Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass die Entscheidung ‑ unter Einschluss des in Rechtskraft erwachsenen Teils ‑ nunmehr insgesamt zu lauten hat:
„1. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen Zug um Zug gegen Übergabe von 1.488 Stück Zertifikate der M***** Limited (ISIN: JE OOB3DCF752) den Betrag von 28.478,43 EUR samt 4 % Zinsen seit 5. 7. 2010 zu bezahlen.
2. Das Mehrbegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei Zug um Zug gegen Übergabe von 1.488 Stück Zertifikate der M***** Limited (ISIN: JE OOB3DCF752) weitere 4.125,93 EUR samt über den zugesprochenen Zinsenbetrag hinausgehenden Staffelzinsen zu bezahlen, wird abgewiesen.
3. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 11.085,62 EUR (darin 977 EUR Barauslagen und 1.684,77 EUR USt) bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen zu ersetzen.“
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 5.544,60 EUR (darin 1.362 EUR Barauslagen und 697,10 EUR USt) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
Anteile der M***** Limited (in der Folge: Zertifikate) wurden erstmals im November 2002 an der Wiener Börse in Form von Austrian Depositary Certificates gehandelt. Die Beklagte übernahm die Platzierung dieser Zertifikate an der Börse sowie deren Market Making (die Verantwortung für ausreichende Liquidität und die Kursentwicklung). Der Vertrieb der Zertifikate erfolgte durch eine dazu gegründete 100-%ige Tochtergesellschaft der Beklagten (die M***** AG), die die Zertifikate durch Finanzberater verkaufte, durch die Beklagte selbst und auch durch andere Banken. Der Kurs entwickelte sich von 2003 bis Mitte 2007 mit geringen Schwankungen aufwärts.
Der Kläger ließ sich im Jänner 2007 vom Geschäftsführer eines Beratungsunternehmens, das Vertriebspartner der Beklagten war, zum Thema der Veranlagung seiner Ersparnisse beraten. Der Geschäftsführer orientierte sein Beratungsgespräch an ihm von der zuvor genannten Tochtergesellschaft der Beklagten ausgehändigten Schulungsunterlagen. Er empfahl dem Kläger den Kauf der Zertifikate und erklärte ihm, dass es sich dabei um Aktien handle und dass in Immobilien im Ausland veranlagt werde, wobei die Immobilien an große Konzerne vermietet seien. Der Berater wies den Kläger auf mögliche kurzfristige Kursschwankungen hin, erwähnte aber sonst keine speziellen Risiken der Veranlagung (wie etwa, dass die Immobilien teilweise belastet sind, oder dass die die Zertifikate ausgebende Gesellschaft ihren Sitz auf Jersey hat). Im Rahmen des mehr als einstündigen Beratungsgesprächs zeigte der Berater dem Kläger auch die zwölfseitige Verkaufsbroschüre Beil ./T, auf deren letzter Seite die Beklagte und deren für den Vertrieb zuständige Tochtergesellschaft genannt sind. Die Verkaufsbroschüre enthält ua folgende Formulierungen: „Als Aktiengesellschaft verbindet M***** die Vorteile von Realbesitz mit jenen von Wertpapieren: Sichere langfristige Anlagemöglichkeiten bei jederzeitiger Verfügbarkeit. [...] Sicherheit: Sichere, breit gestreute Immobilienveranlagung in Zeiten stark schwankender Aktienmärkte, hoher Steuern und niedriger Zinsen.“ Auf der vorletzten Seite ist eine Kurschart abgebildet, die eine positive Entwicklung des Kurses des Wertpapiers bis März 2006 zeigt. Der Kläger wurde durch den Verkaufsprospekt der Beklagten und die Angaben des Beraters, die den Inhalt des Verkaufsprospekts wiedergaben, über die Risikogeneigtheit der M*****-Papiere in Irrtum geführt und nahm im Vertrauen auf diesen Werbeprospekt die schadenauslösende Disposition, nämlich den Kauf von M*****‑Papieren, vor. Er erwarb mittels eines Auftrags an die depotführende Luxemburger Bank am 23. 1. 2007 929 Stück und am 26. 1. 2007 559 Stück Zertifikate um insgesamt 29.981,31 EUR (inkl Spesen). Die Käufe wurden von der depotführenden Bank direkt bei der Beklagten platziert. Den Kaufpreis überwies der Kläger an das Beratungsunternehmen. Dem Kläger war bekannt, dass bei Aktien grundsätzlich das Risiko eines Verlusts besteht, er ging aber aufgrund des Beratungsgesprächs und der Unterlagen davon aus, dass es sich bei den ihm empfohlenen Zertifiakten nur um ein vorübergehendes Risiko von Kursschwankungen im Bereich von 2 bis 3 % handeln könne, zumal der Kursverlauf immer ansteigend war. Der Berater erwähnte zwar mögliche kurzfristige Kursschwankungen, erklärte aber, dass der Kurs langfristig steigen werde. Der Kläger rechnete mit einer Rendite von 11 %. Spezielle Risikohinweise zum Wertpapierkauf wurden dem Kläger nicht ausgehändigt. Mitte 2007 erreichte der Kurs der Zertifikate einen Höchststand von 21,32 EUR und stürzte dann bis Ende 2008 auf unter 5 EUR ab. Der Kläger hat die Zertifikate noch nicht verkauft.
Der Kläger begehrte zuletzt (ON 19), die Beklagte schuldig zu erkennen, ihm Zug um Zug gegen Übergabe von 1.488 Stück Zertifikate 32.604,36 EUR samt gestaffelter Zinsen (29.981,30 EUR als Kaufpreis zuzüglich 4.125,94 EUR entgangener Gewinn aus Alternativveranlagung abzüglich 1.502,88 EUR Dividendenausschüttungen) zu zahlen, hilfsweise die Feststellung, dass die Beklagte dem Kläger für jeden Schaden aus dem Kauf von insgesamt 1.488 Stück Zertifikaten am 18. 1. 2007 bzw am 23. 1. 2007 um einen Gesamtpreis von 29.981,31 EUR hafte. Der Kläger fordere Schadenersatz in Form von Naturalrestitution, dies nach Abzug der erhaltenen Dividendenzahlung. Zwar habe er die Zertifikate von einer Drittbank erworben, er mache aber Ansprüche gegen die Beklagte aus culpa in contrahendo wegen ihrer Gehilfenstellung bei der Produktbewerbung haftbar. Die Beklagte habe als seriöse Traditionsbank mit dem bekannten Namen M***** besonderes Vertrauen des Klägers in Anspruch genommen. Mit den Behauptungen einer Mietrendite von 9 bis 14 % jährlich und einer sicheren Vermögensanlage in Immobilien sei dem Kläger ein falscher Eindruck vermittelt worden. Verschwiegen worden seien ihm die hohen Verwaltungskosten zugunsten der Beklagten, ebenso der Umstand, dass die die Zertifikate ausgebende Gesellschaft nicht Eigentümerin der Immobilien gewesen sei, und dass vertragliche Pfandrechte verbüchert gewesen seien. Die Werbung der Beklagten habe nicht offengelegt, dass auch Kursschwankungen bis hin zum Totalverlust möglich seien und dass es sich bei den Wertpapieren nicht um Aktien einer österreichischen Gesellschaft, sondern um Zertifikate eines ausländischen Unternehmens handle. Unrichtig sei die Behauptung, die Zertifikate befänden sich nahezu gänzlich in Streubesitz, sie seien vielmehr zu einem Drittel in der Hand eines einzigen Investors gewesen. Die Beklagte hafte auch nach § 1 UWG iVm § 2 UWG. Die Beklagte sei zur Einhaltung der Bestimmungen des § 4 Abs 3 KMG verpflichtet, dabei handle es sich um ein Schutzgesetz. Der Beklagten sei bekannt gewesen, dass die von ihr verbreiteten Informationen unrichtig und irreführend seien. Bei den Zertifikatsrückkäufen ab 9. 2. 2007 habe es sich um eine nach dem BörseG unzulässige Marktmanipulation gehandelt. Die Zertifikate hätten kurz nach dem Ankauf des Klägers stark an Wert verloren. Hätte der Kläger alle Tatsachen gekannt, dann hätte er diese Zertifikate nicht gekauft. Der Kläger habe seine Anlageentscheidung unter Zugrundelegung des Verkaufsprospekts Stand März 2006 und aufgrund der Zeitungs- und Fernsehwerbung getroffen. Er habe beabsichtigt, sein Geld sicher und gewinnbringend zu veranlagen. Die Beklagte habe den Kläger in Schädigungsabsicht wissentlich getäuscht. Sie sei für den Kapitalmarktprospekt der die Zertifikate ausgebenden Gesellschaft als inländische Anbieterin verantwortlich. Dem Kläger stehe das Rücktrittsrecht gemäß § 5 iVm § 6 KMG zu, weshalb er vom Kauf zurücktrete. Das Placement- und Market‑Maker Agreement zwischen der Beklagten und der Emittentin vom 17. 6. 2004 sei ein Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten der Anleger. Die Beklagte habe die Verpflichtungen aus dieser Vereinbarung nicht eingehalten. Zuletzt brachte der Kläger noch vor, zwischen den Streitteilen sei ein Kaufvertrag zustande gekommen, weil die Depotbank die Ankäufe bei der Beklagten platziert habe; der Berater des Klägers sei ein Vertriebspartner der Beklagten gewesen, die fehlerhafte Beratung sei daher der Beklagten zuzurechnen.
Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Sie sei nicht passiv legitimiert, weil der Kläger die Zertifikate weder von ihr gekauft noch mit ihr einen Depotvertrag abgeschlossen habe. Der Kläger habe die Wertpapiere nicht im Rahmen eines öffentlichen Angebots iSd § 1 Abs 1 Z 1 KMG erworben, dies sei aber eine Voraussetzung für die Anwendung des § 4 KMG. Die Zusicherung einer vergleichsweise höheren Sicherheit des Wertpapiers sei richtig gewesen, weil der Kursverlauf der Zertifikate von September 2002 bis Juni 2007 deutlich weniger volatil gewesen sei als der anderer Wertpapiere an der Wiener Börse. Weil zwischen den Streitteilen kein Vertrag bestanden habe, sei die Beklagte nicht dazu verpflichtet gewesen, den Kläger zu beraten. Der vom Kläger beigezogene Berater sei kein Erfüllungsgehilfe der Beklagten gewesen. Die Informationspflichten der §§ 48a bis 48d BörseG träfen den Emittenten und nicht die Beklagte. Es habe keine Marktmanipulation gegeben. Die von der die Zertifikate ausgebenden Gesellschaft bezahlten Gebühren seien im Kapitalmarktprospekt offen gelegt worden. Aus dem Rückkauf der Wertpapiere könnten allenfalls Ansprüche gegen die die Zertifikate ausgebende Gesellschaft, nicht aber gegen die Beklagte abgeleitet werden. Die Emission der Partly Paid Shares sei in einer Ad-hoc-Meldung bekanntgegeben worden; diese Papiere seien an der Börse nicht gehandelt worden und für die Streubesitzrechnung daher ohne Relevanz gewesen. Die Mietrendite habe 2005 tatsächlich 10,28 % betragen. Der Kläger hätte, wenn er die Zertifikate nicht gekauft hätte, andere Immobilienaktien gekauft und denselben Schaden erlitten, weil der Kurs aller dieser Wertpapiere seit 2007 massiv gefallen sei. Den Kläger treffe ein überwiegendes Mitverschulden, weil er den von ihm unterschriebenen Konto- und Depoteröffnungsantrag nicht gelesen habe. Wenn ihm eine Rendite von bis zu 10 % versprochen worden sei, hätte ihn dies zu besonderer Vorsicht verpflichtet. Die Ad-hoc-Meldungen stammten von der Emittentin und nicht von der Beklagten.
Das Erstgericht gab dem Hauptbegehren auf Zahlung mit einem Betrag von 31.484,19 EUR samt 4 % Zinsen seit 5. 7. 2010 Zug um Zug gegen Ausfolgung seiner Zertifikate statt und wies das Mehrbegehren (entgangener Zinsgewinn aus Alternativveranlagung; Staffelzinsen) unbekämpft ab. Mangels Vertrags zwischen den Streitteilen sei eine Irrtumsanfechtung und die Geltendmachung vertraglicher Schadenersatzansprüche ausgeschlossen. Die Depotbank sei Kommissionär gewesen, habe mit der Beklagten im eigenen Namen kontrahiert und sei daher eine Vertragspartei des Ausführungsgeschäfts. Dem Kläger stehe aber wegen der auf das allgemeine Zivilrecht gegründeten Prospekthaftung ‑ also Haftung für unrichtige, unvollständige oder irreführende Angaben in Werbeprospekten ‑ ein deliktischer Schadenersatzanspruch gegen die Beklagte zu. Die Beklagte habe sich nicht darauf verlassen dürfen, dass ihre falschen Angaben von dritter Seite ‑ hier vom Berater ‑ richtiggestellt würden. Ein Mitverschulden sei dem Kläger nicht anzulasten. Der zugesprochene Betrag errechne sich aus dem Veranlagungsbetrag von 29.981,31 EUR abzüglich der erhaltenen Dividenden von 1.502,88 EUR. Offenbar irrtümlich hat das Erstgericht diese beiden Beträge dann aber addiert.
Das Berufungsgericht änderte dieses nur von der Beklagten bekämpfte Urteil dahin ab, dass es das Klagebegehren zur Gänze abwies; es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Es gäbe keine Rechtsgrundlage, aufgrund welcher die Beklagte dem Kläger für den ihm durch die Veranlagung in die Zertifikate entstandenen Schaden hafte. Ein Vertrag zwischen den Streitteilen sei nicht zustande gekommen, weil die Depotbank die Wertpapiere von der Beklagten als Kommissionär gekauft habe, vertragliche Ansprüche daher grundsätzlich nur zwischen der Beklagten und der Kommissionärin bestünden (§ 392 Abs 1 UGB). Damit sei auch dem Vorbringen der Boden entzogen, der vom Kläger beigezogene Berater sei ein Erfüllungsgehilfe der Beklagten iSd § 1313a ABGB gewesen. Die vom Erstgericht angenommene Haftung für unrichtige Werbeangaben in einem Prospekt, der kein solcher im Sinne des KMG sei, setzte neben der Verbreitung eines fehlerhaften Prospekts zusätzlich voraus, dass der in Anspruch Genommene durch sein nach außen in Erscheinung tretendes Mitwirken an der Prospektgestaltung einen besonderen zusätzlichen Vertrauenstatbestand geschaffen habe, die Unrichtigkeit der Prospektangaben kenne oder zumindest kennen müsse, die unrichtigen, unvollständigen oder irreführenden Angaben wesentlich gewesen seien, also so geschaffen, dass sich unter Anlegung eines objektiven Maßstabs ein durchschnittlicher verständiger Anleger von diesen Angaben bei einer Auswahl unter mehreren Anlagemöglichkeiten beeinflussen lasse, und dass die fehlerhafte Prospektangabe auch die Grundlage für die Disposition des Anlegers gewesen sei. Unter diesen Voraussetzungen würden dem Publikum gegenüber bestehende Informationspflichten verletzt, die den vorvertraglichen Aufklärungspflichten entsprächen, dies mit der Konsequenz, dass der geschädigte Anleger beispielsweise auch den Prospektkontrollor unabhängig von einem unmittelbaren geschäftlichen Kontakt belangen könne. Den Feststellungen des Erstgerichts lasse sich aber nicht einmal entnehmen, dass der Kläger die Werbebroschüre überhaupt gelesen habe, geschweige denn, dass die Aussagen dieser Werbebroschüre die Grundlage für die Entscheidung des Klägers zum Kauf dieses Wertpapiers gewesen seien. Nach der Aussage des Klägers habe er offenbar hauptsächlich den Angaben seines Beraters vertraut; auf die Werbebroschüre nehme er nur insofern Bezug, als er auf die darin enthaltene (richtige) Darstellung des Kursverlaufs bis 24. 3. 2006 hingewiesen habe. Nach Aussage des Klägers scheine er zwar bemerkt zu haben, dass auf der letzten Seite der Werbebroschüre die M***** Bank, eine österreichische Bank, aufgeschienen sei, doch habe er nicht gesagt, allein aufgrund dieses Umstands besonderes Vertrauen in die Richtigkeit der Broschüre gehabt zu haben, die nach ihrem gesamten Eindruck viel eher von der (auch auf der ersten Seite der Broschüre genannten) M***** AG stamme. Der Kläger habe damit nicht bewiesen, dass die Beklagte sein besonderes Vertrauen erweckt habe, und könne seinen Anspruch nicht gegen die Beklagte wegen Verbreitung unrichtiger Werbebroschüren stützen. Da es dem Kläger nicht gelungen sei nachzuweisen, dass die Angaben im Werbeprospekt für seine Entscheidung zum Kauf der Zertifikate überhaupt kausal gewesen seien, gingen auch seine auf § 2 UWG und auf § 4 Abs 3 KMG gestützten Ansprüche fehl. Das nach seinem Vorbringen von ihm wahrgenommene Rücktrittsrecht nach § 5 KMG scheitere daran, dass er mit der Beklagten keinen Vertrag abgeschlossen habe, von dem er zurücktreten habe können. Die vom Kläger als unzulässige Marktmanipulation qualifizierten Zertifikatsrückkäufe seien laut seinem Vorbringen ab dem 9. 2. 2007 erfolgt, somit erst nach seinem Ankauf der Zertifikate. Allfällige Marktmanipulationen im Februar 2007 könnten daher auf die Entscheidung des Klägers im Jänner 2007, die Wertpapiere zu kaufen, keinen Einfluss gehabt haben. Der Kläger mache ja (nur) den Schaden geltend, der ihm durch den Kauf der Wertpapiere entstanden sei. Für den Inhalt von Ad‑hoc‑Meldungen der Emittentin hafte allenfalls diese, nicht aber die Beklagte. Das Placement- und Market Maker‑Agreement zwischen der Emittentin und der Beklagten sei kein Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten derjenigen Personen, die sich für den Kauf der Zertifikate interessierten; es sei nicht zu erkennen, inwiefern diese Personen durch die Erfüllung des Agreements besonders gefährdet sein sollen. Daher bestehe keine Rechtsgrundlage für den vom Kläger gegen die Beklagte erhobenen Schadenersatzanspruch.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig; das Rechtsmittel ist auch berechtigt.
Zutreffend macht der Kläger geltend, dass das Berufungsgericht zu Unrecht von der mangelnden Kausalität des Werbeprospekts für seine Kaufentscheidung ausgegangen ist.
