OGH 1Ob237/14f

OGH1Ob237/14f3.3.2015

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski, Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätin Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer als weitere Richter in der Sachwalterschaftssache des W***** I*****, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Betroffenen, vertreten durch Mag. Leopold Zechner, Rechtsanwalt in Bruck an der Mur, gegen den Beschluss des Landesgerichts Leoben als Rekursgericht vom 13. November 2014, GZ 2 R 278/14b‑364, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Bruck an der Mur vom 2. April 2014, GZ 6 P 112/97w‑340, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0010OB00237.14F.0303.000

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Das Erstgericht änderte den Wirkungskreis des für den Betroffenen bestellten Sachwalters von der Verwaltung und Verfügung über das Liegenschaftsvermögen, der Besorgung aller finanziellen Angelegenheiten mit Ausnahme der monatlichen Erwerbsunfähigkeitspension und der Vertretung gegenüber Ämtern, Behörden und privaten Vertragspartnern dahin ab, dass dem Sachwalter die Vertretung vor Gerichten, Behörden und Sozialversicherungsträgern, die Verwaltung von Einkünften, Vermögen und Verbindlichkeiten und die Vertretung bei Rechtsgeschäften, die über die Geschäfte des täglichen Lebens hinausgehen, übertragen wurde.

Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluss und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

In seinem außerordentlichen Revisionsrekurs wendet sich der Betroffene gegen die Einbeziehung seiner bis dahin ihm selbst vorbehaltenen monatlichen Erwerbsunfähigkeitspension in die Verwaltung durch den Sachwalter.

1. Vermag eine volljährige Person, die an einer psychischen Krankheit leidet oder geistig behindert ist (behinderte Person), alle oder einzelne ihrer Angelegenheiten nicht ohne Gefahr eines Nachteils für sich selbst zu besorgen, so ist ihr auf ihren Antrag oder von Amts wegen dazu ein Sachwalter zu bestellen (§ 268 Abs 1 ABGB). Je nach Ausmaß der Behinderung sowie Art und Umfang der zu besorgenden Angelegenheiten ist der Sachwalter ua mit der Verwaltung eines Teils oder des gesamten Vermögens zu betrauen (§ 268 Abs 3 Z 2 ABGB). Nur sofern dadurch das Wohl der behinderten Person nicht gefährdet wird, kann das Gericht bestimmen, dass die Verfügung oder Verpflichtung hinsichtlich bestimmter Sachen, des Einkommens oder eines bestimmten Teils davon vom Wirkungsbereich des Sachwalters ausgenommen ist (§ 268 Abs 4 ABGB).

2.1. Die Frage, in welchem Umfang aufgrund einer festgestellten Behinderung nach § 268 ABGB ein Sachwalter zu bestellen ist, entzieht sich zufolge der Einzelfallbezogenheit generellen Aussagen und ist damit regelmäßig keine Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG (vgl RIS‑Justiz RS0106744; 8 Ob 49/10d = RS0106166 [T10]). Der Umfang in dem einem Betroffenen Beträge aus seinem Vermögen laufend zur Verfügung zu stellen sind, ist im Gesetz (nach wie vor) nicht ausdrücklich geregelt, sodass nach früherer Rechtslage (§ 16 AußStrG 1854 in der Stammfassung) diesbezüglich die Annahme einer offenbaren Gesetzwidrigkeit nicht in Betracht kam (RIS‑Justiz RS0087153).

2.2. Bei der Argumention des Revisionsrekurswerbers, der Wirkungskreis eines Sachwalters dürfe nicht ausgeweitet werden, dass dem Betroffenen die Verfügungsberechtigung auch über das Existenzminimum entzogen werde, weil er dadurch schlechter gestellt werde als ein Gesunder, lediglich eine Verschwendung seiner Berufsunfähigkeitspension hätte eine Ausweitung des Wirkungskreises des Sachwalters gerechtfertigt, übersieht er zum einen, dass die zum Schutz des Betroffenen angeordnete und immer mit einer Einschränkung seiner Selbstbestimmung verbundene Sachwalterschaft darauf beruht, dass dieser gerade nicht gesund ist, sondern an einer psychischen Krankheit leidet oder geistig behindert ist. Zum anderen lässt er außer Acht, dass die Geldmittel hier ‑ anders als im Wege einer Exekution zugunsten einer Forderung eines Gläubigers ‑ dem Betroffenen nicht „entzogen“, sondern bloß zu seinem Schutz unter die Verwaltung des Sachwalters gestellt werden.

Den Betroffenen belasten ‑ wie von ihm auch zugestanden ‑ Schulden („Altverbindlichkeiten“) und er verfügt über weitere Vermögenswerte (Liegenschaften, darunter auch jene, auf der er wohnt), die zu deren Abdeckung im Rahmen einer Exekution heranzogen werden könnten. Es bedarf daher einer wirtschaftlich vernünftigen Abwägung, ob diese Altverbindlichkeiten in einer Evaluierung aller Umstände zum Vorteil des Betroffenen aus den laufenden Einkünften oder besser durch die Verwertung der Liegenschaften befriedigt werden sollen. Schon die Zahlung geringerer Beträge könnte im vorliegenden Fall eine drohende Versteigerung der Liegenschaften und das Entstehen der damit verbundenen Kosten des Exekutionsverfahrens abwenden, sowie dem Betroffenen die Möglichkeit des (unentgeltlichen) Wohnens erhalten. Drohen aber damit dem Betroffenen erhebliche Nachteile am Vermögen (der Verlust der Liegenschaften und seiner derzeitigen Wohnmöglichkeit), kann in der Beurteilung durch die Vorinstanzen, die Berufsunfähigkeitspension nicht mehr weiterhin von der Vermögensverwaltung durch den Sachwalter auszunehmen, jedenfalls keine aufzugreifende Fehlbeurteilung erkannt werden, hat doch der Sachwalter ohnehin danach zu trachten, dass die behinderte Person im Rahmen ihrer Fähigkeiten und Möglichkeiten ihre Lebensverhältnisse nach ihren Wünschen und Vorstellungen gestalten kann, und muss er Vermögen oder Einkommen vorrangig zur Deckung der den persönlichen Lebensverhältnissen entsprechenden Bedürfnisse der behinderten Person verwenden (§ 281 Abs 1 und 3 ABGB).

Der außerordentliche Revisionsrekurs ist daher zurückzuweisen.

3. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG).

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