OGH 9ObA3/15d

OGH9ObA3/15d20.3.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Ziegelbauer, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Dehn sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Peter Zeitler und Johann Sommer als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Mag. P***** E*****, vertreten durch Klein, Wuntschek & Partner Rechtsanwälte GmbH in Graz, gegen die beklagte Partei D***** GmbH, *****, vertreten durch Mag. Johannes Bügler, Rechtsanwalt in Wien, wegen 621.396,20 EUR brutto sA (Revisionsinteresse: 598.323,02 EUR brutto sA), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Teilurteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 13. November 2014, GZ 7 Ra 48/14d‑56, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:009OBA00003.15D.0320.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Das Vorliegen der Voraussetzungen für eine gerechtfertigte vorzeitige Auflösung des Dienstverhältnisses kann immer nur aufgrund der Umstände des Einzelfalls beurteilt werden, sodass sich regelmäßig erhebliche Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht stellen (RIS‑Justiz RS0106298; RS0029312 [T7]).

2. Von einer ungebührlichen Schmälerung oder einem Vorenthalten des Entgelts kann nur dann ausgegangen werden, wenn der Arbeitgeber gewusst hat oder infolge der ihm obliegenden Sorgfaltspflicht hätte wissen müssen, dass seine Vorgangsweise unrechtmäßig ist (RIS‑Justiz RS0028896). Durch eine bloß objektive Rechtswidrigkeit, insbesondere also, wenn über das Bestehen eines Anspruchs verschiedene Rechtsmeinungen vertreten werden können und daher der Ausgang eines diesbezüglichen Rechtsstreits nicht abzusehen ist, wird der Tatbestand des § 26 Z 2 AngG nicht erfüllt (8 ObA 74/97h; RIS‑Justiz RS0029257). Auch bei der Frage, ob durch das Vorenthalten strittiger Gehaltsbestandteile bereits ein Austrittsgrund verwirklicht ist, handelt es sich aber um eine solche des Einzelfalls (vgl RIS‑Justiz RS0029257 [T8]).

3. Im vorliegenden Fall vereinbarten die Klägerin und die Geschäftsführerin der Beklagten in Kenntnis der prekären finanziellen Lage der Beklagten und in Kenntnis der geplanten Abberufung der Geschäftsführerin eine Änderung des bisherigen Dienstverhältnisses der Klägerin durch Abschluss eines neuen Dienstvertrags, durch den sie im Vergleich zu ihren bisherigen Konditionen überaus begünstigt wurde (Jahresbruttobezug von 100.000 EUR jährlich statt 14 x 4.377 EUR brutto monatlich; einseitige Vertragsbindung der Beklagten für fünf Jahre ua). Die neue Geschäftsführung verweigerte die Auszahlung der Differenzbeträge in der Annahme einer nichtigen Vertragsänderung.

4. Das Berufungsgericht erachtete den von der Klägerin erklärten vorzeitigen Austritt als nicht berechtigt und wies die beendigungsabhängigen Ansprüche mit Teilurteil ab. Für die Beurteilung der beendigungsunabhängigen Ansprüche hielt es noch nähere Feststellungen zu einem kollusiven Zusammenwirken der Klägerin und der Geschäftsführerin für erforderlich. Seine Rechtsansicht, dass die neue Geschäftsführung in vertretbarer Weise Zweifel an der Wirksamkeit des neuen Vertrags haben konnte und in der Nichtleistung des höheren Gehalts daher noch kein ungebührliches Vorenthalten von Entgelt im Sinn der genannten Rechtsprechung lag, ist nicht weiter korrekturbedürftig.

5. Auf die Frage, ob ein vorzeitiger Austritt nicht auch bei gänzlicher Bestreitung der Gültigkeit eines Dienstvertrags durch die Dienstgeberin aufgrund einer behaupteten Befugnisüberschreitung des sie vertretenden Organs berechtigt ist, kommt es hier nicht an: Zum einen zahlte die Beklagte der Klägerin ohnehin nach Maßgabe der bisherigen Vereinbarung die laufenden Bezüge weiter. Zum anderen kann eine Vertragsänderung auch dann sittenwidrig sein, wenn ein Vertretungsorgan im Rahmen seiner Vollmacht handelt.

6. Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 510 Abs 3 ZPO ist die außerordentliche Revision der Beklagten daher zurückzuweisen.

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