OGH 8ObA55/14t

OGH8ObA55/14t19.12.2014

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Prof. Dr. Spenling als Vorsitzenden, den Hofrat Hon.‑Prof. Dr. Kuras und die Hofrätin Dr. Tarmann‑Prentner als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter ADir. Brigitte Augustin und Wolfgang Cadilek in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Dr. B***** W*****, vertreten durch Freimüller/Obereder/Pilz Rechtsanwält_innen GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei Stadt W*****, vertreten durch Dr. Harald Hauer, Rechtsanwalt in Wien, wegen 17.214 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 26. Juni 2014, GZ 10 Ra 47/14a‑21, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:008OBA00055.14T.1219.000

 

Spruch:

Die Revision wird gemäß § 2 ASGG, § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Die Entscheidung des Berufungsgerichts steht mit der von ihm zitierten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs im Einklang (9 ObA 142/12s wbl 2013, 527/191 = ÖZPR 2013, 172 = infas 2013 A68). Auch eine Entscheidung, die zwar bisher die einzige ist, die aber ausführlich begründet und mehrfach veröffentlicht wurde, zu der gegenteilige Entscheidungen nicht vorliegen und die auch vom Schrifttum ohne Kritik übernommen wurde, reicht für das Vorliegen einer gesicherten Rechtsprechung aus (RIS‑Justiz RS0103384; RS0042833).

2. Entgegen den Revisionsausführungen hat der Oberste Gerichtshof in der zitierten Entscheidung auch die Frage der Vereinbarkeit seines Ergebnisses mit dem Unionsrecht, konkret mit § 4 Z 1 des Anhangs der Richtlinie 1999/70/EG des Rates zu der EGB‑UNICE‑CEEP Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge, geprüft. Er hat diese Vereinbarkeit mit der wesentlichen Begründung bejaht, dass es mit dem Sachlichkeitsgebot vereinbar ist, für befristet zu Ausbildungszwecken eingegangene Dienstverhältnisse keinen Abfertigungsanspruch vorzusehen. Die Revisionsausführungen bieten keinen Anlass, von dieser Begründung abzugehen.

Nach den Feststellungen diente das zuletzt bestehende befristete Dienstverhältnis der Klägerin ihrer Ausbildung im Additivfach Gefäßchirurgie; der Umstand, dass sie diese Ausbildung tatsächlich schon vor dem Fristablauf abschließen konnte, vermag nichts am ursprünglichen Zweck des Vertrags zu ändern.

Das Vertragsbedienstetenverhältnis der Klägerin unterlag auch nicht dem Angestelltengesetz (vgl zum Anwendungsnachrang RIS‑Justiz RS0028921), weshalb die von der Revision aus § 23 AngG abgeleiteten Schlussfolgerungen hier grundsätzlich nicht einschlägig sind.

3. Die Rechtsansicht, die Klägerin könne eine Aufgriffsobliegenheit nur bezüglich des Fortsetzungsanspruchs, aber nicht bezüglich der Abfertigung treffen, diese könne innerhalb der Verjährungsfrist jederzeit eingeklagt werden, gründet auf einem Missverständnis. Es geht hier nicht um die rechtzeitige Geltendmachung der Abfertigung, sondern darum, ob das Dienstverhältnis überhaupt auf eine den Abfertigungsanspruch begründende Weise rechtlich beendet wurde.

Für ein Dienstverhältnis, das durch Zeitablauf geendet hat, gebührt nach § 48 Abs 2 Z 3 VBO 1995 keine Abfertigung. Da die Klägerin dem Auslaufen ihres befristeten Dienstverhältnisses nie entgegengetreten ist und sie einen allfälligen Anspruch auf Fortsetzung über den Endtermin hinaus nicht aufgegriffen hat, sind die Vorinstanzen ohne aufzugreifenden Rechtsirrtum von einer Beendigung durch Zeitablauf ausgegangen.

Aus dem für das Vertragsbedienstetenverhältnis nicht einschlägigen § 23 AngG, aber auch aus § 48 Abs 2 Z 1 VBO 1995, wonach die dem letzten Vertragsbedienstetenverhältnis vorangehende Dienst‑ oder Lehrzeit zur Stadt W***** für die Berechnung der Wartezeit einzurechnen ist, kann die Klägerin für ihren Standpunkt nichts ableiten, weil mit § 48 Abs 2 Z 3 VBO 1995 ein anderer Ausschlussgrund zum Tragen kommt.

4. Zur Beurteilung des rechtzeitigen Aufgriffs einer Austrittsobliegenheit ist ein angemessener, zur Erkundung und Meinungsbildung objektiv ausreichender Zeitraum heranzuziehen. Das Ausmaß kann aber unter Abwägung des Klarstellungsinteresses des Dienstgebers und der Schwierigkeiten für den Dienstnehmer, seinen Anspruch geltend zu machen, nur nach den Umständen des Einzelfalls bemessen werden (9 ObA 102/02v; RIS‑Justiz RS0119727). Der Oberste Gerichtshof hat wiederholt ausgesprochen, dass es keine fixen Fristen gibt (8 ObA 190/01a; 9 ObA 12/13z ua).

Weshalb der Dienstgeberin von vornherein kein Klarstellungsinteresse zukommen sollte, wenn der Dienstnehmer aus einer für unwirksam gehaltenen Befristung lediglich Beendigungansprüche ableiten will, ist nicht nachvollziehbar.

Liegt ‑ wie hier (vgl auch 9 ObA 142/12s) ‑ kein Anhaltspunkt für eine Dienstgeberkündigung vor, hat der Arbeitnehmer bei unwirksamer Befristung die Möglichkeit, die Fortsetzung des Dienstverhältnisses zu begehren. Akzeptiert er ungeachtet dessen die Beendigung durch Fristablauf, kann er damit nicht einseitig die Wirkungen einer Dienstgeberkündigung herbeiführen („Rosinentheorie“).

Die Klägerin hat mehr als ein halbes Jahr nach Ablauf der Befristung bis zur Klage verstreichen lassen, ohne berücksichtigungswürdige Gründe für diese lange Untätigkeit zu behaupten (vgl 9 ObA 342/00k; RIS‑Justiz RS0034849). Wenn sie im Gegenteil ‑ in logischem Spannungsverhältnis zu ihren sonstigen Revisionsausführungen ‑ ausdrücklich betont, es sei nie ein Thema gewesen, dass sie einen Anspruch auf ein unbefristetes Dienstverhältnis erheben wolle, ist diese Argumentation umso weniger geeignet, der Revision zum Erfolg zu verhelfen. Die Beurteilung des Berufungsgerichts ist bei diesem Sachverhalt jedenfalls vertretbar.

Insgesamt zeigt die Revision daher keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO auf.

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