OGH 5Nc6/15z

OGH5Nc6/15z20.3.2015

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Höllwerth und Mag. Wurzer als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj M***** K*****, geboren am 5. März 2014, wegen Übertragung der Zuständigkeit gemäß § 111 Abs 2 JN, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0050NC00006.15Z.0320.000

 

Spruch:

Die vom Bezirksgericht Dornbirn verfügte Übertragung der Zuständigkeit in der dort zuletzt zu 32 Pu 226/14d anhängigen Pflegschaftssache an das Bezirksgericht Leopoldstadt wird genehmigt.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Der Minderjährige befindet sich in Pflege und Erziehung bei seiner Mutter und hat seinen Hauptwohnsitz in Wien. Bis 29. 12. 2014 war er mit einem Nebenwohnsitz in Dornbirn gemeldet. Der Minderjährige, zunächst vertreten durch die Bezirkshauptmannschaft Dornbirn, beantragte die Festsetzung des Unterhalts.

Mit rechtskräftigem Beschluss vom 16. 10. 2014 übertrug das Bezirksgericht Dornbirn die Zuständigkeit zur Führung der Pflegschaftssache an das Bezirksgericht Leopoldstadt, weil sich der Minderjährige „jetzt ständig in 1020 Wien […]“ aufhalte.

Das Bezirksgericht Leopoldstadt verweigerte mit Beschluss die Übernahme der Pflegschaftssache im Wesentlichen mit der Begründung, das Bezirksgericht Dornbirn habe sich bereits in das Verfahren eingelassen. Zudem habe die Mutter ausdrücklich den Wunsch geäußert, dass das Verfahren in Vorarlberg geführt werde. Dazu berief es sich auf eine Stellungnahme des Vertreters der Mutter, derzufolge für diese die Führung des Verfahrens in Vorarlberg aufgrund der familiären Umgebung leichter sei.

1. Gemäß § 111 Abs 1 JN kann das Pflegschaftsgericht seine Zuständigkeit einem anderen Gericht übertragen, wenn dies im Interesse des Minderjährigen oder sonstigen Pflegebefohlenen gelegen erscheint, insbesondere wenn dadurch die wirksame Handhabung des pflegschaftsgerichtlichen Schutzes voraussichtlich gefördert wird.

2. Offene Anträge sind kein grundsätzliches Übertragungshindernis (RIS-Justiz RS0047027 [T8]; RS0046895), es sei denn, zu deren Erledigung wäre das bisher zuständige Gericht effizienter geeignet (Fucik in Fasching/Konecny, ZPO³ [2013] § 111 JN Rz 5; Gitschthaler in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG [2013] § 111 JN Rz 16; Mayr in Rechberger, ZPO4 [2014] § 111 JN Rz 4). Ein solcher Ausnahmefall ist aber dann nicht gegeben, wenn ‑ wie im vorliegenden Fall ‑ ein Beweisverfahren betreffend den offenen Antrag noch gar nicht stattgefunden hat (Gitschthaler aaO; 6 Nc 33/14a; 2 Nc 31/14b). Der Umstand, dass sich das übertragende Gericht in das Verfahren eingelassen hat, bringt lediglich zum Ausdruck, dass es seine Zuständigkeit gemäß § 114 Abs 1 JN iVm § 109 JN bejahte. Darin liegt ebensowenig ein Hinderungsgrund für die Zuständigkeitsübertragung, wie in dem von der Mutter geäußerten Wunsch, dass das Verfahren in Vorarlberg geführt werde (vgl RIS-Justiz RS0046352 [T3]).

3. Ausschlaggebendes Kriterium einer Zuständigkeitsübertragung nach § 111 Abs 1 JN ist stets das Kindeswohl (RIS-Justiz RS0047074). Dabei ist in der Regel das Naheverhältnis zwischen Pflegebefohlenem und Gericht von wesentlicher Bedeutung (6 Nd 503/01; 10 Nc 58/07x). Im Allgemeinen ist daher das Gericht am besten geeignet, in dessen Sprengel der Minderjährige seinen Wohnsitz oder (gewöhnlichen) Aufenthalt hat (10 Nc 58/07x ua). Da der Minderjährige nach der Aktenlage zwischenzeitig auch keinen Nebenwohnsitz in Vorarlberg mehr hat, sondern nur noch über einen Wohnsitz im Sprengel des Bezirksgerichts Leopoldstadt verfügt, entspricht eine Belassung der Pflegschaftssache beim übertragenden Gericht nicht mehr dem Kindeswohl.

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