OGH 4Ob4/15i

OGH4Ob4/15i24.3.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Jensik, Dr. Musger, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Rassi als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A*****‑Aktiengesellschaft, Wien 13, *****, vertreten durch Aigner Fischer Unter Rechtsanwaltspartnerschaft in Ried im Innkreis, gegen die beklagten Parteien 1. „H***** Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Mag. Kurt Ehninger, Rechtsanwalt in Linz, und 2. E*****, vertreten durch Mag. Robert Stadler, Rechtsanwalt in Gallneukirchen, wegen 20.807,02 EUR sA, über die Revision der zweitbeklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 29. September 2014, GZ 6 R 154/14f‑43, womit das Urteil des Landesgerichts Linz vom 13. Juni 2014, GZ 2 Cg 21/13f‑38, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0040OB00004.15I.0324.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die zweitbeklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.257,48 EUR bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung (darin 209,58 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

Das Berufungsgericht verurteilte den Zweitbeklagten zum Schadenersatz an die Klägerin, die als Gebäudeversicherung die Aufwendungen für die Beseitigung eines Wasserschadens im Haus ihres Versicherungsnehmers getragen hat. Der Zweitbeklagte war mit der Verlegung von Boden‑ und Wandfliesen sowie der Feuchtigkeitsisolierung inklusive der erforderlichen Ichsenbänder beauftragt. Er bediente sich zur Vertragserfüllung eines bei ihm beschäftigten Fliesenlegers, der für die ihm übertragenen Tätigkeiten grundsätzlich geeignet war. Dieser band aber beim Verlegen der Fliesen und Abdichten des Nassbereichs (Duschen für ein Fitnessstudio) die Bodengullys nicht wie von der ÖNORM B 2209‑1 vorgegeben mittels einer für den Gully passenden Abdichtungsgarnitur in die Verbundabdichtung ein und arbeitete auch in den Ichsen keine Dichtbänder in die Verbundabdichtung ein. Es konnte daher Wasser in den Boden und in die Wände eintreten, wodurch der später von der Klägerin zu tragende Wasserschaden entstand. Die Fliesenlegerarbeiten wurden zwar bereits 2005 ausgeführt, erst im Sommer 2008 traten Feuchtigkeitsflecken auf. Ein oberflächlicher Behebungsversuch scheiterte. Im Dezember 2010 wurde der Klägerin und ihrer Versicherungsnehmerin aufgrund eines Sachverständigengutachtens bekannt, dass die Gullys nicht in die Abdichtung eingebunden waren. Vorher erfuhr weder die Klägerin noch ihre Versicherungsnehmerin vom Schaden, dessen Ursache und von wem dies zu verantworten sei.

Das Berufungsgericht bejahte die Haftung des Zweitbeklagten aufgrund der von ihm zu vertretenden habituellen Untüchtigkeit seines Gehilfen im Sinn des § 1315 ABGB. Der Gehilfe habe nicht nur gegen eine bestehende ÖNORM verstoßen, es liege hier auch auf der Hand, dass ein Absehen von der Einbindung von Gullys in die Verbundabdichtung gerade im Duschraum eines Fitnessstudios, bei dem mit größeren Wassermengen zu rechnen sei, mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einem Wassereintritt in das Mauerwerk führe. Diese Untüchtigkeit des Gehilfen sei unabhängig davon, dass er die Lehrabschlussprüfung bestanden habe und schon längere Zeit im Unternehmen des Zweitbeklagten tätig gewesen sei. Die auf die Klägerin gemäß § 67 VersVG übergegangene Schadenersatzforderung sei auch noch nicht verjährt, weil die Verjährungsfrist nicht vor Kenntnis der Schadensursache und der Verantwortung des Zweitbeklagten zu laufen begonnen habe. Der Klägerin und ihrer Versicherungsnehmerin sei auch keine Verletzung sie allenfalls treffender Erkundigungspflichten anzulasten. Schließlich sprach das Berufungsgericht aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil Rechtsprechung dazu fehle, ob Verstöße gegen in ÖNORMEN enthaltene Regelungen betreffend die Ausführung eines Werks jedenfalls Untüchtigkeit indizieren oder im Fall welcher Verstöße gegen ÖNORMEN dies der Fall sei.

Die Revision des Zweitbeklagten, mit der er die Abweisung des Schadenersatzbegehrens anstrebt, ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulässigkeitsausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

1. Für das Verhalten eines Besorgungsgehilfen muss nach § 1315 ABGB einstehen, wer sich einer untüchtigen oder wissentlich einer gefährlichen Person bedient. Aus einem Verhalten eines Besorgungsgehilfen ergibt sich eine habituelle Untüchtigkeit, wenn es ihm an den für seine Tätigkeit notwendigen Kenntnissen überhaupt fehlt und auch ein auffallender Mangel an Gewissenhaftigkeit vorliegt, der Besorgungsgehilfe also nicht geeignet ist, entsprechend den fundamentalen Kenntnissen seines Tätigkeitsbereichs zu arbeiten (RIS‑Justiz RS0107261) oder wenn er infolge persönlicher Eigenschaften, etwa aus Hang zur Nachlässigkeit oder Nichtbeachtung der Vorschriften über die Ausübung seines Berufs nicht geeignet ist (RIS‑Justiz RS0028885). Auch ein einmaliges Fehlverhalten kann die Annahme der Untüchtigkeit des Gehilfen (ausnahmsweise) rechtfertigen, wenn aus den Umständen auf einen habituellen Hang zur Nachlässigkeit geschlossen werden kann; selbst grob fahrlässiges Verhalten lässt allein noch nicht immer auf Untüchtigkeit schließen (vgl RIS‑Justiz RS0028925 [T1]; RS0028824 [T4, T8]; 2 Ob 107/98v). So sah der Oberste Gerichtshof etwa bei grob fahrlässiger Berufspflichtverletzung, Unkenntnis betriebswichtiger Vorschriften oder bei einem auffallenden Mangel an Gewissenhaftigkeit, der auf einem Hang zur Nachlässigkeit beruht, habituelle Untüchtigkeit als gegeben an (2 Ob 45/97z).

