OGH 7Ob21/15m

OGH7Ob21/15m12.3.2015

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Hofrätin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofräte Dr. Höllwerth, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich und Dr. Singer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M***** S*****, vertreten durch Salburg Rechtsanwalts GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei M***** AG, *****, vertreten durch Kunz Schima Wallentin Rechtsanwälte KEG in Wien, wegen 27.653,40 EUR sA, über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 30. Oktober 2014, GZ 2 R 61/14a‑67, womit das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 13. Jänner 2014, GZ 33 Cg 26/10p‑63, aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0070OB00021.15M.0312.000

 

Spruch:

Der Rekurs wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.342,80 EUR (darin enthalten 223,80 EUR an USt) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Aufgrund eines Zulässigkeitsausspruchs des Berufungsgerichts iSd § 519 Abs 1 Z 2 ZPO wird ein Aufhebungsbeschluss grundsätzlich anfechtbar. Das Berufungsgericht darf die Zulässigkeit des Rekurses nach der vorgenannten Bestimmung aber nur dann aussprechen, wenn es die Voraussetzungen für gegeben erachtet, unter denen nach § 502 ZPO die Revision zulässig ist (§ 519 Abs 2 ZPO). Der Zweck des Rekurses besteht in der Überprüfung der Rechtsansicht des Berufungsgerichts durch den Obersten Gerichtshof. Demnach muss im Rekurs gegen den Aufhebungsbeschluss eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO geltend gemacht werden. Gemäß § 526 Abs 2 ZPO ist der Oberste Gerichtshof bei Prüfung der Zulässigkeit des Rekurses an die Beurteilung der zweiten Instanz über das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage nicht gebunden. Ist eine erhebliche Rechtsfrage nicht zu lösen, so muss der Rekurs zurückgewiesen werden (§ 526 Abs 2 ZPO, 9 Ob 54/13a ua). Dies gilt auch dann, wenn das Berufungsgericht zwar zu Recht ausgesprochen hat, dass ein Rechtsmittel an den Obersten Gerichtshof zulässig sei, der Rechtsmittelwerber dann aber nur solche Gründe geltend macht, deren Erledigung nicht von der Lösung erheblicher Rechtsfragen abhängt (RIS‑Justiz RS0048272 [T8]).

Das Berufungsgericht ließ den Rekurs zu, da keine oberstgerichtliche Rechtsprechung zu der Frage bestehe, ob während eines laufenden Vermögensverwaltungsvertrags der Anleger im Falle der pflichtwidrigen Leistungserfüllung Klage auf Feststellung der Haftung des Vermögensverwalters für die erst zukünftig bezifferbaren Schäden aus der Schlechtverwaltung erheben könne, oder ob nach der Regel der Subsidiarität der Feststellungsklage der Anleger gehalten sei, den Vermögensverwaltungsvertrag wegen Schlechterfüllung aufzukündigen, und mit einer Leistungsklage das Erfüllungsinteresse zu begehren.

1.1 Ein Klagebegehren ist dann rechtlich schlüssig, wenn das Sachbegehren des Klägers materiell‑rechtlich aus den zu seiner Begründung vorgetragenen Tatsachenbehauptungen abgeleitet werden kann (RIS‑Justiz RS0037516). Dass sich das Sachbegehren aus dem Vorgetragenen tatsachenrechtlich nicht ableiten lässt, kann zwei Ursachen haben: entweder sind die vorgetragenen Tatsachen zu unvollständig geblieben, um die begehrten Rechtsfolgen daraus ableiten zu können (Unschlüssigkeit wegen Unvollständigkeit) oder es lässt sich auch im Fall eines ergänzten Sachvortrags der behauptete Tatbestand nicht unter die für die Rechtsfolgen maßgebenden Rechtsnormen subsumieren (Unschlüssigkeit im eigentlichen Sinn; 2 Ob 215/09w; Fasching in Fasching/Konecny² III § 226 ZPO Rz 94). Für die Substantiierung eines Schadenersatzanspruchs ist es notwendig, dass nicht nur das rechtswidrige schuldhafte und kausale Verhalten des Schädigers, sondern auch ‑ neben dem ziffernmäßig bestimmten Begehren ‑ die Art des eingetretenen Schadens behauptet wird (RIS‑Justiz RS0037550 [T2]). Bei Unschlüssigkeit ist das Klagebegehren nicht sofort abzuweisen, sondern es muss vom Gericht eine Verbesserung angeregt werden (§ 182 ZPO). Der Verbesserungsauftrag ist von Amts wegen zu erteilen, selbst wenn die Partei durch einen Rechtsanwalt vertreten ist und die Notwendigkeit einer Präzisierung nicht selbst erkennt (RIS‑Justiz RS0037516 [T4]).

