OGH 4Ob59/15b

OGH4Ob59/15b24.3.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Jensik, Dr. Musger, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Rassi als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Prof. W***** H*****, vertreten durch Mag. Rainer Handl, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Dr. H***** H*****, vertreten durch Dr. Herbert Salficky, Rechtsanwalt in Wien, wegen 34.663,84 EUR sA, über die „außerordentliche Revision“ der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 30. Dezember 2014, GZ 13 R 82/14w‑43, mit dem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 18. März 2014, GZ 27 Cg 249/11b‑39, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0040OB00059.15B.0324.000

 

Spruch:

Die Akten werden dem Erstgericht zurückgestellt.

Text

Begründung

Der Beklagte vertrat als Rechtsanwalt den Kläger in zwei Prozessen wegen der Geltendmachung eines Pflichtteilsergänzungsanspruchs gegen den dort beklagten Geschenknehmer. Unter Berufung auf Anwaltsfehler macht der Kläger gegen den Beklagten Schadenersatzansprüche geltend. Die vor dem Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien erhobene Pflichtteilsergänzungsklage sei rechtskräftig abgewiesen worden, weil es der Beklagte unterlassen habe vorzubringen, dass der Nachlass zur Deckung des Schenkungspflichtteils nicht hinreiche (vgl § 951 Abs 1 ABGB). Anschließend habe der Beklagte gegen den Geschenknehmer eine weitere nahezu idente Pflichtteilsergänzungsklage vor dem Landesgericht Korneuburg mit dem ergänzenden Vorbringen eingebracht, dass der Nachlass nicht ausreiche, um seinen Pflichtteil zu decken. Die zweite Klage sei wegen entschiedener Rechtssache zurückgewiesen worden.

Zuletzt machte der Kläger einen auf Anwaltshaftung gestützten Gesamtschaden von 34.663,84 EUR sA geltend. Er ordnete dabei dem ersten Verfahren einen Schaden von 28.375 EUR (Schenkungspflichtteil), dem zweiten Verfahren Beträge von 4.671,60 EUR (Verfahrenskosten der Gegenseite) und 1.617,24 EUR (eigene Verfahrenskosten) zu.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren mit Ausnahme eines Zinsenmehrbegehrens statt. Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung im Ausmaß von 34.079,78 EUR, wies das Mehrbegehren rechtskräftig ab und sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei.

Das Erstgericht legte die dagegen erhobene „außerordentliche Revision“ des Klägers dem Obersten Gerichtshof vor. Der Oberste Gerichtshof ist allerdings zur Entscheidung darüber nicht berufen.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 502 Abs 3 ZPO ist die Revision ‑ außer im Fall des § 508 Abs 3 ZPO ‑ jedenfalls unzulässig, wenn der Entscheidungsgegenstand an Geld oder Geldeswert zwar 5.000 EUR, nicht aber insgesamt 30.000 EUR übersteigt und das Berufungsgericht die ordentliche Revision nach § 500 Abs 2 Z 3 ZPO für nicht zulässig erklärt hat. Dann steht der Partei nur die Möglichkeit offen, gemäß § 508 ZPO einen (mit einer ordentlichen Revision verbundenen) Antrag auf Abänderung des Unzulässigkeitsausspruchs an das Berufungsgericht zu stellen.

Hat das Berufungsgericht über mehrere Entscheidungsgegenstände entschieden, deren Werte nicht zusammenzurechnen sind, ist die Revisionszulässigkeit für jeden einzelnen Entscheidungsgegenstand gesondert zu beurteilen (§ 55 Abs 4 JN). Eine Zusammenrechnung der einzelnen Ansprüche gemäß § 55 Abs 1 Z 1 JN käme nur in Betracht, wenn diese in einem tatsächlichen oder rechtlichen Zusammenhang stehen (RIS‑Justiz RS0042741). Ein solcher liegt nur vor, wenn die Forderungen aus einer gemeinsamen Tatsache oder einem gemeinsamen Rechtsgrund entstanden sind (RIS‑Justiz RS0037905).

Dieses Kriterium ist im vorliegenden Fall nur hinsichtlich der im Verfahren vor dem Landesgericht Korneuburg entstandenen Kosten von 4.671,60 EUR und 1.617,24 EUR erfüllt. Hier stützt sich der Kläger auf den Umstand, dass der Beklagte die zweite Klage ungeachtet des Prozesshindernisses der entschiedenen Rechtssache eingebracht habe. Die beiden Klagsansprüche stehen somit in einem rechtlichen und tatsächlichen Zusammenhang, weshalb sie nach § 55 Abs 1 JN zusammenzurechnen sind.

Ein innerer tatsächlicher oder rechtlicher Zusammenhang besteht aber dann nicht, wenn jeder der mehreren Ansprüche ein ganz verschiedenes rechtliches und tatsächliches Schicksal haben kann; in einem solchen Fall ist jeder gesondert zu beurteilen, es findet also keine Zusammenrechnung statt (RIS‑Justiz RS0037899). Eine Zusammenrechnung der Beträge für die frustrierten Kosten im Verfahren vor dem Landesgericht Korneuburg mit dem Schadenersatzbetrag für den vor dem Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien begehrten Schenkungspflichtteil kommt somit nicht in Betracht, leitet der Kläger die jeweiligen Ersatzansprüche doch aus (behaupteten) Verfahrensfehlern (fehlendes Vorbringen, Nichtbeachtung eines Prozesshindernisses) in zwei unterschiedlichen gerichtlichen Verfahren ab, die jeweils gesondert zu beurteilen sind (vgl 6 Ob 130/08y für die Haftung eines Rechtsanwalts als Insolvenzverwalter, Gitschthaler in Fasching/Konecny I3 § 55 JN Rz 21/2, und 1 Ob 162/13z = RIS‑Justiz RS0037905 [T29]; RS0037899 [T17]) für die Haftung eines rechtsanwaltlichen Sachwalters). Entsprechendes wird auch im Bereich der Amtshaftung bei Verfahrensfehlern judiziert (1 Ob 63/08h, 1 Ob 110/14d). Für die Zusammenrechnung genügt es nicht, dass alle Forderungen aus dem Vollmachtsverhältnis zwischen den Parteien entstanden sind (vgl auch 1 Ob 162/13z).

Der Gegenstand, über den das Berufungsgericht entschieden hat, übersteigt somit nicht 30.000 EUR. Das Rechtsmittel wäre daher nach § 507b Abs 2 ZPO dem Berufungsgericht vorzulegen gewesen (RIS‑Justiz RS0109620). Dies wird das Erstgericht nunmehr nachzuholen haben. Ob die im Schriftsatz enthaltenen Ausführungen, wonach die Revision zulässig sei, den Erfordernissen des § 508 Abs 1 ZPO entsprechen, bleibt der Beurteilung der Vorinstanzen vorbehalten (RIS‑Justiz RS0109623 [T5], RS0109501 [T12]).

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