OGH 2Ob243/12t

OGH2Ob243/12t27.11.2013

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Baumann als Vorsitzenden, den Hofrat Dr. Veith, die Hofrätin Dr. E. Solé und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Andreas K*****, vertreten durch Greiml & Horwath Rechtsanwaltspartnerschaft in Graz, gegen die beklagten Parteien 1. b***** I***** Ltd., *****, und 2. b***** E***** Ltd., *****, beide *****, Malta, beide vertreten durch Saxinger Chalupsky & Partner Rechtsanwälte GmbH in Linz, wegen 950.000 EUR sA, über die Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 13. September 2012, GZ 3 R 99/12t‑18, womit das Urteil des Landesgerichts Linz vom 22. März 2012, GZ 1 Cg 190/11y‑14, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

I. Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben und die Rechtssache wird an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten.

II. Der Schriftsatz der beklagten Parteien vom 21. Oktober 2013 wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Der Kläger, ein Verbraucher im Sinne des KSchG, verspielte ab März 2010 über die Homepage der Beklagten den Klagsbetrag beim „Online‑Roulette“. Er hatte dieses Geld bei seinem früheren Arbeitgeber veruntreut.

Die Beklagten sind Teil einer multinationalen Gruppe bestehend aus der Muttergesellschaft, der b***** AG mit Sitz in Düsseldorf, deren Tochtergesellschaft, der in Linz ansässigen b***** E***** GmbH, die wiederum eine Tochtergesellschaft maltesischen Rechts, die b***** H***** Ltd gründete. Letztere verfügt über drei Tochtergesellschaften, nämlich die beiden Beklagten sowie die b***** I***** Ltd, die alle ihren Sitz in Malta haben.

Die Beklagten bieten über das Internet Glücksspiele und Sportwetten an, wobei die Zweitbeklagte für Online‑Glücksspiele über eine aufrechte maltesische „Class I Remote Gaming Licence“ und die Erstbeklagte über eine für Online‑Sportwetten aufrechte maltesische „Class II Remote Gaming Licence“ verfügt. Eine österreichische Lizenz nach dem Glücksspielgesetz besitzen die Beklagten nicht.

Über ihre Internetadresse „www.b***** “ werden insbesondere Glücksspiele wie Poker, Black Jack aber auch Roulette und Glücksspiele an virtuellen Automaten angeboten. All diese können mit unbegrenzt hohen Einsätzen gespielt werden. An dieser Onlineplattform kann man auch aus Österreich teilnehmen, die Seite ist in Österreich abrufbar und wird in mehreren Sprachen, darunter Deutsch, angeboten. Der Vertragsabschluss erfolgt direkt auf der Homepage.

In Österreich verfügen lediglich die Ö***** Gesellschaft mbH für den Lotteriebereich und die C***** AG für den Spielbankenbereich über die nach dem Glücksspielgesetz vorgesehenen Lizenzen zur Durchführung von Wetten und Glücksspielen. Diese bewerben die Glücksspiele, wie auch Roulette, in allen dafür in Frage kommenden Medien, wie TV, Zeitschriften, Online etc, wo insbesondere Luxus und hohe Gewinnerwartungen suggeriert werden, ohne auf Gefahren des Glücksspiels hinzuweisen. Der Werbeaufwand ist „enorm“.

Der Kläger begehrt 950.000 EUR mit dem Hinweis, diesen Betrag beim sogenannten Online‑Roulette im Zeitraum ab März 2010 verspielt zu haben. Die Beklagten verfügten über keine Konzession nach dem österreichischen Glücksspielgesetz, sie hätten daher in verbotener Weise Online‑Roulette angeboten und damit gegen das Glücksspielgesetz sowie § 168 StGB verstoßen.

Die Beklagten wandten, soweit für das Revisionsverfahren noch von Interesse, ein, dass sie über eine aufrechte Glücksspielkonzession nach maltesischem Recht verfügten und kein verbotenes Glücksspiel betrieben. Das österreichische Glücksspielgesetz sei unionsrechtswidrig. Die vom EuGH in der Rechtssache Dickinger/Ömer judizierten Voraussetzungen für die Einschränkung der unionsrechtlich normierten Dienstleistungsfreiheit seien durch die österreichische Monopolregelung nicht erfüllt, weil kriminelle Aktivitäten im Zusammenhang mit dem Glücksspiel in Österreich kein Problem darstellten und die Geschäftspolitik und das Werbeverhalten des Monopolisten nicht maßvoll und begrenzt sei. Die österreichische Monopolregelung strebe ihre Zielerreichung nicht kohärent und systematisch im Sinne der Rechtsprechung des EuGH an. Daher sei das Online‑Glücksspielangebot der Beklagten nicht verboten und auch nicht rechtswidrig. Im Übrigen treffe den Mitgliedstaat die Beweislast für die Berechtigung des Monopols und deren Eingriff in die primärrechtlich gewährleistete Dienstleistungsfreiheit.

Das Erstgericht wies die Klage ab. Sportwetten und Glücksspiele seien nach der Judikatur des EuGH als Dienstleistungen iSd Art 56 ff AEUV zu qualifizieren und fielen daher in den Schutzbereich der Dienstleistungsfreiheit. Eine Beschränkung sei aus den Zielen der Kriminalitätsbekämpfung und Verringerung der Spielgelegenheiten zulässig. Ein Monopol setze aber voraus, dass tatsächlich kriminelle und betrügerische Aktivitäten im Zusammenhang mit Spielen im betreffenden Mitgliedstaat ein Problem darstellten, dem mit einer Ausweitung der geregelten Tätigkeiten abgeholfen werden könne. Insoweit sei auch eine maßvolle Werbung zulässig. Eine Maximierung der Staatskasse sei dagegen kein Rechtfertigungsgrund für die Beschränkung des Dienstleistungsverkehrs.

Der österreichische Monopolist betreibe eine aggressive Bewerbung seiner Glücksspiele, die darauf abziele, neue Verbrauchergruppen zu gewinnen und nicht darauf, einer Ausweitung im Interesse des Verbraucherschutzes entgegenzuwirken. Das österreichische Glücksspielmonopol in seiner derzeitigen Ausgestaltung sei daher unionsrechtswidrig, weshalb die Monopolbestimmungen der §§ 14, 21 GSpG infolge Widerspruchs gegen das unmittelbar anwendbare Gemeinschaftsrecht verdrängt würden. Die Beklagten seien daher berechtigt, die gegenständlichen Dienstleistungen in Österreich anzubieten; eine Schutzgesetzverletzung liege nicht vor.

Das Berufungsgericht gab in Abänderung dieser Entscheidung der Klage zur Gänze statt. Es verwarf die Nichtigkeitsberufung und sah im Hinblick auf die bereits bestehende Judikatur des EuGH keine Notwendigkeit zur Einholung einer Vorabentscheidung. Nach § 1272 ABGB bestimmten die politischen Gesetze, welche Spiele überhaupt oder für besondere Klassen verboten seien. Nach der Judikatur seien all jene Spiele als verboten iSd § 1174 Abs 2 ABGB zu qualifizieren, die § 168 StGB und § 1 GSpG entsprächen, also zufallsabhängig ausgestaltet seien. Eine allfällige Beseitigung der nationalen monopolistischen Regelungen führe daher nicht automatisch zur zivilrechtlichen Zulässigkeit des in Österreich angebotenen Online‑Roulettes der Beklagten. Da Online‑Roulette in Österreich nur im Zusammenhang mit einer Lizenz nach § 14 iVm § 12a GSpG zivilrechtlich legal angeboten werden dürfe, die Beklagten über eine solche aber nicht verfügten, liege im Gegensatz zur Ansicht des Erstgerichts die gesamte Beweislast für die Nichtanwendbarkeit des Glücksspielgesetzes und des Verstoßes gegen die Dienstleistungsfreiheit und für die Berechtigung des Online‑Roulettes in Österreich, zivilrechtlich gesehen auf Seiten der Beklagten.

Die maltesischen Lizenzen seien ohne Bedeutung, weil nach dem Unionsrecht keine Verpflichtung zur gegenseitigen Anerkennung der von verschiedenen Mitgliedstaaten auf dem Glücksspielsektor erteilten Erlaubnisse bestehe. Zwar könnten die Staaten die grundsätzlich im Zusammenhang mit dem Glücksspiel mögliche Rechtfertigung der Einschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs im Hinblick auf die von ihnen nach ihrem Ermessen zu wählenden Ziele bei der Bekämpfung des Glücksspiels frei wählen, ein Monopol müsse aber darauf abzielen, ein besonders hohes Verbraucherschutzniveau zu gewährleisten, einer strikten behördlichen Kontrolle unterliegen und dürfe dem nationalen Inhaber des Monopols nur dann eine Expansionspolitik ermöglichen, wenn im Zusammenhang mit Spielen und Spielsucht ein Kriminalitätsproblem bestehe und die maßvolle Expansion darauf abziele, Teilnehmer von illegalen Spielen zur Teilnahme an legalen Spielen anzuregen. Insoweit bestehe auch kein Werbeverbot.

Das österreichische Glücksspielgesetz einschließlich seines Monopols bezwecke den Jugend‑ und Spielerschutz und wolle mit dem Glücksspiel einhergehenden Gefahren wie Spielsucht und Kriminalität begegnen. Es solle der Spieltrieb des Menschen in geordnete Bahnen gelenkt werden und von staatlicher Seite kontrolliert werden. Neben diesen ordnungspolitischen Zielen verfolge das Glücksspielmonopol auch finanzpolitische Erwägungen in Form von Abgabenleistungen als „erfreuliche Nebenfolge“ des Glücksspielmonopols.

Die unionsrechtliche Prüfung habe nach der Entscheidung EuGH C‑46/08, Carmen Media, Rn 16, für jede nationale Beschränkung im Bereich des Glücksspiels gesondert zu erfolgen. Ausgehend von einer Beweislast der Beklagten müssten diese eine den Zielen des Glücksspielgesetzes widersprechende unkontrollierte Expansionspolitik des Konzessionärs in Bezug auf Roulette darlegen. Die allgemein behauptete expansionistische Praxis der Monopolisten bzw die auf das Roulette bezogenen Werbeeinschaltungen betreffend „Muttertag“ und „Damentag“, zeigten keine unkontrollierte Expansionspolitik auf, sondern lediglich den auch mit einer restriktiven Geschäftspolitik in Einklang zu bringenden Versuch Kunden an sich zu binden. Ein inkohärentes Glücksspielmonopol in Bezug auf Roulette werde daher von den Beklagten nicht aufgezeigt, weshalb das Anbieten von Roulette via Internet durch die Beklagten als unerlaubt und die mit dem Kläger abgeschlossenen Online‑Roulette‑Verträge als unwirksam einzustufen seien. Die Beklagten hätten daher dem Kläger die Einsätze zurückzubezahlen.

Die ordentliche Revision sei zulässig, weil der Oberste Gerichtshof bisher das Glücksspielmonopol noch nicht auf seine unionsrechtliche Rechtfertigung geprüft habe und sich auch die Frage erhebe, ob nicht auch dann, wenn man es als unionsrechtswidrig beurteilte, das von der Beklagten angebotene Online‑Roulette verboten und ungültig bleibe.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der Beklagten aus den Revisionsgründen der unrichtigen rechtlichen Beurteilung, Aktenwidrigkeit und Verfahrensmängel mit dem Abänderungsantrag, die erstinstanzliche Entscheidung wiederherzustellen. In eventu wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Kläger strebt in seiner Revisionsbeantwortung die Bestätigung der Berufungsentscheidung an.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Beklagten ist im Hinblick auf die vom Berufungsgericht aufgeworfenen Rechtsfragen zulässig, sie ist mit ihrem Aufhebungsantrag auch berechtigt.

I. Revisionsvorbringen:

Die Revision legt unter ausführlicher Darlegung von Literatur und Judikatur ‑ insbesondere des EuGH zum Glücksspielsektor ‑ zusammengefasst dar, dass das Berufungsgericht die Tragweite und Wirkung des Vorrangs des Unionsrechts verkannt habe und zu Unrecht davon ausgegangen sei, dass die österreichische Glücksspielmonopolregelung im Bereich der Ausspielungen nach Unionsrecht gerechtfertigt sei. Die Beklagten seien Begünstigte der Dienstleistungsfreiheit des Unionsrechts und deren Vorrang von den mitgliedstaatlichen Gerichten unmittelbar wahrzunehmen. Nationale Normen, die dem Unionsrecht entgegenstünden, seien nicht anzuwenden. Das Glücksspielmonopol und das darauf basierende Konzessionssystem seien unionsrechtswidrig, weil den vom EuGH entwickelten Vorgaben einer mitgliedstaatlichen Beschränkung in zahlreichen Punkten nicht entsprochen werde. Es sei dazu eine Rechtfertigungs-, Verhältnismäßigkeits‑ und Kohärenzprüfung durchzuführen sowie die Eignung der innerstaatlich getroffenen Regelungen und deren Erforderlichkeit und Angemessenheit ebenso zu prüfen wie die diskriminierende Anwendung. Diese Prüfung habe das Berufungsgericht unterlassen. Die lediglich auf das Roulette eingeschränkte isolierte Kohärenzprüfung lasse sich aus der dafür vom Berufungsgericht angeführten EuGH‑Judikatur nicht ableiten, sondern sei eine Gesamtbetrachtung notwendig. Das Berufungsgericht habe Art 56 AEUV fehlerhaft angewendet und verabsäumt, die Eignung einer Alleinkonzessionsregelung an Hand der vom EuGH entwickelten Kriterien zu prüfen.

Weiters habe das Berufungsgericht zu Unrecht die Beweislast der Beklagten für das Nichtvorliegen der Verhältnismäßigkeit und Kohärenz der mitgliedstaatlichen Restriktion der Dienstleistungsfreiheit angenommen. Der Vorrang des Unionsrechts sei von Amts wegen wahrzunehmen. Im vorliegenden Fall berufe sich der Kläger auf die ausnahmsweise Anwendbarkeit der die Dienstleistungsfreiheit beschränkenden nationalen Regelungen.

Auch habe das Berufungsgericht die Reichweite des Vorrangs der Dienstleistungsfreiheit verkannt, weil nach der Judikatur des EuGH sämtliche nationalen Regelungen, die eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs darstellten, unanwendbar seien. Es müsse nicht nur das Monopol bzw die Konzession des Glücksspielgesetzes dem Unionsstandard entsprechen, sondern die gesamte mitgliedstaatliche Rechtsordnung, auch und vor allem das Strafrecht, das eine solche unionsrechtswidrige Regelung verstärke.

Auch sei keine Untersuchung zur Einschränkung der Dienstleistungsfreiheit im Sinne der vom EuGH geforderten Betrachtung der Kriminalitätsproblematik und der allfälligen Abhilfe durch ein Monopolsystem mit kontrollierter Expansion durchgeführt worden. Als Verfahrensmangel wird weiters gerügt, dass keine Berufungsverhandlung anberaumt worden sei und dass eine Überraschungsentscheidung iSd § 182a ZPO vorliege.

Das Erstgericht habe seine Feststellungen zu den Werbeaktivitäten der Ö***** GmbH auch auf das Roulette bezogen. Dies habe das Berufungsgericht aktenwidrig selbst bei der alleine auf das Online‑Roulette beschränkten Prüfung nicht berücksichtigt.

Die Revisionswerber meinen abschließend, der EuGH habe in den zitierten Entscheidungen sehr präzise festgestellt, unter welchen Voraussetzungen eine mitgliedstaatliche Glücksspielregelung mit den Grundfreiheiten vereinbar sei und welche Prüfschritte vorzunehmen seien. Für den Fall, dass dennoch offene Fragen bestehen sollten, werde ein Vorabentscheidungsersuchen angeregt.

II. Der Kläger hält in seiner Revisionsbeantwortung die Einholung einer Vorabentscheidung im Hinblick auf die vorliegende Judikatur des EuGH nicht für notwendig. Faktum sei, dass das Online‑Roulette in Österreich nur im Rahmen einer Lizenz nach § 14 iVm § 12a GSpG angeboten werden dürfe und die Beklagten eine solche Konzession nicht besäßen. Gerade der Spielerschutz sei ein großes Anliegen auf europäischer Gesetzgebungsebene. Nach Unionsrecht bestehe keine Verpflichtung zur gegenseitigen Anerkennung der von verschiedenen Mitgliedstaaten erteilten Erlaubnisse zur Durchführung von Glücksspielen. Die Mitgliedstaaten seien im Rahmen des Unionsrechts auch berechtigt, die Durchführung solcher Glücksspielveranstaltungen von einer im Inland erteilten Erlaubnis abhängig zu machen. Die Beklagten hätten das Online‑Roulette ohne entsprechende nationale Lizenz angeboten, weshalb die Judikatur des EuGH heranzuziehen sei, die auf ein besonderes Verbraucherschutzniveau abziele und absichere, dass Inhaber von Monopolen die festgelegten Ziele mit einem Angebot verfolgten, das quantitativ und qualitativ auf diese Ziele ausgerichtet sei und einer strikten behördlichen Kontrolle unterliege. Die Beklagten hätten sich den strengen Bestimmungen des Spielerschutzes in Österreich entzogen, was dem Grundgedanken des Monopols widerspreche.

III. Innerstaatliche Rechtslage:

III.1. ABGB:

Nach § 1267 ABGB ist ein Vertrag, wodurch die Hoffnung eines noch ungewissen Vorteils versprochen und angenommen wird, ein Glücksvertrag. Eine Wette entsteht gemäß § 1270 ABGB, wenn über ein beiden Teilen noch unbekanntes Ereignis ein bestimmter Preis zwischen ihnen für denjenigen, dessen Behauptung der Erfolg entspricht, verabredet wird. Nach § 1272 ABGB ist jedes Spiel eine Art von Wette. Die für Wetten festgesetzten Rechte gelten daher auch für Spiele. Welche Spiele überhaupt, oder für besondere Klassen verboten; wie Personen, die verbotene Spiele betreiben, und diejenigen, die ihnen dazu Unterschleif geben, zu bestrafen sind, bestimmen die politischen Gesetze.

Sind Wette und Spiel erlaubt, begründen sie eine unklagbare Naturalobligation. Ein bereits bezahlter Preis kann daher nicht zurückverlangt werden (vgl Karner in KBB³ §§ 1267 ‑ 1274 ABGB Rz 6). Verbotene Spiele sind dagegen, worauf bereits das Berufungsgericht verwiesen hat, ungültig (§ 879 ABGB), wobei nach der Judikatur des Obersten Gerichtshofs grundsätzlich all jene Spiele als verboten zu qualifizieren sind, die iSd § 1 Abs 1 GSpG und § 168 Abs 1 StGB vom Zufall abhängen (6 Ob 118/12i; Karner aaO Rz 9; vgl Nowotny in Kletečka/Schauer, ABGB‑ON § 1267 Rz 9 sowie § 1272 ABGB Rz 7).

III.2. Glücksspielgesetz:

Als Glücksspiele definiert § 1 Abs 1 GSpG solche Spiele, bei denen die Entscheidung über das Spielergebnis ausschließlich oder vorwiegend vom Zufall abhängt. Abs 2 leg cit zählt dazu unter anderem auch das im vorliegenden Fall durchgeführte Roulette.

§ 3 GSpG behält das Recht zur Durchführung von Glücksspielen, soweit dieses Bundesgesetz nichts anderes bestimmt, dem Bund vor (Glücksspielmonopol). § 4 GSpG regelt Ausnahmen vom Glücksspielmonopol, die im vorliegenden Fall aber unbestrittenermaßen nicht zutreffen.

§ 12a GSpG regelt elektronische Lotterien und andere Glücksspiele als Ausspielungen, bei denen die Spielteilnahme unmittelbar durch den Spieler über elektronische Medien erfolgt und die Entscheidung über das Spielergebnis zentralseitig herbeigeführt sowie über elektronische Medien zur Verfügung gestellt wird. Auf den Konzessionär (§ 14 GSpG) sind bei der Durchführung von elektronischen Lotterien die Bestimmungen des § 25 Abs 6 bis 8 und des § 25a GSpG sinngemäß anzuwenden.

§ 14 GSpG enthält Regelungen über die Konzession zur Übertragung bestimmter Lotterien durch den Bundesminister für Finanzen. Die Bestimmung sieht in ihrer seit 15. 12. 2012 geltenden Fassung vor, dass der Konzessionserteilung eine öffentliche, den Grundsätzen der Transparenz und der Nichtdiskriminierung entsprechende Interessentensuche voranzugehen hat.

§ 21 GSpG sieht eine ähnliche Konzession für den Betrieb von Spielbanken vor.

§ 25 GSpG enthält Regelungen über die Rechte und Pflichten im Verhältnis zwischen Spielbank und Spielbankbesucher und insbesondere die Haftung der Spielbank im Zusammenhang mit Spielverlusten. Die Spielerschutzbestimmung des § 25 Abs 3 GSpG soll nach 6 Ob 61/12g nicht (analog) auf die elektronische Lotterie des § 12a GSpG (Glücksspiel im Internet) anzuwenden sein (in jenem Fall wurde ‑ anders als hier ‑ ein Wochenlimit festgestellt).

III.3. Strafrecht:

Gemäß § 168 Abs 1 StGB ist mit einer Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder einer Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen, wer ein Spiel, bei dem Gewinn und Verlust ausschließlich oder vorwiegend vom Zufall abhängen oder das ausdrücklich verboten ist, veranstaltet oder eine zur Abhaltung eines solchen Spiels veranstaltete Zusammenkunft fördert, um sich oder einem anderen aus dieser Veranstaltung oder Zusammenkunft einen Vermögensvorteil zuzuwenden, sofern nicht bloß zu gemeinnützigen Zwecken, zum Zeitvertreib oder um geringe Beträge gespielt wird. Ebenso ist zu bestrafen, wer sich gewerbsmäßig an einem solchen Spiel beteiligt (Abs 2 leg cit).

Spiele, die aufgrund gesetzlich vorgesehener Konzessionen oder behördlicher Bewilligungen stattfinden, sind nicht rechtswidrig. Die Veranstaltung und Förderung dieser Glücksspiele sowie die gewerbsmäßige Spielteilnahme sind gerechtfertigt und nicht nach § 168 StGB strafbar. Kann eine Konzession oder Bewilligung aufgrund unionsrechtswidriger Bestimmungen des GSpG nicht erlangt werden, so ist § 168 StGB nicht anzuwenden (Kirchbacher in WK² StGB § 168 Rz 18).

IV. Judikatur des EuGH zum Glücksspiel:

IV.1. Bereits vor dem Beitritt Österreichs zur Europäischen Union hat der EuGH in seiner Entscheidung vom 24. 3. 1994, C‑275/92 ( Schindler ) ausgesprochen, dass die Veranstaltung einer Lotterie zu den Dienstleistungen im Sinne des damaligen EWG‑Vertrags zähle und daher nationale Vorschriften, die die Durchführung von Lotterien verbieten, eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs darstellten. Die Vorschriften des EWG‑Vertrags über die Dienstleistungsfreiheit stünden aber umgekehrt Rechtsvorschriften, die unter Berücksichtigung gerechtfertigter Anliegen der Sozialpolitik und Betrugsbekämpfung Beschränkungen bis hin zum Verbot von Lotterien auf dem Gebiet des Mitgliedstaats vorsehen, nicht entgegen (insbesondere Rz 59). Bereits damals wurde ausgesprochen und in der Folge vielfach wiederholt, dass die sittlichen, religiösen oder kulturellen Erwägungen, die in allen Mitgliedstaaten zu Lotterien ebenso wie zu anderen Glücksspielen angestellt würden, nicht außer Betracht bleiben könnten. Sie seien allgemein darauf gerichtet, die Ausübung von Glücksspielen zu begrenzen oder sogar zu verbieten und zu verhindern, dass sie zu einer Quelle des persönlichen Gewinns würden. Lotterien seien angesichts der Höhe der Beträge, die durch sie eingenommen werden könnten, und der Höhe der Gewinne, die sie den Spielern anbieten könnten, vor allem, wenn sie im größeren Rahmen veranstaltet würden, eine Gefahr für Betrug und andere Straftaten. Außerdem würden sie zu Ausgaben verleiten, die schädliche persönliche und soziale Folgen haben könnten. Diese Besonderheiten würden es rechtfertigen, staatlichen Stellen ausreichendes Ermessen einzuräumen, um festzulegen, welche Erfordernisse sich bezüglich der Art und Weise der Veranstaltung von Lotterien, der Höhe der Einsätze sowie Verwendung der darüber erzielten Gewinne zum Schutz der Spieler der Sozialordnung ergeben. Wenn ein Mitgliedstaat Veranstaltungen großer Lotterien, insbesondere die Werbung für Lose solcher Lotterien und deren Verteilung in seinem Gebiet verbiete, könne das Verbot Werbematerial einzuführen nicht als Maßnahme angesehen werden, die den freien Dienstleistungsverkehr in nicht gerechtfertigter Weise beschränke. Ein solches Einfuhrverbot sei vielmehr für den Schutz, den dieser Mitgliedstaat in seinem Gebiet im Lotteriewesen sicherstellen wolle, erforderlich.

IV.2. In der Entscheidung vom 21. 9. 1999, C‑124/97 ( Läärä ), ging es um die Aufstellung von Geldspielautomaten. Der EuGH legte dar, dass die Bestimmungen des EG‑Vertrags über den freien Dienstleistungsverkehr einer nationalen Regelung, die nur einer öffentlich‑rechtlichen Vereinigung das ausschließliche Recht zum Betrieb von Geldspielautomaten gewähre, unter Berücksichtigung der am Allgemeininteresse ausgerichteten Ziele, die die Regelung rechtfertigten, nicht entgegenstehe. Wieder wies der EuGH darauf hin, dass die Regelung zwar geeignet sei, den Warenverkehr zu behindern, dass sie aber ‑ wie in der Entscheidung Schindler dargelegt ‑ durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt und geeignet sein könne, wenn sie die Verwirklichung der angestrebten Ziele gewährleiste und nicht über das zur Erreichung des Zieles Erforderliche hinausgehe (Rz 31). Zwar sei im Gegensatz zur Entscheidung Schindler die Benutzung von Geldspielautomaten nicht vollkommen verboten, sondern der Betrieb einer zugelassenen öffentlich‑rechtlichen Vereinigung vorbehalten. Wie ein Mitgliedstaat aber den Schutz bei Lotterien oder anderen Glücksspielen ausdehnen wolle, liege in seinem Ermessen. Diesem komme die Beurteilung zu, ob es zur Erreichung der von ihm angestrebten Ziele notwendig sei, derartige Tätigkeiten vollständig oder teilweise zu verbieten oder nur einzuschränken und dazu mehr oder weniger strenge Kontrollformen vorzusehen (Rz 35). Dass das streitige Spiel nicht vollständig verboten sei, genüge für sich alleine nicht, um nachzuweisen, dass die nationale Regelung die am Allgemeininteresse ausgerichteten Ziele nicht wirklich zu erreichen suche. Eine begrenzte Erlaubnis dieser Spiele im Rahmen eines Ausschließlichkeitsrechts, die den Vorteil biete, die Spiellust und den Betrieb der Spiele in kontrollierte Bahnen zu lenken und die Risken eines solchen Betriebs im Hinblick auf Betrug und andere Straftaten auszuschalten, diene der Verwirklichung dieser Ziele (Rz 38). Die Regelung sei daher nicht unverhältnismäßig.

IV.3. Auch in der Rechtssache C‑67/98 ( Zenatti ) vom selben Tag hatte sich der EuGH mit dem Glücksspiel im Zusammenhang mit in Italien eingesammelten Wetten und deren Übermittlung an einen britischen Buchmacher zu beschäftigen. Die streitigen Wetten seien als Glücksspiele anzusehen und mit den in Schindler behandelten Lotterien vergleichbar. Auch in diesem Fall sei nach den innerstaatlichen Rechtsvorschriften die Annahme von Wetten nicht vollständig verboten, sondern behalte das Recht bestimmten Einrichtungen vor. Italienische Rechtsvorschriften würden die Annahme von Wetten durch jene Personen oder Einrichtungen verbieten, die hierfür keine Genehmigung hätten. Dies stelle zwar ein Hindernis für die Dienstleistungsfreiheit dar, sie stehe aber nationalen Rechtsvorschriften, die bestimmten Einrichtungen das Recht zur Annahme von Wetten über Sportereignisse vorbehielten nicht entgegen, wenn diese Rechtsvorschriften tatsächlich durch Ziele der Sozialpolitik, nämlich der Beschränkung der schädlichen Wirkungen solcher Aktivitäten, gerechtfertigt seien und wenn die in ihnen enthaltenen Beschränkungen nicht außer Verhältnis zu diesen Zielen stünden. Es sei Sache des nationalen Gerichts zu überprüfen, ob die nationalen Rechtsvorschriften angesichts ihrer konkreten Anwendungsmodalitäten wirklich Zielen dienten, mit denen sie gerechtfertigt werden könnten.

IV.4. In der Entscheidung vom 11. 9. 2003, C‑6/01 ( Anomar ) ging es wieder um die Aufstellung von Spielautomaten, die nach der nationalen Regelung einem Monopol unterlagen und auf bestimmte Orte beschränkt waren. Der EuGH sprach aus, dass die verschiedenen Gründe, die zum Erlass der innerstaatlichen Regelung über die Glücksspiele geführt hätten, in ihrer Gesamtheit zu würdigen seien. Die Art 49 ff EG stünden solchen Rechtsvorschriften in Anbetracht der Erwägungen der Sozialpolitik und der Betrugsvorbeugung nicht entgegen. Dass andere Mitgliedstaaten Rechtsvorschriften über die Voraussetzung der Veranstaltung von und der Teilnahme an Glücksspielen weniger einschränkend ausgestaltet hätten, sei für die Vereinbarkeit der Regelungen mit dem Gemeinschaftsrecht unerheblich (Rz 81). Es obliege allein den nationalen Stellen, im Rahmen ihres Ermessens die Ziele festzulegen, deren Erreichung sie gewährleisten wollten, und die Mittel zu bestimmen, die ihnen zur Konkretisierung dieser Ziele am besten geeignet erschienen und daher mehr oder weniger strenge Bedingungen für die Veranstaltung von und die Teilnahme an Spielen vorzusehen (Rz 87).

IV.5. Am 6. 11. 2003 sprach der EuGH in der Rechtssache C‑243/01 ( Gambelli ) im Zusammenhang mit über Internet durchgeführte Sportwetten in Italien aus, dass das strafbewehrte Verbot, sich von zu Hause aus über das Internet mit einem Buchmacher mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat in Verbindung zu setzen, zwar eine Beschränkung des Dienstleistungsverkehrs darstelle aber gerechtfertigt sein könne. Unter Verweis auf die Vorjudikatur in Schindler, Läärä und Zenatti wurde ausgeführt, dass die mit Spielen und Wetten einhergehenden schädlichen sittlichen und finanziellen Folgen für den Einzelnen wie für die Gesellschaft ein ausreichendes Ermessen der staatlichen Stellen rechtfertigen könnten, festzulegen, welche Erfordernisse sich aus dem Schutz der Verbraucher und der Sozialordnung ergäben (Rz 63). Es sei Sache des vorlegenden Gerichts zu prüfen, ob die Beschränkungen geeignet seien, die Verwirklichung der ins Auge gefassten Ziele in dem Sinne zu gewährleisten, dass diese kohärent und systematisch zur Begrenzung der Wetttätigkeit beitrügen. Beschränkungen dürften nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung des mit ihnen verfolgten Zieles erforderlich sei.

IV.6. Ebenfalls im Jahr 2003 sprach der EuGH in der Rechtssache C‑42/02 ( Lindman ) aus, dass die steuerliche Diskriminierung von ausländischen Lottogewinnen im Vergleich zu inländischen Art 49 EG widerspreche. Die Rechtfertigungsgründe, die von einem Mitgliedstaat geltend gemacht würden, müssten von einer Untersuchung zur Zweckmäßigkeit und zur Verhältnismäßigkeit der von diesem Staat erlassenen beschränkenden Maßnahmen begleitet werden. Aus den vorgelegten Akten ergebe sich kein Element statistischer oder sonstiger Natur, das einen Schluss auf die Schwere der Gefahren, die mit dem Betreiben von Glücksspielen verbunden seien, oder gar auf einen besonderen Zusammenhang zwischen solchen Gefahren und der Teilnahme der Staatsangehörigen des betreffenden Mitgliedstaats an in anderen Mitgliedstaaten veranstalteten Lotterien zuließe.

IV.7. Die Rechtssache C‑338/04 ua ( Placanica ) vom 6. 3. 2007 hatte für einen britischen Buchmacher in Italien gesammelte Sportwetten zum Inhalt. Der EuGH verwies auf seine bisherige Judikatur. Es sei gesondert für jede mit den nationalen Rechtsvorschriften auferlegte Beschränkung zu prüfen, ob diese geeignet sei, die vom Mitgliedstaat geltend gemachten Ziele zu gewährleisten, oder ob sie über das hinausgehe, was zur Erreichung der Ziele erforderlich sei (Rz 46 ff). Ein Konzessionssystem stelle ein Hemmnis dar, das geeignet sein könne, Gelegenheiten zum Spielen tatsächlich zu vermindern und diese Tätigkeiten daher kohärent und systematisch zu begrenzen. Eine expansive Politik könne ebenfalls dazu geeignet sein, Glücksspieltätigkeiten in kontrollierbare Bahnen zu lenken, um ihre Ausnützung zu kriminellen und betrügerischen Zwecken vorzubeugen. Sie könne dazu führen, dass Spieler, die geheimen Spielen und Wetten nachgingen, dazu veranlasst würden, zu erlaubten und geregelten Tätigkeiten überzugehen. Zur Erreichung dieses Zieles könne es erforderlich sein, dass zugelassene Betreiber eine attraktive Alternative zur verbotenen Tätigkeit bereitstellten, was als solches das Anbot einer breiten Palette von Spielen und einen gewissen Werbeumfang und den Einsatz neuer Vertriebstechniken mit sich bringen könne.

IV.8. In der Rechtssache C‑260/04 vom 13. 9. 2007 ( Kommission gg Italien ) ging es um die Erneuerung von Glücksspielkonzessionen ohne Ausschreibung. Die italienische Regierung habe nicht dargelegt, inwieweit es notwendig gewesen sei, die Durchführung von Auswahlverfahren zu unterlassen. Es sei aber Sache der zuständigen nationalen Behörden, nachzuweisen, dass ihre Regelung einem wesentlichen Interesse iSd Art 45 und 46 EG oder einem durch die Rechtsprechung anerkannten zwingenden Erfordernis des Allgemeininteresses und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspreche.

IV.9. C‑42/07 ( Liga Portuguesa ) vom 8. 9. 2009 betraf das Veranstalten von Sportwetten via Internet, die monopolistisch einer juristischen Person erlaubt waren. Unter Hinweis auf seine Vorentscheidungen und die Rechtfertigungsgründe für die Beschränkungen des Art 46 Abs 1 EG wies der EuGH wiederum auf die Frage der Verhältnismäßigkeit der national vorgesehenen Beschränkungen und die Durchsetzung dieser Regelungen in kohärenter und systematischer Weise hin. Der Glücksspielsektor sei nicht harmonisiert. Dass ein Unternehmer als Wirtschaftsteilnehmer eines Mitgliedstaats dessen rechtlichen Anforderungen und Kontrollen unterliege, müsse daher ein anderer Mitgliedstaat nicht als hinreichende Garantie zum Schutz seiner nationalen Verbraucher ansehen. In Bezug auf das Glücksspiel über Internet sprach der EuGH weiters aus (Rz 70 ff), dass dieses verglichen mit den herkömmlichen Glücksspielmärkten, wegen des fehlenden unmittelbaren Kontakts zwischen dem Verbraucher und dem Anbieter anders geartete und größere Gefahren in sich berge, dahingehend, dass die Verbraucher eventuell von den Anbietern betrogen würden. Aus diesen Besonderheiten könnten die Beschränkungen, die einem Wirtschaftsteilnehmer eines anderen Mitgliedstaats das Durchführen von Glücksspielen im Internet im zu beurteilenden Mitgliedstaat verbieten würden, als durch die Ziele der Bekämpfung von Betrug und anderen Straftaten gerechtfertigt angesehen werden.

IV.10. Im Jahr 2010 hatte sich der EuGH vielfach mit dem Glücksspielwesen zu beschäftigen.

In C‑258/08 ( Ladbrokes ) vom 3. 6. 2010 im Zusammenhang mit niederländischen Regelungen ging es vor allem um die Frage der Zulässigkeit der Einführung neuer Glücksspiele und der Werbung durch den national zugelassenen Anbieter von Glücksspielen. Sei dies Teil einer Politik der kontrollierten Expansion im Glücksspielsektor zur wirksamen Lenkung der Spiellust in rechtliche Bahnen (Rz 27), könne dies gerechtfertigt sein. Sollte eine starke Expansion dagegen mit dem Ziel verfolgt werden, übermäßige Anreize und Aufforderungen zur Teilnahme am Glücksspiel zu bieten, vor allem um Finanzmittel zu beschaffen, sei eine solche Politik nicht auf kohärente und systematische Begrenzung des Glücksspielwesens ausgerichtet (Rz 28). Im Rahmen dieser Prüfung habe das vorlegende Gericht auch zu untersuchen, ob rechtswidrige Spieltätigkeiten ein Problem darstellen könnten und ob eine Ausweitung der zugelassenen und regulierten Tätigkeiten geeignet sei, diesem Problem abzuhelfen (Rz 29). Das Ziel, Verbraucher vor der Spielsucht zu schützen, sei grundsätzlich schwer mit einer Politik der Expansion von Glücksspielen vereinbar. Eine solche Politik könne nur dann als kohärent angesehen werden, wenn die rechtswidrigen Tätigkeiten einen erheblichen Umfang hätten und die erlassenen Maßnahmen darauf abzielten, die Spiellust der Verbraucher in rechtmäßige Bahnen zu lenken (Rz 30). Sollte die Nachfrage im Bereich des heimlichen Angebots erheblich zugenommen haben, sei dies zu berücksichtigen.

Art 49 verleihe dem Einzelnen Rechte, die er gerichtlich geltend machen könne und die die nationalen Gerichte zu wahren hätten (Rz 48). Für die Entscheidung sei es unerheblich, ob die Durchführungsmaßnahmen aufgrund des Tätigwerdens einer Behörde zur Durchsetzung der nationalen Regelungen oder auf Antrag eines Einzelnen im Rahmen eines Zivilverfahrens zum Schutz der von ihm aus dieser Regelung hergeleiteten Rechte erlassen werden (Rz 50).

IV.11. Ebenfalls vom 3. 6. 2010 stammt die Entscheidung C‑203/08 ( Sporting Exchange ), in der wiederum auf die Judikatur zu den Voraussetzungen der Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit sowie auf die Tatsache der mangelnden Harmonisierung des Sektors in der europäischen Union und auf die anders gearteten und größeren Gefahren im Zusammenhang mit Glücksspielen über das Internet hingewiesen wird. Werbebeschränkungen könnten sowohl in Anbetracht der Besonderheiten des Internetglücksspiels als auch im Hinblick auf das Ziel der Bekämpfung von Betrug und anderen Straftaten gerechtfertigt sein. Eine Ausschließlichkeitsregelung zu Gunsten eines einzigen Veranstalters und ein Verbot gegenüber allen anderen Veranstaltern im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats, derartige Dienstleistungen über das Internet anzubieten, stehe daher grundsätzlich Art 49 EG nicht entgegen.

Bei der Verlängerung der Zulassung seien die Grundregeln des EG‑Vertrags, insbesondere der Gleichbehandlungsgrundsatz, das Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit und das daraus folgende Transparenzgebot zu beachten. Insofern dürfe keine Ermessensausübung der nationalen Behörden erfolgen, die den freien Dienstleistungsverkehr praktisch seine Wirksamkeit nehme. Es sei zwischen den Auswirkungen der Öffnung des Wettbewerbs um den Glücksspielmarkt, deren Nachteiligkeit eine Beschränkung der Tätigkeit der Wirtschaftsteilnehmer rechtfertigen könne, und denjenigen der Öffnung des Wettbewerbs um die Vergabe des betreffenden Auftrags zu unterscheiden (Rz 58).

IV.12. Vom 8. 9. 2010 stammt die Entscheidung C‑316/07 ua ( Stoß ). Danach bietet ein nationales System, das eine begrenzte Erlaubnis von Geldspielen oder Ausschließlichkeitsrechten vorsieht, den Vorteil, dass die Spiellust in kontrollierte Bahnen gelenkt werden kann. Die Mittel zur Erreichung der gesetzten Ziele stünden im Ermessen der Mitgliedstaaten, ebenso die Festlegung des Niveaus des Verbraucherschutzes und des Schutzes der Sozialordnung. Allein dass die behördliche Kontrolle angesichts des übernationalen Charakters des Internets und des nationalen Charakters staatlicher Monopole bei Internetwettspielen auf gewisse Schwierigkeiten stoßen könne, reiche nicht aus, um die Vereinbarkeit von Monopolen mit dem Unionsrecht in Frage zu stellen.

Im Bereich der Glücksspiele sei grundsätzlich gesondert für jede mit den nationalen Rechtsvorschriften auferlegte Beschränkung zu prüfen, ob sie geeignet sei, die Verwirklichung des Zieles oder der Ziele des fraglichen Mitgliedstaats zu gewährleisten (Rz 93). Verschiedene Arten von Glücksspielen könnten erhebliche Unterschiede aufweisen hinsichtlich der konkreten Modalitäten ihrer Veranstaltung, des Umfangs ihrer Einsätze und Gewinne, der Zahl der potentiellen Spieler, ihrer Präsentation, Häufigkeit, Dauer oder ihres wiederholenden Charakters (Rz 95). Daher könne auch der Umstand, dass manche Arten von Glücksspielen einem staatlichen Monopol unterlägen und andere auch von privaten Veranstaltern durchgeführt werden dürften, für sich genommen nicht dazu führen, dass diese Maßnahmen ihre Rechtfertigung verlören.

In Bezug auf Glücksspiele, die einem Monopol unterliegen, müssten die betreffenden nationalen Behörden zwar nicht unbedingt in der Lage sein, eine vor Erlass der genannten Maßnahme (Monopolisierung) durchgeführte Untersuchung vorzulegen, die die Verhältnismäßigkeit belege. Stelle ein nationales Gericht aber fest, dass Werbemaßnahmen des Inhabers eines solchen Monopols nicht auf das begrenzt blieben, was erforderlich sei, um die Verbraucher zum Angebot des Monopolinhabers hinzulenken und von anderen nicht genehmigten Zugangskanälen wegzuführen, könne dies berechtigten Anlass zur Schlussfolgerung geben, dass ein solches Monopol nicht geeignet sei, die Erreichung des verfolgten Zieles zu gewährleisten (Rz 107).

Grundsätzlich sei bei einem staatlichen Monopol, das den vom EuGH statuierten Voraussetzungen genüge, jede Verpflichtung zur Anerkennung einer Erlaubnis, die privaten Veranstaltern mit Sitz in anderen Mitgliedstaaten erteilt wurde, per se ausgeschlossen (Rz 109). Eine Verpflichtung zur gegenseitigen Anerkennung könne sich daher nur dann als für die Entscheidung relevant erweisen, wenn die in Rede stehenden Monopole als mit Art 43 und 49 EG unvereinbar angesehen würden (Rz 110).

IV.13. Ebenfalls vom 8. 9. 2010 stammt die Entscheidung in der Rechtssache C‑46/08 ( Carmen Media ), die ebenfalls über das Internet durchgeführte Sportwetten im Zusammenhang mit einem staatlichen Monopol betrifft. Die Besonderheiten des Angebots von Glücksspielen im Internet brächten anders geartete und größere Gefahren für den Schutz der Verbraucher, insbesondere von Jugendlichen und Personen mit ausgeprägter Spielneigung im Hinblick auf den fehlenden unmittelbaren Kontakt, den besonders leichten und ständigen Zugang, die potentiell große Menge und Häufigkeit des Angebots sowie ein Umfeld, das durch Isolation des Spielers, Anonymität und fehlende soziale Kontrolle gekennzeichnet sei, mit sich und gehe so mit Faktoren einher, die die Entwicklung von Spielsucht und übermäßigen Ausgaben für das Spielen begünstige und die negativen sozialen und moralischen Folgen vergrößern könne (Rz 103). Es sei daher anzuerkennen, dass eine Maßnahme, mit der jedes Anbieten von Glücksspielen über das Internet verboten werde, grundsätzlich als geeignet angesehen werden könne, die legitimen Ziele der Vermeidung von Anreizen zu übermäßigen Ausgaben und zur Bekämpfung der Spielsucht zu verfolgen, auch wenn das Anbieten solcher Spiele über herkömmliche Kanäle zulässig bleibe (Rz 105).

IV.14. Am selben Tag erging die Entscheidung C‑409/06 ( Winner Wetten ), in der der EuGH darauf verwiesen hat, dass der Vorrang des Unionsrechts zur Folge habe, dass allein dessen Inkrafttreten jede entgegenstehende Bestimmung nationalen Rechts ohne weiteres unanwendbar mache (Rz 53 und 54). Die nationalen Gerichte als Organe des Mitgliedstaats seien verpflichtet das unmittelbar geltende Unionsrecht uneingeschränkt anzuwenden und die Rechte, die es dem Einzelnen verleihe, zu schützen, indem jede möglicherweise entgegenstehende Bestimmung des nationalen Rechts, gleichgültig, ob sie früher oder später als die Unionsnorm ergangen sei, unangewendet gelassen werde (Rz 55). Der Auffassung, dass Rechtsvorschriften gegen die Grundfreiheiten verstießen, aber dennoch ihre befristete Weiteranwendung gerechtfertigt sei, weil zwingende an den Schutz der Sozialordnung und der Bürger vor den Gefahren des Glücksspiels anknüpfende Gründe der Entstehung einer Gesetzeslücke entgegenstünden, trat der EuGH nicht bei.

IV.15. In seiner Entscheidung vom 9. 9. 2010, Rechtssache C‑64/08 ( Engelmann) hatte sich der Gerichtshof mit einer Österreich betreffenden Frage des Glücksspielsektors in Zusammenhang mit einem Strafverfahren zu beschäftigen. Er verwies wieder auf seine Judikatur zur Rechtfertigung von Eingriffen in die Dienstleistungsfreiheit. Das Transparenzgebot bei der Vergabe von Konzessionen sei zwingende Vorbedingung des Rechts des Mitgliedstaats, Genehmigungen für den Betrieb von Spielbanken zu erteilen, unabhängig davon, wie der Betreiber ausgewählt werde (Rz 54). Es stehe daher einer Vergabe sämtlicher Konzessionen für den Betrieb von Spielbanken im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats, die ohne Ausschreibung erfolge, entgegen.

IV.16. Auch im Jahr 2011 war der EuGH zu Entscheidungen in Glücksspielangelegenheiten berufen.

In der Rechtssache C‑212/08 ( Zeturf ) vom 30. 6. 2011 ging es um Pferdesportveranstaltungen und Wetten in diesem Zusammenhang in Frankreich und deren Anbieten im Internet. Der EuGH wies wiederum auf seine Judikatur zur zulässigen Rechtfertigung der Einschränkung der Dienstleistungsfreiheit hin. Die bloße Tatsache, dass die Zulassung und Kontrolle einer gewissen Anzahl privater Beteiligter sich für die nationalen Behörden als kostspieliger erweisen könne, als die Aufsicht über einen einzigen Betreiber, sei unerheblich. Verwaltungstechnische Nachteile könnten die Beeinträchtigung einer durch das Unionsrecht gewährleisteten Grundfreiheit nicht rechtfertigen (Rz 48). Die intensive Bewerbung der Produkte auch im Internet und einer Erhöhung der Vertriebsstellen für Wetten und der den Spielern angebotenen Produkte mit der Geschäftsstrategie neue Publikumskreise für das angebotene Spiel zu gewinnen, rechtfertige Beschränkungen der Grundfreiheiten nicht, weil Verbraucher damit ermuntert würden, an Glücksspielen teilzunehmen (Rz 66). Um mit den Zielen der Bekämpfung der Kriminalität und der Verminderung der Gelegenheit zum Spielen in Einklang zu stehen, müsse eine nationale Monopolregelung auf der Feststellung beruhen, dass eine kriminelle und betrügerische Tätigkeit und die Spielsucht im betroffenen Mitgliedstaat tatsächlich ein Problem darstellten, dem durch die Ausweitung der zugelassenen und regulierten Tätigkeit abgeholfen werden könne (Rz 72). Im Falle einer nationalen Regelung, die gleichermaßen für Online angebotenen Wetten als auch für Wetten über traditionelle Vertriebskanäle gelte, weil der nationale Gesetzgeber eine Unterscheidung zwischen den verschiedenen Vertriebskanälen nicht für erforderlich gehalten habe, sei die Beeinträchtigung der Dienstleistungsfreiheit unter dem Blickwinkel der Beeinträchtigungen zu beurteilen, die für den gesamten in Rede stehenden Sektor zutreffen würden (Rz 82).