1. Bei der Prospekthaftung ist zwischen der Haftung nach § 11 KMG für Kapitalmarktprospekte und jener nach allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen für Werbeprospekte, Fact Sheets (soweit sie nicht Teil des Kapitalmarktprospektes sind) uä zu unterscheiden (4 Ob 174/11h = RIS-Justiz RS0108623 [T1]). Der Oberste Gerichtshof hat bereits mehrfach ausgesprochen, dass Prospekthaftungsansprüche nicht nur nach § 11 KMG (mangelhafte Angaben im Kapitalmarktprospekt), sondern auch nach allgemein bürgerlich-rechtlichen Grundsätzen dann bestehen, wenn der Anleger durch falsche, unvollständige oder irreführende Prospektangaben zur Zeichnung einer Kapitalanlage bewegt wird. Es handelt sich dabei um eine typisierte Vertrauenshaftung aus Verschulden bei Vertragsabschluss (4 Ob 353/98k; 9 Ob 43/13h je mwN).
2.1. Durch die Verbreitung fehlerhafter Prospekte werden die dem Publikum gegenüber bestehenden Informationspflichten verletzt, die den vorvertraglichen Aufklärungspflichten entsprechen und auf denselben Grundwertungen beruhen (10 Ob 9/12i; 10 Ob 69/11m mwN). Der Prospekt bildet im Regelfall die Grundlage für den wirtschaftlich bedeutsamen und mit Risiken verbundenen Beteiligungsbeschluss. Aus diesem Grund muss sich der potentielle Kapitalanleger grundsätzlich auf die sachliche Richtigkeit und Vollständigkeit der im Prospekt enthaltenen Angaben verlassen dürfen. Es haben alle jene Personen für eine sachlich richtige und vollständige Information einzustehen, die durch ihr nach außen in Erscheinung tretendes Mitwirken an der Prospektgestaltung einen besonderen ‑ zusätzlichen ‑ Vertrauenstatbestand schaffen (RIS-Justiz RS0107352).
2.2. Unstrittig steht fest, dass die Beklagte den gegenständlichen Prospekt in Verkehr gebracht hat. Dass auch sein Inhalt der Beklagten verantwortlich zuzurechnen ist, ist deshalb nicht zweifelhaft, da die Beklagte im Prospekt als eines von zwei auf der letzten Seite in der Art eines Impressums genannten Unternehmen nach außen in Erscheinung tritt.
3.1. Ein durch irreführende Werbebroschüren verursachter Irrtum über die Risikogeneigtheit und Wertstabilität eines Wertpapiers kommt als Haftungsgrund für einen Schadenersatzanspruch in Betracht (8 Ob 17/12a; 4 Ob 207/11m; 2 Ob 24/13p; 9 Ob 43/13h). Die unrichtigen, unvollständigen oder irreführenden Angaben müssen darüber hinaus wesentlich, das heißt so beschaffen sein, dass sich unter Anlegung eines objektiven Maßstabs ein durchschnittlicher, verständiger Anleger von diesen Angaben bei einer Auswahlentscheidung unter mehreren Anlagemöglichkeiten beeinflussen lässt (RIS-Justiz RS0108624; 9 Ob 43/13h).
3.2. Nach den Feststellungen wurde der Kläger auch durch den Verkaufsprospekt der Beklagten über die Risikogeneigtheit des beworbenen Papiers in Irrtum geführt. Darüber hinaus steht fest, dass der Kläger nicht in dieses Papier investiert hätte, wäre er darüber aufgeklärt worden, dass nicht sämtliche Immobilien, die als Grundlage der Veranlagung dienen, unbelastet sind; ein Hinweis auf diesen im Anlassfall anlageentscheidenden Umstand ist dem Prospekt allerdings nicht zu entnehmen.
