OGH 8Ob7/15k

OGH8Ob7/15k26.2.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsrekursgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Spenling als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Tarmann‑Prentner, die Hofräte Mag. Ziegelbauer und Dr. Brenn und die Hofrätin Dr. Weixelbraun‑Mohr als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj L***** M*****, geboren am *****, wohnhaft bei seiner Mutter K***** M*****, diese vertreten durch Dr. Gerald Albrecht, Rechtsanwalt in Wien, wegen Obsorge, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Mutter gegen den Beschluss des Landegerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 9. Dezember 2014, GZ 44 R 519/14w‑66, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0080OB00007.15K.0226.000

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 AußStrG zurückgewiesen (§ 71 Abs 3 AußStrG).

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1.  Die geltend gemachten Verfahrensmängel und sekundären Feststellungsmängel liegen ‑ wie der Oberste Gerichtshof geprüft hat ‑ nicht vor.

2.1  Die Frage, ob die Obsorge beider Eltern dem Kindeswohl entspricht und ob mit einer sinnvollen Ausübung der beiderseitigen Obsorge zu rechnen ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab und eröffnet dem Familiengericht auf Basis der gesetzlichen Kriterien des § 138 ABGB einen Ermessensspielraum. In einem solchen Fall kann eine erhebliche Rechtsfrage nur bei eklatanter Überschreitung des Ermessensspielraums durch das Rechtsmittelgericht vorliegen (RIS‑Justiz RS0044088; vgl auch RS0128812 [T5]).

2.2  Im Gegensatz zur Rechtslage vor dem KindNamRÄG 2013 soll nunmehr die Obsorge beider Elternteile eher die Regel sein (3 Ob 103/13p). Der Zugang beider Eltern zur Obsorge soll demnach nicht durch einen Elternteil nur aus eigenen Interessen verhindert werden können (vgl dazu Beck , Obsorgezuweisung neu, in Gitschthaler , KindNamRÄG 2013, 175 [189]). Für die Anordnung der beiderseitigen Obsorge‑  auch gegen den Willen eines Elternteils ‑ ist die Beurteilung maßgebend, ob die Interessen des Kindes auf diese Weise am besten gewahrt werden können und welche Anliegen und Vorstellungen das urteilsfähige Kind selbst dazu äußert. Auch nach der neuen Rechtslage stellt der Wille des Kindes ein in dieser Hinsicht relevantes Kriterium dar (RIS‑Justiz RS0048820).

Richtig ist, dass nach der Rechtsprechung eine sinnvolle Ausübung der Obsorge beider Eltern ein gewisses Mindestmaß an Kooperations- und Kommunikationsfähigkeit voraussetzt. Zumindest in absehbarer Zeit ist die (Wieder-)Herstellung einer entsprechenden Gesprächsbasis zu verlangen (vgl RIS‑Justiz RS0128812). Ob und unter welchen Voraussetzungen damit zu rechnen ist, hängt wiederum von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab. Das Familiengericht kann zu diesem Zweck durchaus auch Maßnahmen nach § 107 Abs 3 AußStrG anordnen. Eine gesetzliche Vorgabe dahin, dass die Obsorgeentscheidung in jedem Fall erst nach einer Anordnung von Maßnahmen nach § 107 Abs 3 AußStrG und Eintreten des angestrebten Ergebnisses getroffen werden dürfte, besteht nicht.

3.  Die Vorinstanzen haben diese Grundsätze nicht verkannt. Wenn sie unter Hinweis auf die besonderen Umstände des Anlassfalls, insbesondere mit Rücksicht auf das Alter, die Einsichts- und Urteilsfähigkeit sowie den erklärten Wunsch des schon bald volljährigen Kindes, eine beiderseitige Obsorge als im Interesse des Kindes zweckmäßig erachten und davon ausgehen, dass im Rahmen der begleitend angeordneten Erziehungsberatung konkret zu erwarten ist, dass auch die Mutter den Wunsch ihres mittlerweile fast 18‑jährigen Sohnes respektieren und ihr bisheriges Verhalten ändern wird, ist eine Überschreitung des eingeräumten Ermessensspielraums noch nicht anzunehmen.

Mangels erheblicher Rechtsfrage war der außerordentliche Revisionsrekurs zurückzuweisen.

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