlassen hat, sich über die maßgeblichen Rechtsvorschriften zu unterrichten, kann ihn nicht entlasten (4 Ob 319/97h). Damit wird der Ärztekammer nicht das Recht zugestanden, für jedermann ärztliche Standesvorschriften zu erlassen, sondern nur sichergestellt, dass die Werbebeschränkungen für Ärzte nicht dadurch umgangen werden, dass Dritte für den Arzt werben (4 Ob 319/97h mwN).

Der erkennende Senat hat erst jüngst im Zusammenhang mit der Werberichtlinie der Zahnärzte unter Verweis auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs Rs C-446/05, Ioannis Doulamis, daran festgehalten, dass weder verfassungs- noch unionsrechtliche Bedenken gegen Werbeverbote für Ärzte bestehen (4 Ob 176/11b). Wenn sich der Beklagte darauf beruft, dass eine Werbebeschränkung nur aus Gründen des Gesundheitsschutzes erfolgen dürfte, ist ihm entgegenzuhalten, dass der Europäische Gerichtshof in der genannten Entscheidung derartigen Erwägungen des Generalanwalts (siehe hiezu seine Schlussanträge Rz 123) nicht gefolgt ist. Die Werbebeschränkung für Ärzte liegt nicht nur in deren wirtschaftlichem Interesse, sondern vor allem im Interesse der Allgemeinheit, sich bei der Inanspruchnahme ärztlicher Leistungen von sachlichen Erwägungen leiten zu lassen (RIS-Justiz RS0108834, vgl auch RS0089509).

Soweit der Beklagte dahin argumentiert, durch die hier gegenständliche Werbebeschränkung in seiner Eigentums- oder Dienstleistungsfreiheit (unzulässigerweise) eingeschränkt zu werden, ist er darauf zu verweisen, dass es ihm freisteht, für seine eigene Transportleistung zu werben, im vorliegenden Fall aber die Werbung für zahnärztliche Leistungen zu beurteilen ist.

5. Die vom Revisionswerber ins Treffen geführte Bindungswirkung von Vergleichen oder sonstigen (außergerichtlichen) Vereinbarungen in Vorverfahren vermag in diesem Verfahren schon deshalb keine Wirkung zu entfalten, weil es in den Vorverfahren um den Inhalt der beanstandeten Werbeankündigungen ging, in diesem Verfahren jedoch deren Häufigkeit zum Gegenstand gemacht wurde. Aus der allfälligen Duldung eines bestimmten Anzeigeinhalts durch die Klägerin kann auch keinesfalls abgeleitet werden, diese hätte dem Beklagten schlüssig eine bestimmte Häufigkeit von Anzeigen zugestanden. Abgesehen davon, dass die stets nach den konkreten Umständen des Einzelfalls vorzunehmende Beurteilung der Schlüssigkeit eines Klagebegehrens regelmäßig keine erheblichen Rechtsfragen nach § 502 Abs 1 ZPO aufwirft, bedurfte das auf eine den einschlägigen Vorschriften zuwiderlaufende Häufigkeit bestimmter Werbeanzeigen gestützte Klagebegehren keiner näheren Präzisierung des Inhalts oder sonstiger Umstände der in einem Kalenderquartal geschalteten Anzeigen.

Die außerordentliche Revision ist daher zurückzuweisen.

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