OGH 6Ob130/08y

OGH6Ob130/08y7.7.2008

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler und Univ.-Prof. Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Johann G*****, vertreten durch Dr. Oliver Scherbaum, Rechtsanwalt in Wien, als Verfahrenshelfer, gegen die beklagte Partei Dr. Eva-Maria B*****, vertreten durch Dr. Christian Bachmann, Rechtsanwalt in Wien, wegen 41.938,84 EUR sA (Revisionsinteresse 40.049,78 EUR), infolge „außerordentlicher" Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 25. April 2008, GZ 3 R 35/08a-52, womit über Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 9. Jänner 2008, GZ 10 Cg 272/05a-48, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

1. Die Revision wird in Ansehung der Klagsforderungen von 3.343,16 EUR sA und von 23.078,44 EUR sA zurückgewiesen.

2. In Ansehung der Klagsforderung von 13.628,18 EUR sA werden die Akten dem Erstgericht zurückgestellt.

Text

Begründung

Der Kläger nimmt die Beklagte als ehemalige Masseverwalterin im Konkurs über sein Vermögen aus dem Titel des Schadenersatzes in Anspruch. Die einzelnen Beträge, aus denen sich das Klagebegehren zusammensetzt, liegen zwischen 256,57 EUR und 23.078,44 EUR. Das Berufungsgericht bestätigte die klageabweisende Entscheidung des Erstgerichts und sprach aus, dass die Revision in Ansehung der unter 4.000 EUR liegenden Forderungen jedenfalls unzulässig, die Revision in Ansehung der Forderung von 13.628,18 EUR nicht zulässig und die ordentliche Revision in Hinsicht auf die Forderung von 23.078,44 EUR nicht zulässig sei.

Gegen die Bestätigung der Abweisung der Klagsforderungen von 3.343,16 EUR, von 13.628,18 EUR und von 23.078,44 EUR je sA richtet sich die „außerordentliche" Revision des Klägers.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Klägers ist in Ansehung der Klagsforderungen von 3.343,16 EUR und von 23.078,44 EUR je sA unzulässig. Hinsichtlich der Klagsforderung von 13.628,18 EUR sA ist der Oberste Gerichtshof derzeit nicht zur Entscheidung berufen.

Gemäß § 502 Abs 2 ZPO ist die Revision jedenfalls unzulässig, wenn der Streitgegenstand, über den das Berufungsgericht entschieden hat, an Geld oder Geldeswert 4.000 EUR nicht übersteigt. Übersteigt der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR, kann gemäß § 505 Abs 4 ZPO eine außerordentliche Revision erhoben werden. Im Zwischenbereich zwischen 4.000 EUR und 20.000 EUR kommt eine (ordentliche) Revision nur in Betracht, wenn das Berufungsgericht diese von vornherein für zulässig erklärte oder seinen ursprünglichen Ausspruch über die Unzulässigkeit der Revision nachträglich ändert (§ 508 Abs 3 ZPO). Werden in einer Klage mehrere Forderungen geltend gemacht, dann bilden sie nur dann einen einheitlichen Streitgegenstand, wenn die Voraussetzungen des § 55 Abs 1 JN vorliegen; andernfalls sind sie getrennt zu behandeln (1 Ob 89/99s mwN). Diese Regelung ist gemäß § 55 Abs 4 JN auch für die Zulässigkeit von Rechtsmitteln maßgebend. Demnach sind für die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision mehrere in einer Klage von einer einzelnen Partei gegen eine einzelne Partei erhobene Ansprüche - wie hier - nur dann zusammenzurechnen, wenn sie im Sinn des § 55 Abs 1 Z 1 JN in einem tatsächlichen oder rechtlichen Zusammenhang stehen.

Mehrere Ansprüche stehen in einem tatsächlichen Zusammenhang, wenn sie allesamt aus demselben Klagesachverhalt abgeleitet werden könne, wenn also das für einen Anspruch erforderliche Sachvorbringen ausreicht, um auch über die anderen geltend gemachten Ansprüche entscheiden zu können, ohne dass also ein ergänzendes Sachvorbringen erforderlich wäre (RIS-Justiz RS0042766). Ein rechtlicher Zusammenhang liegt dagegen vor, wenn die Ansprüche aus demselben Vertrag oder aus derselben Rechtsnorm abgeleitet werden und miteinander in einem unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang stehen (1 Ob 89/99s mwN). Ein solcher Zusammenhang besteht jedoch dann nicht, wenn jeder der mehreren Ansprüche ein verschiedenes rechtliches und tatsächliches Schicksal haben kann; in einem solchen Fall ist jeder Anspruch gesondert zu beurteilen, ohne dass eine Zusammenrechnung stattfände (1 Ob 89/99s mwN).

Die Klärung, ob mehrere in einer Klage geltend gemachten Ansprüche in einem tatsächlichen oder rechtlichen Zusammenhang stehen, hat immer nach dem Klagevorbringen zu erfolgen (RIS-Justiz RS0042741 [T7]). Dabei ist hier gemäß § 502 Abs 2 ZPO nur jener Streitgegenstand von Bedeutung, über den das Berufungsgericht entschied. Im vorliegenden Fall wurde ein tatsächlicher oder rechtlicher Zusammenhang der einzelnen Schadenersatzforderungen nicht behauptet. Der Kläger wirft der Beklagten verschiedene Verletzungen ihrer Pflichten als Masseverwalterin vor. Aus jedem einzelnen behaupteten Pflichtverstoß wird eine genau bezifferte Forderung abgeleitet. Jeder Anspruch kann für sich alleine unabhängig von den anderen bestehen. Daher sind die Klagsforderungen nicht zusammenzurechnen. Es ist somit von mehreren Entscheidungsgegenständen auszugehen, bei denen die Revisionszulässigkeit einer unterschiedlichen Beurteilung unterliegt.

Aus dem Vorstehenden folgt:

1. Die Revision ist in Ansehung der Klagsforderung von 3.343,16 EUR sA jedenfalls unzulässig (§ 502 Abs 2 ZPO).

2. Die außerordentliche Revision, mit der die Bestätigung der Abweisung der Klagsforderung von 23.078,44 EUR sA bekämpft wird, ist gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen. Die vom Revisionswerber bezeichneten Rechtsfragen stellen sich nicht, weil es nach den Feststellungen der Vorinstanzen nicht zutrifft, dass die Beklagte das Konkursverfahren - sei es durch Tun, sei es durch Unterlassen - „verschleppte". Die Aufhebung des Konkurses gemäß § 167 KO kann nur der Gemeinschuldner beantragen (Bartsch/Pollak, KO³ I 677; Petschek/Reimer/Schiemer, Insolvenzrecht 695; Senoner in Konecny/Schubert, Kommentar zu den Insolvenzgesetzen § 167 KO Rz 10).

3. In Hinsicht auf die Klagsforderung von 13.628,18 EUR sA hat der Rechtsmittelwerber klargestellt, dass seine Ausführungen zur Revisionszulässigkeit als Antrag an das Berufungsgericht gemäß § 508 Abs 1 ZPO, den Ausspruch über die Unzulässigkeit der Revision abzuändern, zu verstehen sind, wenn der Oberste Gerichtshof eine Zusammenrechnung der einzelnen Klagsforderungen verneinen sollte. Insoweit sind die Akten dem Erstgericht zurückzustellen.

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