OGH 11Ns66/14s

OGH11Ns66/14s16.12.2014

Der Oberste Gerichtshof hat am 16. Dezember 2014 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner‑Foregger, Mag. Michel und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in der Strafsache gegen Markus K***** wegen der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall, Abs 2 SMG in dem zu AZ 18 U 423/14z des Bezirksgerichts Linz und zu AZ 7 U 222/14s des Bezirksgerichts Graz-West zwischen diesen Gerichten geführten Zuständigkeitsstreit nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung gemäß § 60 Abs 1 Satz 2 OGH‑Geo. 2005 den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0110NS00066.14S.1216.000

 

Spruch:

Für die Durchführung des Strafverfahrens ist das Bezirksgericht Leopoldstadt zuständig.

Gründe:

Rechtliche Beurteilung

Mit beim Bezirksgericht Linz eingebrachtem Strafantrag vom 14. Oktober 2014 (ON 30) legte die Staatsanwaltschaft Linz Markus K***** ein „ab Mitte April 2010 bis 19. Jänner 2014“ in „Linz und anderen Orten“ gesetztes, als die Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 erster und zweiter Fall, Abs 2 SMG beurteiltes Verhalten zur Last.

Nach der Aktenlage war Markus K***** am 14. Jänner 2012 am Hauptbahnhof in Linz im Besitz einer ‑ mit Suchtgiftrückständen behafteten ‑ Marihuanamühle („Grinder“) betreten worden (ON 2 S 39 ff). Anlässlich zweier Vernehmungen als Beschuldigter und im Zuge einer amtsärztlichen Befundaufnahme hatte er angegeben, von „ca 1999“ bis 13. Jänner 2012 wiederholt Marihuana in der „Haltestelle Praterstern“ in Wien erworben (ON 2 S 37) und in der Woche vor dem 19. April 2013 in Linz Cannabis, ferner in einem nicht näher bezeichneten Zeitraum davor an ungenannten Orten gelegentlich Cannabisprodukte und „Speed“ (ON 19 S 13 = ON 2 S 25 in ON 21) sowie zuletzt im Jänner 2014 Cannabis (ON 24 S 1 verso f) besessen zu haben.

Das Bezirksgericht Linz überwies die Sache mit der Begründung örtlicher Unzuständigkeit ‑ weil der Angeklagte zum Zeitpunkt der frühesten ihm angelasteten Straftat („Mitte April 2010“) in Graz polizeilich gemeldet gewesen sei ‑ dem Bezirksgericht Graz-West (ON 1 S 3 verso f). Dieses bezweifelte ‑ mit dem Hinweis, dass es sich dabei um eine bloße Obdachlosenmeldung handle und Tatorte in Graz nicht aktenkundig seien ‑ ebenfalls seine Zuständigkeit und verfügte (nach verfehlter Rückmittlung der Akten an das Bezirksgericht Linz und neuerlicher Übermittlung durch dieses [vgl dazu 13 Ns 34/13y = EvBl-LS 2013/171 mit Praxishinweis von Ratz; Oshidari, WK‑StPO § 38 Rz 18]) gemäß § 38 dritter Satz StPO die Vorlage der Akten an den Obersten Gerichtshof (ON 1 S 7 f; ON 32).

Für das Hauptverfahren ist ‑ soweit hier von Bedeutung - gemäß § 36 Abs 3 erster Satz StPO jenes Gericht örtlich zuständig, in dessen Sprengel die Straftat ausgeführt wurde. Wird eine Person wegen mehrerer Straftaten angeklagt, ist das Hauptverfahren vom selben Gericht gemeinsam zu führen (§ 37 Abs 1 erster Satz StPO). In diesem Fall kommt das Verfahren ‑ soweit hier relevant ‑ gemäß § 37 Abs 2 zweiter Satz StPO jenem Gericht zu, in dessen Zuständigkeit die frühere Straftat fällt. Eine Zuständigkeitsbegründung über die das Ermittlungsverfahren leitende Staatsanwaltschaft kommt im bezirksgerichtlichen Verfahren nicht in Betracht, weil § 37 Abs 2 dritter Satz StPO auf die ermittlungsführende Staatsanwaltschaft am Sitz des Landesgerichts abstellt (RIS-Justiz RS0129078; Oshidari, WK‑StPO § 37 Rz 6).

Die vom Bezirksgericht Linz vertretene Ansicht, die früheste vom Anklagevorwurf erfasste Tat sei an jenem Ort verübt worden, an dem der Angeklagte zur Zeit ihrer Begehung (als obdachlos [ON 7 S 5 = ON 29 S 3 verso]) polizeilich gemeldet gewesen sei, findet im Gesetz keine Stütze; Ausführungsort ‑ also jener Ort, an dem der Täter gehandelt hat oder hätte handeln sollen (§ 67 Abs 1 StGB) ‑eines Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 erster und zweiter Fall, Abs 2 SMG ist ‑ anders als beim Vergehen der Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 198 Abs 1 StGB (RIS‑Justiz RS0127231 [T2]) ‑ keineswegs immer der Wohnsitz des Täters.

Nach den bisherigen Verfahrensergebnissen (vgl Oshidari, WK-StPO § 38 Rz 2; Bauer, WK-StPO § 450 Rz 2) wurde die früheste dem Angeklagten zur Last gelegte ‑ auch einem bestimmten Tatort zuzuordnende (zur demgegenüber subsidiären Anknüpfung an den Wohnsitz oder Aufenthalt des Angeklagten vgl § 36 Abs 3 zweiter Satz StPO) ‑ Tat vielmehr in Wien Leopoldstadt begangen. Aus § 37 Abs 2 zweiter Satz StPO ergibt sich daher (wie bereits die Generalprokuratur zutreffend ausführte) die Kompetenz des ‑ wenngleich bislang nicht befassten (vgl 15 Ns 40/13w) ‑ Bezirksgerichts Leopoldstadt. Dieses wird mit Blick auf den Zwischenbericht des Vereins b.a.s. vom 20. Oktober 2014 (ON 31 S 3) zu beachten haben, dass (nach dem Aktenstand) die von der Staatsanwaltschaft zum Zeitpunkt der Anklageerhebung ‑ nach vorangegangenem vorläufigen Rücktritt von der Verfolgung unter Bestimmung einer zweijährigen Probezeit (ON 1 S 3) ‑ angenommenen Voraussetzungen für die Fortsetzung des Verfahrens gemäß § 38 (erkennbar gemeint:) Abs 1 Z 2 SMG (ON 1 S 3 verso; vgl auch ON 27) nicht vorlagen (§ 37 iVm § 35 Abs 1 SMG; RIS‑Justiz RS0113620).

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