OGH 6Ob31/15z

OGH6Ob31/15z19.3.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.‑Prof. Dr. G. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. J*****, und 2. C*****, vertreten durch Dr. Herbert Maschitz ua Rechtsanwälte in Kufstein, gegen die beklagte Partei J*****, vertreten durch MMag. Dr. Thomas Mildner, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Räumung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 12. Dezember 2014, GZ 3 R 279/14x‑12, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0060OB00031.15Z.0319.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzung des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

Die Kläger verpachteten dem Beklagten die landwirtschaftlichen Grundstücke eines geschlossenen Hofs für die Dauer von 1. 4. 2006 bis 31. 3. 2009 und ein Stallgebäude (Stall, Tenne, Vorplatz/Betriebsareal, Güllegrube, Entmistungsanlage, Mistlagerungsstätte) auf dem Grundstück Nr 641 für die Zeit vom 1. 6. 2006 bis 31. 12. 2006. Das Pachtverhältnis wurde nach Ablauf der im Pachtvertrag festgelegten Endtermine fortgesetzt, ohne dass zwischen den Streitteilen ein neuer Pachtvertrag abgeschlossen wurde.

Mit Schreiben vom 16. 2. 2013 gaben die Kläger dem Beklagten bekannt, im Fall der lückenlosen Erfüllung mitgeteilter Missstände sei eine neue schriftliche Pachtvereinbarung Grundlage für eine mögliche Verlängerung des Pachtverhältnisses um ein weiteres Jahr. Nachdem der Beklagte die Missstände behoben hatte, übermittelten ihm die Kläger mit Schreiben vom 23. 4. 2013 Pachtvertragsentwürfe für den Zeitraum 1. 4. 2013 bis 31. 3. 2014 mit dem Ersuchen um Retournierung der unterfertigten Verträge. Sie verwiesen auf ihr Schreiben vom 16. 2. 2013 und darauf, dass ein aufrechtes Pachtverhältnis nicht mehr bestehe. Der Beklagte unterschrieb nicht; er stellte sich auf den Standpunkt, einen unbefristeten Pachtvertrag zu haben. Er sagte den Klägern, er sei nicht gewillt, einen neuen Pachtvertrag abzuschließen.

Mit Schreiben vom 30. 9. 2013 teilten die Kläger dem Beklagten unter anderem mit, dass eine Verlängerung der Pachtverhältnisse, denen ohnehin keine gültigen Pachtverträge mehr zugrunde lägen, nicht möglich sei.

Das Berufungsgericht bestätigte das dem Räumungsbegehren stattgebende Urteil des Erstgerichts. Der befristete Pachtvertrag sei wiederholt stillschweigend auf bestimmte Zeit erneuert worden (§ 1114 letzter Satz ABGB, § 1115 ABGB). Da die Kläger beginnend mit ihrem Schreiben vom 16. 2. 2013 keinen Zweifel daran gelassen hätten, eine abermalige Erneuerung des Pachtvertrags jedenfalls abzulehnen, sei der Pachtvertrag in Bezug auf die landwirtschaftlichen Grundstücke mit Ablauf des 31. 3. 2013 und in Bezug auf das gepachtete Stallgebäude zum 31. 12. 2013 beendet worden. Die Richtpachtzeiten des § 5 LPG seien keine verbindliche Mindestvertragsdauer.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision des Beklagten zeigt keine im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO erhebliche Rechtsfrage auf.

Der Revisionswerber meint, Landpachtverträge könnten nicht vor Ablauf der jeweiligen Richtpachtzeit (§ 5 LPG) vorzeitig aufgekündigt werden, soweit der Pächter die Voraussetzung des § 1118 ABGB nicht erfülle.

Diese Auffassung widerspricht der klaren Gesetzeslage. Nach § 6 Abs 3 LPG ist die Verlängerung der Dauer des Landpachtvertrags durch Entscheidung des Gerichts (§ 6 Abs 1 LPG) unzulässig, wenn die Dauer des Landpachtvertrags ausdrücklich auf eine solche Zeit vereinbart wurde, die der maßgebenden Richtpachtzeit (§ 5 LPG) entspricht oder diese übersteigt. Demnach kann es bei Verträgen auf bestimmte Zeit zu einer Verlängerung durch gerichtliche Entscheidung (§ 6 Abs 1 LPG) nur kommen, wenn die vereinbarte Vertragsdauer unterhalb der nach § 5 LPG vorgesehenen Richtzeit liegt (vgl Handl , Landpachtgesetz, Jahrbuch Agrarrecht 2011, 177 [191]). Daraus ergibt sich, dass das Landpachtgesetz eine Mindestvertragsdauer nicht kennt. Einen Antrag auf Verlängerung der Dauer des Landpachtvertrags, der in den Fällen des fristgemäßen Ablaufs der vereinbarten Vertragsdauer spätestens zwei Monate vor dem Ablauf der Vertragsdauer zu stellen ist (§ 10 Abs 1 LPG), hat der Beklagte nicht gestellt.

Eine stillschweigende Erneuerung eines auf bestimmte Zeit geschlossenen Bestandvertrags wird nicht nur durch ein Vorgehen nach § 569 ZPO verhindert. Die Fortsetzung des Bestandverhältnisses wird auch durch jedes andere widersprechende Verhalten einer Partei hintangehalten (RIS‑Justiz RS0020790; RS0020804). Eine solche Erklärung kann bereits vor dem Endtermin wirksam abgegeben werden, muss aber doch im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit diesem erfolgen (RIS‑Justiz RS0032945). Grundsätzlich bedarf es auch nicht der Einbringung einer Räumungsklage, um eine stillschweigende Erneuerung des befristeten Bestandverhältnisses hintanzuhalten, wenn der betreffende Vertragspartner seinen Willen, eine stillschweigende Erneuerung des Vertrags zu verhindern, in diesem Sinne deutlich zum Ausdruck gebracht hat, es sei denn, dass das lange Zuwarten mit der Räumungsklage den Schluss rechtfertigt, die stillschweigende Verlängerung des Vertrags werde jetzt doch akzeptiert (6 Ob 198/08y). Dem Gericht ist bei der Beurteilung des Verhaltens des Bestandgebers ein Beurteilungsspielraum eingeräumt, in dem alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen sind. Nur wenn dieser Beurteilungsspielraum verlassen wird, stellt das eine erhebliche Rechtsfrage dar (RIS‑Justiz RS0020790 [T1]). Dass das Berufungsgericht seinen Beurteilungsspielraum überschritten hätte, wird im Rechtsmittel nicht dargetan.

Zutreffend führte das Berufungsgericht aus, dass die vom Rechtsmittelwerber geltend gemachten Feststellungsmängel aufgrund unrichtiger rechtlicher Beurteilung nicht gegeben sind. Feststellungen darüber, wann die Kläger eine mündliche Kündigung ausgesprochen haben und wann die schriftlichen Kündigungen beim Beklagten eingetroffen sind, mussten nicht getroffen werden, war doch der Bestandvertrag befristet, sodass eine (ordentliche) Aufkündigung nach § 1116 ABGB weder möglich noch erforderlich war.

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