IV.17. Am 15. 9. 2011 hatte sich der EuGH in der Rechtssache C‑347/09 wiederum mit einer Österreich betreffenden Glücksspielangelegenheit zu befassen. In der Rechtssache Dickinger/Ömer (damals in deren Funktion als Geschäftsführer der jetzt Zweitbeklagten) ging es um die nach dem österreichischen Glücksspielmonopol gemäß § 3 GSpG im Internet angebotenen Casinospiele (§ 12a GSpG) und ein in diesem Zusammenhang angestrengtes Strafverfahren gemäß § 168 StGB. Wiederholt wurde die in der Vorjudikatur ausgesprochene Ansicht, dass es dem Mitgliedstaat obliege, dem Gericht alle Umstände darzulegen, anhand derer es sich vergewissern könne, dass die Maßnahmen tatsächlich den sich aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ergebenden Anforderungen genügten. Es sei daher unter Berücksichtigung der Entwicklung des Glücksspielmarkts in Österreich zu prüfen, ob staatliche Kontrollen über die Tätigkeit des Monopolisten gewährleisten könnten, dass dieser tatsächlich in der Lage sein werde, die geltend gemachten Ziele mit einem Angebot, das nach Maßgabe der dieser Ziele quantitativ gemessen und qualitativ ausgestaltet sei, in kohärenter und systematischer Weise zu verfolgen (Rz 57; vgl dazu auch jüngst 1 Ob 71/13t). Unter Wiederholung der Rechtsgrundsätze zur Verfolgung expansionistischer Geschäftspolitik wurde ausgesprochen, dass das vorlegende Gericht insbesondere zu untersuchen habe, ob im entscheidungserheblichen Zeitraum die kriminellen und betrügerischen Aktivitäten im Zusammenhang mit Spielen und die Spielsucht in Österreich ein Problem gewesen sei und eine Ausweitung der zugelassenen und geregelten Tätigkeit diesem Problem hätte abhelfen können (Rz 66). Jedenfalls müsse vom Inhaber eines staatlichen Monopols durchgeführte Werbung maßvoll und eng auf das begrenzt werden, was erforderlich sei, um Verbraucher zu den kontrollierten Spielernetzwerken zu lenken. Hingegen dürfe die Werbung nicht darauf abzielen, den natürlichen Spieltrieb der Verbraucher dadurch zu fördern, dass sie zu aktiver Teilnahme am Spiel angeregt würden, indem etwa das Spiel verharmlost, ihm ein positives Image verliehen oder seine Anziehungskraft durch zugkräftige Werbebotschaften erhöht werde, die verführerische bedeutende Gewinne in Aussicht stellten (Rz 68). Es sei zu unterscheiden, zwischen einer restriktiven Geschäftspolitik, die nur den vorhandenen Markt für den Monopolinhaber gewinnen und die Kunden an ihn binden solle und einer expansionistischen Geschäftspolitik, die auf das Wachstum des gesamten Markts für Spieltätigkeiten abziele (Rz 69).

Zur Berücksichtigung der in anderen Mitgliedstaaten durchgeführten Kontrollen, verwies der Gerichtshof wiederum auf seine Judikatur zur mangelnden Harmonisierung und mangelnden gegenseitigen Anerkennung der von verschiedenen Mitgliedstaaten erteilten Erlaubnisse sowie des Rechts der einzelnen Mitgliedstaaten andere Schutzsysteme als andere Mitgliedstaaten zu wählen. Die Tatsache, dass dem Anbieter daher eine Erlaubnis in einem anderen Mitgliedstaat erteilt worden sei und diese Interessen bereits durch die Vorschriften des Sitzmitgliedstaats geschützt würden, sei auch beim derzeitigen Stand der Entwicklung des Unionsrechts im Bereich des Glücksspiels nicht anwendbar.

IV.18. In C‑72/10 ua vom 16. 2. 2012 ( Costa/Cifone ) hat der EuGH zu Fragen der Ausschreibung der Verlängerung von Glücksspielkonzessionen bzw Genehmigungen in Italien Stellung genommen.

IV.19. Die am 12. 7. 2012 ergangene Entscheidung C-176/11 ( Hit ) betraf einen österreichischen Fall in Zusammenhang mit der Genehmigung von Werbung gemäß § 56 GSpG durch einen im Ausland zugelassenen Glücksspielbetreiber in Österreich.

IV.20. Am 19. 7. 2012 legte der EuGH in C‑470/11 ( SIA Garkalns ) Art 49 EG dahin aus, dass er einer nationalen Regelung nicht entgegenstehe, die den lokalen Behörden ein weites Ermessen einräume, indem es ihnen ermögliche, die Erlaubnis zur Eröffnung einer Spielbank etc zu versagen, sofern die Regelung tatsächlich das Ziel habe, die Gelegenheit zum Spiel zu verringern bzw die Tätigkeit in diesem Bereich kohärent und systematisch zu begrenzen und das Ermessen transparent und nachprüfbar unparteiisch ausgeübt werde.

IV.21. Zuletzt betraf die Entscheidung C-186/11 ua vom 24. 1. 2013 ( Stanleybet ) die ausschließliche Übertragung des Rechts zur Durchführung von Glücksspielen an ein einziges Unternehmen in Griechenland. Neben dem bereits vielfach genannten Kohärenzgebot bezog sich der EuGH auch auf die notwendige strenge behördliche Kontrolle der Ausdehnung des Glücksspielsektors. Falls innerstaatliche Regelungen für die Veranstaltung von Glücksspielen nicht der Dienstleistungsfreiheit entsprächen, könnten die nationalen Behörden nicht für eine Übergangfrist von der Behandlung von Anträgen auf Erteilung von Genehmigungen im Glücksspielsektor absehen.

V. Jüngere Literatur:

V.1. Im Gefolge der Österreich betreffenden EuGH-Entscheidungen Engelmann und Dickinger/Ömer gelangt Koppensteiner, Der EuGH und das Glücksspiel, RdW 2011, 134, zu dem Ergebnis, dass nach dem EuGH Glücksspiele keine herkömmlichen Dienstleistungen sind und aufgrund der von ihnen ausgehenden Gefahren besondere Rechtfertigungsgründe für ihre Beschränkung zur Anwendung kommen. Das österreichische GSpG sei demnach insoweit zu novellieren, als das Sitzerfordernis in der Betriebsphase zu entfallen habe und die Vergabe von Lizenzen in einem transparenten Verfahren durchzuführen sei. Im anhängigen Strafverfahren lasse die EuGH-Entscheidung ungeklärt, ob Strafbarkeit anzunehmen sei oder nicht. Denke man nur das unionsrechtswidrige Sitzerfordernis weg, erfülle Herr Engelmann auch andere Erfordernisse für die Lizenzerteilung nach dem GSpG nicht. Beachte man aber, dass er mangels ausreichender Transparenz bei der Vergabe der Lizenzen keine realistische Chance gehabt habe, jemals ein Spielcasino legal zu betreiben, sprächen die besseren Argumente für die Nichtbestrafung, sei es, dass man aufgrund der Vorrangwirkung des Unionsrechts § 168 StGB unanwendbar ansehe, sei es, dass man aus dem vom EuGH entwickelten Bestrafungsverbot einen unionsrechtlichen Rechtfertigungsgrund ableite.

V.2. Talos/Stadler, EuGH kippt österreichisches Glücksspielmonopol, ecolex 2010, 1006, stellen insbesondere die intransparente Lizenzvergabe und expansive Geschäftspolitik, sowohl was den jährlich getriebenen Werbeaufwand als auch den Ausbau der Wettannahmestellen in Österreich betrifft, dar und verweisen weiter darauf, dass die Rechtfertigung des Monopols entfalle, wenn gleichzeitig gefährlichere Arten von Glücksspielen von Privaten angeboten werden dürften ‑ wie dies in Österreich bei Glückspielautomaten der Fall sei.

V.3. Leidenmühler, Das „Engelmann“-Urteil des EuGH ‑ Rien ne va plus für das österreichische Glücksspielgesetz, MR 2010, 247, sieht als Konsequenz dieser Entscheidung die Straffreiheit für den vom Strafverfahren Betroffenen als auch für Wirtschaftsteilnehmer aus anderen EU-Mitgliedstaaten und plädiert für die Übertragbarkeit dieser § 21 GSpG betreffenden Entscheidung auch auf Ausspielungen iSd § 14 GSpG und Landesausspielungen nach § 5 GSpG. Auch durch die Novellen des GSpG 2008 und 2012 sei weder Transparenz noch Kohärenz hergestellt worden und das GSpG daher weiterhin nicht unionsrechtskonform.

V.4. Auf die Entscheidung Dickinger/Ömer beziehen sich Aquilina/Arzt, Der Kampf um den Glücksspielmarkt geht in die nächste Runde, ecolex 2011, 1070. Die österreichischen Behörden und Gerichte hätten die Glücksspielpolitik im Sinn eines Glaubwürdigkeitstests in ihrer Gesamtheit auf ihre Konsistenz hinsichtlich der Zielrichtung zu prüfen. Bei der Erfüllung der Kohärenzkriterien scheitere Österreich nach wie vor. Die extensive Werbung und Angebotserweiterung durch den Monopolisten gingen weit über das im Sinn der EuGH‑Judikatur Notwendige hinaus. Eine kohärente Ausgestaltung sei auch im Hinblick auf die umstrittenen Glücksspielautomaten nicht in Sicht.

V.5. Leidenmühler, EuGH-Urteil Dickinger/ Ömer: Neues zum Online-Glücksspiel, MR 2011, 243, betont die vom EuGH erwarteten umfangreichen empirischen Feststellungen für den Nachweis, dass kriminelle und betrügerische Aktivitäten im Zusammenhang mit Spielen und Spielsucht in Österreich im entscheidungserheblichen Zeitraum ein Problem gewesen seien, und beleuchtet die Stellungnahme österreichischer Behörden, wonach die unionsrechtliche Unvereinbarkeit des Inlands-sitzerfordernisses nicht von der Erfüllung der übrigen gesetzlichen Mindestanforderungen an den Konzessionär befreie. Habe der EuGH bisher die Straflosigkeit an das Verfahren zur Konzessionsvergabe geknüpft, verbiete er nun explizit strafrechtliche Sanktionen immer dann, wenn die Monopolregelung oder -praxis als solche nicht mit der Dienstleistungsfreiheit vereinbar sei.