Ob Untüchtigkeit im Sinn des § 1315 ABGB anzunehmen ist, hängt somit von den Umständen des Einzelfalls ab (7 Ob 561/90; 6 Ob 228/04d). Es kann also nicht generell ausgesprochen werden, dass der Verstoß gegen eine bestimmte Sorgfaltspflicht, etwa eine ÖNORM, Untüchtigkeit nach § 1315 ABGB indiziert (ebensowenig wie das Vorliegen grober Fahrlässigkeit an sich). Maßgebend ist immer die mit dem konkreten Sorgfaltsverstoß einhergehende besondere Gefährdung eines geschützten Rechtsguts. Allgemeine Regeln, etwa auch in Bezug zu ÖNORMEN, lassen sich daher nicht aufstellen.

Nicht nur in der vom Berufungsgericht herangezogenen Entscheidung 1 Ob 76/98w wurde die habituelle Untüchtigkeit aus einem groben Sorgfaltsverstoß abgeleitet, „weil klar sein musste, dass angesichts der bekannten Gefahren alle erdenklichen Sicherheits-vorkehrungen zu treffen“ seien, sondern auch etwa bei Fräsarbeiten auf offener Straße, weil es jedermann einleuchte, dass durch derartige Arbeiten auf einer unabgesicherten öffentlichen Straße die Gefahr eines Unfalls außergewöhnlich hoch ist (2 Ob 45/97z). Auch bei Flämmarbeiten ohne erforderliche Brandschutzvorkehrungen wurde die Untüchtigkeit bejaht, weil „in dieser Missachtung der einfachsten und geradezu als Selbstverständlichkeit anzusehenden Maßnahmen eine besonders gravierende Verletzung der beruflichen Sorgfaltspflicht eines Dachdeckergesellen“ zu sehen war (1 Ob 524/91).

Die vom Berufungsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegte Rechtsansicht, dass sich aus der völlig fehlenden Gullyabdichtung sowie aus dem Unterbleiben einer Ichsenabdichtung gerade im Duschraum eines Fitnessstudios, die den Eintritt eines Wasserschadens nahezu zwingend vorhersehbar machen, die Untüchtigkeit ableiten lässt, entspricht daher den Grundsätzen bisheriger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs. Eine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung ist nicht zu erkennen. Dass dem Zweitbeklagten die Untüchtigkeit seines Gehilfen nicht bekannt sein musste, weil er bislang immer ordentlich gearbeitet habe, ändert am Ergebnis nichts, weil dem Haftenden die Untüchtigkeit des Besorgungsgehilfen nicht bekannt sein muss (RIS‑Justiz RS0028871).

2. Die Verjährungsfrist des § 1489 ABGB beginnt mit dem Zeitpunkt zu laufen, in dem dem Geschädigten sowohl der Schaden und die Person des Schädigers als auch die Schadensursache bekannt geworden sind (RIS‑Justiz RS0034951, RS0034374, vgl RS0034524). Zwar gilt die Kenntnisnahme schon als in dem Zeitpunkt erlangt, in welchem sie dem Geschädigten bei angemessener Erkundigung zuteil geworden wäre, wenn er die für eine erfolgversprechende Anspruchsverfolgung notwendigen Voraussetzungen ohne nennenswerte Mühen in Erfahrung bringen kann, die Erkundigungspflicht darf aber nicht überspannt werden (RIS‑Justiz RS0034327). Im Allgemeinen wird im Rahmen der Erkundigungspflicht die Einholung von Sachverständigengutachten nicht gefordert (RIS‑Justiz RS0034327 [T2]), jedenfalls sind die Grenzen der Erkundigungspflicht nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen (RIS‑Justiz RS0034327).

Es ist jedenfalls vertretbar, dass die Klägerin oder ihre Versicherungsnehmerin im Sommer 2008 noch keine Kenntnis vom wahren Sachverhalt haben musste, schließlich hat der Zweitbeklagte einen (die wahre Schadensursache nicht berücksichtigenden) Sanierungsversuch unternommen. Es liegt nahe, hier keine weitergehende Erkundigungsobliegenheit anzunehmen. Eine Einbindung der Klägerin oder ihrer Versicherungsnehmerin in die damalige Schadensbegutachtung und Sanierung ist überdies gar nicht festgestellt.

Mangels erheblicher Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO ist die Revision des Zweitbeklagten daher zurückzuweisen.

Da die Klägerin auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen hat, hat sie gemäß §§ 41 und 50 ZPO der Klägerin die Kosten der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Revisionsbeantwortung zu ersetzen (mangels Beteiligung des Erstbeklagten am Revisionsverfahren aber ohne Streitgenossenzuschlag).

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