OGH 6Ob216/14d

OGH6Ob216/14d29.1.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.‑Prof. Dr. G. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei E***** W*****, vertreten durch Mag. Dieter Kocher, Rechtsanwalt in St. Michael, gegen die beklagte Partei A***** H*****, vertreten durch Dr. Ewald Wirleitner und andere Rechtsanwälte in Steyr, wegen Vornahme von Sanierungsmaßnahmen, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom 27. August 2014, GZ 22 R 183/14m‑70, mit dem über Berufung der beklagten Partei das Endurteil des Bezirksgerichts Zell am See vom 2. April 2014, GZ 15 C 569/10p‑66, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0060OB00216.14D.0129.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.189,44 EUR (davon 198,24 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Die Revision ist entgegen dem, den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts (§ 508a Abs 1 ZPO) mangels Darstellung einer erheblichen Rechtsfrage (§ 502 Abs 1 ZPO) nicht zulässig. Ihre Zurückweisung kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 letzter Satz ZPO).

2. Der Beklagte rügte in seiner Berufung als Mangel des Verfahrens erster Instanz, dass das Erstgericht seinen Antrag auf Erörterung der schriftlichen Gutachten des Sachverständigen und dessen Ladung nicht behandelt habe.

Das Berufungsgericht verneinte den gerügten Verfahrensmangel. § 357 ZPO gestatte eine schriftliche Gutachtenserstellung. Ob das Gericht die schriftliche oder eine mündliche Begutachtung durch einen Sachverständigen anordne, sei allein in sein pflichtgemäßes Ermessen gelegt. Das Erstgericht habe in Erledigung des Erörterungsantrags dem Sachverständigen aufgetragen, sein Gutachten auch um die Beantwortung der vom Beklagten in seinem Beweisantrag gestellten Fragen zu ergänzen. Dem habe der Sachverständige entsprochen. Gutachten und Ergänzungsgutachten seien ebenso wie der Erörterungsantrag in der Verhandlungstagsatzung am 20. 2. 2014 verlesen worden. Es wäre am Beklagten gelegen, spätestens zu diesem Zeitpunkt vorzubringen, mit der Verlesung nicht einverstanden zu sein und auf einer mündlichen Gutachtenserörterung zu bestehen. Es sei unstatthaft, ein Verfahrensergebnis abzuwarten und im Fall einer nicht genehmen Entscheidung nachträglich geltend zu machen, es sei ein Antrag nicht behandelt worden, gegen dessen Erledigung im Rahmen der Verhandlung kein Einwand erhoben worden sei.

3. Nachträglich (§ 508 ZPO) ließ das Berufungsgericht die ordentliche Revision zu. Es diene der Rechtssicherheit, wenn der Oberste Gerichtshof zur Frage Stellung nehme, ob durch eine schriftliche Gutachtensergänzung ein Fragerecht an den Sachverständigen und damit das Parteiengehör in unzulässiger Weise ausgeschlossen werde, wenn präsumptive ergänzende Fragestellungen dadurch nicht vorgenommen werden konnten.

4. Wird das Gutachten schriftlich erstattet, so sind die Sachverständigen verpflichtet, auf Verlangen über das schriftliche Gutachten mündliche Aufklärungen zu geben oder dieses bei der mündlichen Verhandlung zu erläutern (§ 357 Abs 2 ZPO). Das „Verlangen“ können nach herrschender Rechtsprechung nicht nur das Gericht, sondern auch die Parteien stellen (RIS‑Justiz RS0040376; vgl Rechberger in Fasching/Konecny² § 357 ZPO Rz 4 mwN).

5. Da die Parteien das Recht haben, die Ladung des Sachverständigen zwecks Erläuterung des Gutachtens zu beantragen, begründet es eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens, wenn das Gericht den Sachverständigen entgegen dem (begründeten) Parteiantrag nicht zur mündlichen Streitverhandlung lädt (RIS‑Justiz RS0040376 [T1]; Rechberger in Fasching/Konecny² § 357 ZPO Rz 5 mwN). Hat das Gericht aber den Parteien von vornherein gar keine Gelegenheit gegeben, sich zum schriftlichen Gutachten zu äußern, so verwirklicht dies nach der jüngeren Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs als Verletzung des rechtlichen Gehörs den Nichtigkeitsgrund nach § 477 Abs 1 Z 4 ZPO (3 Ob 111/01x = RIS‑Justiz RS0036909 [T1]; 9 ObA 237/02x; Rechberger in Fasching/Konecny² § 357 ZPO Rz 6 mwN; gegenteilig die ältere Rsp: 1 Ob 678/53 EvBl 1953/492, 608; RIS‑Justiz RS0036909). Dieser Fall ist hier nicht gegeben. Hier wurde das Gutachten schriftlich entsprechend den Fragen der beklagten Partei ergänzt und diese Gutachtensergänzung in einer Tagsatzung auch verlesen. Vor allem aber könnte eine Nichtigkeit des erstgerichtlichen Verfahrens an den Obersten Gerichtshof auch nicht herangetragen werden, läge doch eine vom Berufungsgericht in den Entscheidungsgründen (dies genügt) verneinte Nichtigkeit des Verfahrens erster Instanz vor (stRsp vgl 6 Ob 58/06g; RIS‑Justiz RS0042981; RS0042917).

6. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs können ‑ wie im vorliegenden Fall ‑ vom Berufungsgericht verneinte angebliche Mängel des Verfahrens erster Instanz nicht mit Revision geltend gemacht werden (RIS-Justiz RS0042963; Zechner in Fasching/Konecny² § 503 ZPO Rz 35). Ein Mangel des Berufungsverfahrens könnte nur dann vorliegen, wenn das Berufungsgericht infolge unrichtiger Anwendung verfahrensrechtlicher Vorschriften eine Erledigung der Mängelrüge unterlassen oder sie mit einer durch die Aktenlage nicht gedeckten Begründung verworfen hätte (RIS‑Justiz RS0040597 [T2 bis T4]; RS0042963 [T52]; RS0043166 [T3]). Davon kann hier nicht die Rede sein. Das Berufungsgericht hat sich mit der Verfahrensrüge auseinandergesetzt und diese ‑ mit einer der Aktenlage nicht widersprechenden Begründung ‑ als nicht berechtigt erkannt.

7. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO. Die Klägerin hat in der Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

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