V.6. Wilhelm, Zur Werbung für Wetten, Lotterien und andere Glücksspiele, ecolex 2012, 1, bezieht sich auf die Aussagen des EuGH zur Werbung und meint, dass die Dienstleistungsfreiheit Dritter auf primärrechtlicher Ermächtigungsnorm beruhe. Solle sie zurückweichen, gehe das nur über eine ebenfalls primärrechtliche Gegen-Ermächtigung. Daraus sei zu folgern, dass auch § 56 Abs 1 GSpG der allgemeinen Regel verfalle, dass nationale Normen, die dem Primärrecht widersprächen, nicht anzuwenden seien.

V.7. Im Jahr 2013 beschäftigten sich Stadler/Aquilina, Unionsrechtskonforme Regulierung: ein Glückspiel? ecolex 2013, 389, mit der Entscheidung des EuGH Stanleybet und deren Übertragbarkeit auf Österreich. Es bestünden demnach zwei Handlungsalternativen: Entweder das Monopol werde unionsrechtskonform anhand der strengen Kriterien der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs umgestaltet oder unter Beachtung der Grundsätze der Nichtdiskriminierung, Gleichbehandlung und Transparenz reformiert. Gerade im Bezug auf die Werbung fehle es in Österreich an jeglicher Überwachung. Sanktionen für das konzessionslose Anbieten von Internetglücksspielen seien unanwendbar, wenn die nationalen Sanktionsbestimmungen flankierende Maßnahmen eines dem Unionsrecht entgegenstehenden und nicht gerechtfertigten Monopols seien.

V.8. Talos/Strass, Das Kohärenzgebot im Glücksspielsektor, wbl 2013, 481, geben eine Zusammenfassung der diesbezüglichen Judikaturaussagen und unterscheiden in Bezug auf die österreichische Rechtslage zwischen interner und externer Kohärenz.

V.9. Schließlich hat Kletečka, Glücksspielmonopol und Rückforderungsansprüche, ecolex 2013, 17, nach einer „Anfrage aus der Praxis“ zum hier anhängigen Verfahren Stellung genommen.

VI. Zusammenfassung der Rechtslage:

VI.1. Aus der oben dargestellten innerstaatlichen Gesetzeslage ist abzuleiten, dass Roulette, auch Online‑Roulette, als Glücksspiel iSd § 1 Abs 2 GSpG anzusehen ist und daher nach österreichischem Recht grundsätzlich und auch im Zeitraum des Anbietens durch die Beklagten ab März 2010 nur zulässig war, wenn es im Rahmen einer aufgrund des Glücksspielmonopols erteilten Konzession nach dem Glücksspielgesetz durchgeführt wurde.

VI.2. Die europarechtliche Zulässigkeit des Monopols unterliegt aber als besonders gravierender Eingriff in die Dienstleistungsfreiheit (vgl auch Zankl, Online-Glückspiel in Europa, 58) strengen Voraussetzungen, sowohl was die Modalitäten der Vergabe der das Monopol nutzenden Berechtigungen bzw Konzessionen als auch das Verhalten der Berechtigten bzw des Konzessionärs selbst und deren/dessen Überwachung durch die nationalen Behörden betrifft. Werden diese Vorgaben nicht eingehalten, ist das Monopol gemeinschaftsrechtswidrig und sind die Monopol‑Vorschriften aufgrund des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts unanwendbar. Im Sinne einer effektiven Umsetzung des EU‑Rechts („effet utile“) muss sich in einem solchen Fall die Unanwendbarkeit auf alle Bestimmungen des GSpG beziehen, die das Monopol normieren und seine Umsetzung regeln. Auch die Strafbestimmung des § 168 StGB ist in diesem Licht zu sehen.

VI.3. Da das ABGB selbst nicht Glücksspiele verbietet, sondern diesbezüglich auf die „politischen Gesetze“ verweist und dieses konkrete Verbot sich aus dem GSpG und seiner Monopolregelung ergibt, bestünde im Fall der Unanwendbarkeit dieser Bestimmungen wegen Verstoßes gegen das EU-Recht kein innerstaatliches Verbot von Glücksspielen in „politischen Gesetzen“ mehr, worauf der Kläger seine Ansprüche allein stützt. Ob in diesem Fall ein Anspruch des Klägers allenfalls deshalb bestünde, weil auch die Beklagten in Österreich Spielerschutzvorschriften einzuhalten hätten und nicht eingehalten haben, braucht mangels entsprechenden Vorbringens nicht geprüft zu werden.

Wie der oben (Pkt IV.10.) zitierten Entscheidung Ladbrokes, Rz 47, 48 zu entnehmen ist, verleiht Art 49 EG dem Einzelnen Rechte, die er gerichtlich geltend machen kann. So wie es nach dieser Entscheidung unerheblich ist, ob Durchführungsmaßnahmen zur Eindämmung der Spielsucht aufgrund des Tätigwerdens der Behörden zur Durchsetzung der nationalen Regelungen oder auf Antrag eines Einzelnen im Rahmen eines Zivilverfahrens zum Schutz der von ihm aus dieser Regelung hergeleiteten Rechte erlassen werden, muss es auch unerheblich bleiben, ob die EU-Rechtswidrigkeit einer innerstaatlichen Regelung in einem Verfahren mit dem (Allein‑)Konzessionär oder zwischen anderen Parteien eingewandt wird und daraus Rechte abgeleitet werden.

VII. Schlussfolgerungen für den konkreten Fall:

VII.1. Das Erstgericht hat im Zusammenhang mit der Ausübung des Monopols durch die Konzessionärin nur festgestellt, dass deren Werbeausgaben „enorm“ seien und in der rechtlichen Beurteilung dazu auf Werbekampagnen wie den „Damentag“ bzw Werbung zum Muttertag verwiesen.

Nun mögen dies zwar Indizien für eine nicht den Kriterien der „Umleitung“ von Spielern hin zu gesetzlich erlaubten Glücksspielen entsprechenden Werbung sein, es fehlen aber nähere und präzisere Feststellungen zu den Vorgaben des EuGH insbesondere in der einschlägigen Entscheidung Dickinger/Ömer. Solche Feststellungen sind notwendig, um die allfällige Unvereinbarkeit des österreichischen Glücksspielmonopols mit den oben dargestellten, vom EuGH entwickelten Kriterien zur erlaubten Einschränkung der Dienstleistungsfreiheit in diesem Sektor verlässlich beurteilen zu können. Die Urteile der Vorinstanzen waren daher aufzuheben.

VII.2. Im fortgesetzten Verfahren wird zu beachten sein, dass entgegen den Rechtsausführungen des Berufungsgerichts nach der Judikatur des EuGH zwar jede mit den nationalen Rechtsvorschriften auferlegte Beschränkung gesondert zu beurteilen ist (vgl die Entscheidung Stoß oben Pkt IV.12.), dagegen aber nicht jede Werbemaßnahme für sich oder nach „Sektoren“ wie zB Online‑Roulette für sich, vielmehr wird die Gesamtheit der Werbemaßnahmen der Konzessionärin zu betrachten sein.

VII.3. Da es sich hier um ein Verfahren zwischen privaten Rechtssubjekten handelt, werden allerdings die in Judikaten des EuGH zu Verwaltungs- bzw Strafverfahren getroffenen Aussagen über die Darlegungspflicht des Staates nicht heranzuziehen sein ‑ mag dies auch eine staatliche Stellungnahme nicht ausschließen (vgl 1 Ob 71/13t) ‑, sondern wird nach den allgemeinen Regeln der Beweislastverteilung im Zivilprozess davon auszugehen sein, dass jede Partei die für ihren Rechtsstandpunkt günstigen Tatsachen zu beweisen hat (RIS-Justiz RS0037797).

VIII. Einer Befassung des EuGH bedurfte es im Hinblick auf dessen umfangreiche einschlägige Rechtsprechung nicht.

IX. Wegen des Grundsatzes der Einmaligkeit des Rechtsmittels war der weitere Schriftsatz der Beklagten vom 21. 10. 2013 zurückzuweisen (RIS-Justiz RS0041666).

X. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 zweiter Satz ZPO.

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