1.2 Die schadenersatzrechtliche Haftung des Anlageberaters knüpft bei einem Beratungsfehler an der Verletzung vorvertraglicher oder beratungsvertraglicher Aufklärungs‑ bzw Informationspflichten an (9 Ob 85/09d, 1 Ob 181/11s). Der Geschädigte ist so zu stellen, wie er stünde, wenn der Anlageberater pflichtgemäß gehandelt, ihn also richtig aufgeklärt hätte (RIS‑Justiz RS0108267).

Bezieht sich der Vorwurf rechtswidrigen Verhaltens auf die Durchführung der Vermögensverwaltung, so betrifft der begehrte Schadenersatz nicht die Wurzel des Geschäfts, sondern dessen Abwicklung (9 Ob 85/09d). Entsteht der Schaden in diesem Sinn durch Nichterfüllung einer gültig begründeten Hauptleistungsverpflichtung, so hat der Schädiger jenen Zustand herzustellen, der im Vermögen des Geschädigten bei gehöriger Erfüllung (positives Erfüllungsinteresse) entstünde (RIS‑Justiz RS0016377 [T2 vgl auch T8], RS0018239). Zur Schadensermittlung ist dann das Ergebnis der pflichtwidrigen Vermögensverwaltung der fiktiven Entwicklung des Portfolios unter Zugrundelegung einer ‑ aus Sicht ex ante ‑ vertragskonformen Gesamtstrategie gegenüberzustellen (9 Ob 85/09d, RIS‑Justiz RS0125829 [T1]). Die von der Klägerin in diesem Zusammenhang bemühte „Rosinentheorie“ wurde bereits ausdrücklich abgelehnt und die isolierte Betrachtung der Entwicklung im Portfolio nach gehaltenen Wertpapieren, ebenso wie die Zergliederung der im Rahmen der Gesamtstrategie erfolgten Erwerbsvorgänge in vertragsgemäße und vertragswidrige Tradings ausgeschlossen (9 Ob 85/09d).

1.3 Erfolgt die behauptete Schadenszufügung ‑ wie hier ‑ im Rahmen eines auf einer Gesamtstrategie beruhenden, immer noch aufrechten Vermögensverwaltungs-vertrages, so bedeutet dies, dass der Vermögensverwalter bei pflichtgemäßem rechtzeitigen Verkauf der Veranlagung den Verkaufspreis nicht an die Klägerin herausgegeben, sondern diesen anders veranlagt hätte. Diese Veranlagung könnte durchaus ‑ einem vom Vermögensverwalter nicht zu vertretenden ‑ Kursverfall unterliegen, der im Zusammenhang mit der fiktiven Entwicklung bei vertragskonformer Gesamtstrategie zu beachten wäre. Daraus folgt aber, dass ein allfälliger Anspruch der Klägerin, die auf den Ersatz des Erfüllungsinteresses verwiesen ist, jedenfalls nicht im ‑ hier geltend gemachten ‑ Ersatz des Erwerbspreises einer Teilveranlagung gegen Rückführung dieser Veranlagung bei weiterhin aufrechtem Vertrag besteht. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass das Klagebegehren bereits aus diesem Grund unschlüssig (im eigentlichen Sinn) geblieben und damit erörterungsbedürftig sei, hält sich im Rahmen der oberstgerichtlichen Rechtsprechung.

2. Das Berufungsgericht erachtete insbesondere auch die Erörterung im Hinblick auf die Möglichkeit eines Feststellungsbegehrens für notwendig. Auch wenn die Erhebung eines schlüssigen Feststellungsbegehren nach dem bisherigen Vorbringen nicht ausgeschlossen werden kann, so ist ein solches nicht verfahrensgegenständlich und wird dies von der Klägerin in ihrem Rechtsmittel nicht verfolgt, weshalb sich ein weiteres Eingehen darauf erübrigt. Festzuhalten ist aber, dass die vom Berufungsgericht angenommene Ergänzungsbedürftigkeit des Sachverhalts im Zusammenhang mit einer möglichen Alternativveranlagung lediglich die Schadenshöhe betrifft.

3. Ob der geltend gemachte Geldersatzanpruch für den Fall der Aufkündigung des Vermögensverwaltungsvertrags bestünde, muss nicht geklärt werden. Eine solche erfolgte nämlich nicht.

4. Die Bestimmung des § 13 Z 3 und 4 WAG aF gestaltete die ohnedies durch den Vertrag bestehenden Verpflichtungen näher aus, änderte aber nicht die Art der Schadensberechnung.

5. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte