OGH 4Ob10/15x

OGH4Ob10/15x17.2.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Jensik, Dr. Musger, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Rassi als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A***** AG, *****, vertreten durch Ebert Huber Swoboda Oswald & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei 1. P***** GmbH, *****, und 2. W***** W*****, beide vertreten durch Dr. Fabian Maschke, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung (Streitwert 34.900 EUR) und Urteilsveröffentlichung (Streitwert 100 EUR), über den Rekurs der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien vom 30. Oktober 2014, GZ 4 R 169/14y‑31, mit welchem infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Landesgerichts St. Pölten vom 21. Juli 2014, GZ 2 Cg 109/13k-27, aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0040OB00010.15X.0217.000

 

Spruch:

Der Rekurs wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei hat die Kosten der Rekursbeantwortung selbst zu tragen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Die vom Berufungsgericht als erheblich bezeichneten Rechtsfragen sind durch die inzwischen ergangenen Entscheidungen 4 Ob 145/14y und 4 Ob 200/14m geklärt.

Auch im vorliegenden Verfahren wird als Vorfrage zu prüfen sein, ob die Regelungen des österreichischen Glücksspielmonopols der Dienstleistungsfreiheit des Unionsrechts widersprechen. Dabei können die vom EuGH zu Verwaltungs- bzw Strafverfahren getroffenen Aussagen über die Darlegungspflicht des Staates (zuletzt etwa C‑390/12, Pfleger) in einem zivilrechtlichen Verfahren schon mangels Parteistellung des Staates nicht unmittelbar herangezogen werden (2 Ob 243/12t). Grundsätzlich ist die Vereinbarkeit von nationalem Recht mit Unionsrecht ohnehin als Rechtsfrage von Amts wegen zu prüfen, sodass sich Fragen zu einer derartigen Darlegungspflicht (Behauptungslast) nicht stellen. Können aber bei Regelungen, bei denen ‑ wie hier ‑ sowohl der Wortlaut als auch die erklärte Zielsetzung des Gesetzgebers (vgl etwa die Materialien zur GSpG‑Nov 2010, BGBl I 2010/73: 657 BlgNR 24. GP 3 [RV], 784 BlgNR 24. GP 1 [AB]) gegen die Annahme eines Unionsrechtsverstoßes sprechen, ausnahmsweise tatsächliche Umstände zu einem anderen Ergebnis führen, so hat sich diese Prüfung grundsätzlich an diesbezüglichen Parteienbehauptungen zu orientieren. Dabei trifft hier die Beklagten die Verpflichtung zur Behauptung entsprechender Tatsachen, weil es sich beim Einwand der Unionsrechtswidrigkeit um eine anspruchsvernichtende Einwendung handelt (vgl RIS-Justiz RS0106638; RS0109287). Da allerdings die Geltung oder Anwendbarkeit eines Gesetzes letztlich nicht von Behauptungen oder Beweisanboten einer Partei abhängen kann, wird das Erstgericht dann, wenn es aufgrund konkreter Anhaltspunkte Zweifel an der Unionsrechtskonformität des Glücksspielrechts haben sollte, auch von Amts wegen entsprechende Beweise aufnehmen und Feststellungen treffen müssen. Verbleiben letztendlich Zweifel über die zu prüfenden Tatsachen, liegt also ein non liquet vor, geht das zu Lasten des damit beweisbelasteten Beklagten (RIS-Justiz RS0037797).

Erweisen sich die Regelungen des Glücksspielrechts aufgrund von deren tatsächlichen Auswirkungen als unionsrechtswidrig, bestünden wegen der dann drohenden Inländerdiskriminierung Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des Glücksspielmonopols. Dies müsste zu einer Anfechtung der relevanten Bestimmungen ‑ also zumindest der Anordnung eines Monopols (§ 3 GSpG), der Bezeichnung von nicht ausdrücklich erlaubten oder vom Monopol ausgenommenen Ausspielungen als verboten (§ 2 Abs 4 GSpG) und der entsprechenden Verwaltungsstrafbestimmung (§ 52 Abs 1 Z 1 GSpG) ‑ beim Verfassungsgerichtshof führen. Nach einer abweisenden Entscheidung des Erstgerichts stünde dem Beklagten zudem ein Parteiantrag auf Normenkontrolle iSv Art 140 Abs 1 Z 1 lit d B-VG offen. Die Beurteilung der Frage, ob eine verfassungsrechtlich relevante Inländerdiskriminierung das tatsächliche Tätigwerden von ausländischen Anbietern auf dem österreichischen Markt voraussetzt oder ob eine solche Diskriminierung für eine gewisse Zeit zur Herstellung einer unionsrechtskonformen Rechtslage hinzunehmen ist (vgl G 41/10 ua, VfSlg 19.529), obläge ausschließlich dem Verfassungsgerichtshof.

Die im Rekurs aufgeworfene Frage, ob sich ausländische Anbieter nur dann auf die Dienstleistungsfreiheit stützen könnten, wenn sie in ihrem Herkunftsland zu entsprechenden Angeboten befugt wären, stellt sich im vorliegenden Verfahren nicht, da es sich hier um einen reinen Binnenfall handelt. Eine verfassungswidrige Inländerdiskriminierung könnte auch dann vorliegen, wenn sich nicht alle, sondern nur bestimmte ausländische Unternehmen auf die Dienstleistungsfreiheit berufen könnten. Auch die Beurteilung dieser Frage obläge letztlich dem Verfassungsgerichtshof.

Wenn das Berufungsgericht - ausgehend von der vom Obersten Gerichtshof geteilten Rechtsansicht - eine endgültige Beurteilung als noch nicht möglich erachtet, kann der Oberste Gerichtshof, der nicht Tatsacheninstanz ist, dem nicht entgegen treten (RIS-Justiz RS0042179 [T17]).

Eine Rechtsfrage erheblicher Bedeutung liegt somit nicht vor. Der Rekurs ist daher als unzulässig zurückzuweisen.

Ein Kostenersatzanspruch der Beklagten besteht nicht, weil sie nicht auf die Unzulässigkeit hingewiesen haben.

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