4.1. Auch im Rahmen der Prospekthaftung hat der Geschädigte entsprechend den allgemeinen Regeln im Schadenersatzrecht ua die Kausalität der mangelhaften Prospektinformation für die Erwerbsentscheidung zu beweisen (10 Ob 69/11m). Die Ursächlichkeit ist gegeben, wenn sich der Anleger im Vertrauen auf den ihm bekannten Prospekt zum Kauf entschlossen hat, wenn er also die unrichtigen, unvollständigen oder irreführenden Prospektangaben tatsächlich zur Grundlage seiner schadensauslösenden Disposition gemacht hat. Maßgeblicher Zeitpunkt für diesen Ursachenzusammenhang ist der des Vertragsabschlusses in Ansehung der konkreten Anlageentscheidung (RIS-Justiz RS0108626). In der Frage des Kausalitätszusammenhanges zwischen mangelhaften Prospektangaben und dem Anlageentschluss eines Anlegers ist ein Anscheinsbeweis nicht zulässig (RIS-Justiz RS0108627).
4.2. Der natürliche Kausalzusammenhang ist zu bejahen, wenn aus einer Tatsache (dem Verhalten des Beklagten) die andere Tatsache (der eingetretene Schadenserfolg) zu erschließen ist. Ob dieser natürliche Kausalzusammenhang gegeben ist, ist eine Tatsachenfeststellung. Nur wenn der natürliche Kausalzusammenhang durch die Tatsacheninstanzen bejaht wurde, kann die Frage des juristischen Kausalzusammenhanges als auch durch den Obersten Gerichtshof überprüfbare Rechtsfrage aktuell werden, wenn das anzuwendende Gesetz selbst ausdrückliche Kausalitätsregeln enthält oder solche voraussetzt (RIS-Justiz RS0022582).
4.3. Das Erstgericht hat festgestellt, dass der Berater dem Kläger im Rahmen eines mehr als einstündigen Beratungsgesprächs auch den Verkaufsprospekt gezeigt hat; es traf auch ausführliche Feststellungen zum Inhalt des Prospekts. Wenngleich auch disloziert im Rahmen der rechtlichen Beurteilung stellte das Erstgericht weiters fest, dass „der Kläger tatsächlich durch den Verkaufsprospekt der Beklagten und die Angaben des Beraters, die den Inhalt des Verkaufsprospekts wiedergaben, über die Risikogeneigtheit der M*****-Papiere in Irrtum geführt wurde und im Vertrauen auf diesen Werbeprospekt die schadenauslösende Disposition, nämlich den Kauf von M*****‑Papieren, vornahm.“
4.4. Aus diesen ‑ in der Berufung der Beklagten nicht angefochtenen und vom Berufungsgericht übernommenen ‑ Feststellungen ergibt sich zweifelsfrei, dass das Erstgericht von der natürlichen und juristischen Kausalität des Verkaufsprospekts für die Anlageentscheidung des Klägers ausgegangen ist. Auch die Berufung der Beklagten hat das Ersturteil so verstanden, dass der Prospektinhalt vom Kläger gelesen wurde und damit Entscheidungsgrundlage war; sie führt nämlich aus, dass das Erstgericht bei richtiger Gesamtbetrachtung der Beweisergebnisse „feststellen [hätte] müssen, dass der klagenden Partei beim Lesen des Prospekts hätte auffallen müssen, dass der Sitz der M***** in Jersey liegt“. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist daher die Kausalität zwischen Verkaufsprospekt und Anlageentscheidung des Klägers zu bejahen.
5. Der Revision ist Folge zu geben und das klagsstattgebende Urteil des Erstgerichts mit der Modifikation wieder herzustellen, dass ein dem Erstgericht offensichtlich unterlaufener Rechenfehler zu berichtigen war: Der zuzusprechende Betrag errechnet sich aus dem Veranlagungsbetrag von 29.981,31 EUR abzüglich der an den Kläger ausgeschütteten Dividenden in Höhe von insgesamt 1.502,88 EUR.
6. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 43 Abs 2 erster Fall ZPO, im Rechtsmittelverfahren iVm § 50 Abs 1 ZPO. Das geringfügige Unterliegen des Klägers im Zinsenbegehren betrifft nur einen Nebenanspruch und fällt kostenmäßig nicht ins Gewicht.
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