OGH 4Ob182/14i

OGH4Ob182/14i20.1.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Jensik, Dr. Musger, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Rassi als weitere Richter in der Rechtssache der Klägerin p***** GmbH, Salzburg, Innsbrucker Bundesstraße 136, vertreten durch Dr. Hans‑Jörg Luhamer, Rechtsanwalt in Wien, gegen die Beklagten 1. D***** E*****, und 2. H***** I*****, vertreten durch Dr. Erich Schwarz, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen 52.475,09 EUR sA, über die außerordentliche Revision der Klägerin gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 11. August 2014, GZ 6 R 95/14d‑29, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0040OB00182.14I.0120.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1.1. Die Schlüssigkeit einer Klage kann nur an Hand der konkreten Behauptungen im Einzelfall geprüft werden; ob eine Klage schlüssig ist, sich also der Anspruch aus dem behaupteten Sachverhalt ergibt, kann daher ‑ abgesehen von auffallender Fehlbeurteilung ‑ keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO sein (vgl RIS‑Justiz RS0037780; RS0116144; RS0042828).

1.2. Jeder von mehreren in einer Klage geltend gemachten Ansprüchen muss ziffernmäßig bestimmt und individualisiert sein (vgl RIS‑Justiz RS0031014, 4 Ob 96/90; 1 Ob 110/02m; 1 Ob 291/00a). Für die Schlüssigkeit einer Klage genügt es, wenn das Sachbegehren des Klägers materiellrechtlich aus den zu seiner Begründung vorgetragenen Tatsachenbehauptungen abgeleitet werden kann. Unschlüssigkeit wegen Unvollständigkeit liegt dann vor, wenn die vorgetragenen Tatsachen zu unvollständig geblieben sind, um die begehrte Rechtsfolge daraus ableiten zu können. Diesfalls liegt eine Verletzung der Behauptungslast des Klägers vor (7 Ob 155/09h mwN).

1.3.1. Im vorliegenden Fall macht die Klägerin gegen zwei ihrer Vertriebspartner einerseits Ansprüche auf Rückzahlung jener Courtageleistungen geltend, die auf einer Stornierung des Versicherungsvertrags durch die jeweiligen Kunden beruhen, andererseits Ansprüche, die auf Stornierungen wegen qualifizierter Nichtzahlung der Prämien durch die Versicherung basieren.

1.3.2. Die Beklagten wendeten unter anderem ein, die Abrechnungen der Klägerin seien kursorisch gehalten und ließen keine Rückschlüsse darauf zu, warum es zur Inanspruchnahme der Stornoreserven gekommen sei. Es sei nicht ersichtlich, in welcher Höhe die stornierten Verträge abgerechnet worden seien und ob bzw in welcher Höhe Rückzahlungen an die Endkunden erfolgt seien. Die von der Klägerin bloß beispielhaft vorgelegte Provisionsabrechnung sei unzureichend.

1.3.3. Die Klägerin erstattete in erster Instanz kein detailliertes Vorbringen, aus dem sich das Zustandekommen der einzelnen Rückforderungspositionen nachvollziehen lässt. Ihre Aufschlüsselung der Gesamtforderung enthält zwar zu jedem einzelnen Kunden einen konkreten Ausfallsbetrag, sei es aufgrund Kündigung wegen Nichtzahlung, sei es aufgrund Selbstkündigung. Aus dem Klagsvorbringen ergibt sich jedoch ‑ trotz entsprechender Bestreitung durch die Beklagten ‑ nicht, wie sich die einzelnen Rückforderungsbeträge errechnen. Insbesondere blieb ‑ abgesehen von einer beispielhaften Angabe hinsichtlich eines (einzigen) Kunden - im Dunkeln, wie lange die einzelnen Versicherungsverträge Bestand hatten, was zur Ermittlung der den Beklagten als Vertriebspartner zustehenden Provision erforderlich wäre.

1.3.4. Wenn das Berufungsgericht fordert, dass die Klägerin ein Vorbringen hätte erstatten müssen, aus welchem sich ‑ ähnlich wie in der exemplarischen Berechnung ‑ in jedem einzelnen Versicherungsfall die Höhe des rückgeforderten Provisionsanspruchs rechnerisch nachvollziehen und überprüfen lasse, ist dies im Sinne der oben zitierten Rechtsprechung zumindest vertretbar und stellt keine (grobe) Fehlbeurteilung dar, die ein Aufgreifen durch den Obersten Gerichtshof erforderte.

2.1. Die Klägerin erachtet in der Klagsabweisung durch das Berufungsgericht, ohne ihr die Möglichkeit gegeben zu haben, ihr unschlüssiges Begehren zu verbessern, einen groben Verfahrensmangel.

2.2. Es ist zwar zutreffend, dass das Berufungsgericht, wenn es im Gegensatz zum Erstgericht das Klagebegehren für zu wenig bestimmt oder unschlüssig hält, entweder selbst den Kläger in mündlicher Verhandlung zur Verbesserung seines Begehrens anleiten oder das Urteil des Erstgerichts aufzuheben und dem Erstgericht ein Verbesserungsverfahren aufzutragen hat, während die vom Berufungsgericht vorgenommene sofortige Abweisung der Klage das Berufungsverfahren mangelhaft macht (6 Ob 86/02v; RIS‑Justiz RS0036355). Allerdings setzt die Geltendmachung einer Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens als Folge eines Verstoßes gegen die §§ 182, 182a ZPO (kein Auftrag zur Verbesserung) voraus, dass der Revisionswerber die Relevanz des Mangels darlegt, indem er das unterlassene Vorbringen nachholt (RIS‑Justiz RS0037095 [T4, T6, T14, T16]).

2.3. Im vorliegenden Fall hat die Klägerin auch in der Revision das vom Berufungsgericht (vertretbar ‑ siehe oben) vermisste Vorbringen nicht erstattet. Sie verweist bloß darauf, ihr Klagebegehren ohnehin bereits in erster Instanz ausreichend substantiiert zu haben, und dass es das Berufungsgericht nur verabsäumt habe, einen Taschenrechner zur Hand zu nehmen. Damit hat die Klägerin die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels des Berufungsgerichts jedoch nicht dargelegt.

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