OGH 1Ob190/14v

OGH1Ob190/14v27.11.2014

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr.

Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski, Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätin Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei J***** R*****, vertreten durch Dr. Gerald Ruhri, Dr. Claudia Ruhri und Mag. Christian Fauland, Rechtsanwälte in Graz, gegen die beklagte Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1, Singerstraße 17‑19, und die Nebenintervenienten auf Seiten der beklagten Partei 1. Dr. M***** B*****, vertreten durch Dr. Karin Prutsch, Rechtsanwältin in Graz, und 2. H***** R*****, vertreten durch Dr. Ragossnig & Partner Rechtsanwalts GmbH, Graz, wegen 57.296 EUR sA und Feststellung (Streitwert: 4.000 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz vom 23. Juli 2014, GZ 5 R 62/14y‑45, mit dem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 31. Jänner 2014, GZ 27 Cg 36/12y‑35, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0010OB00190.14V.1127.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Der Antrag auf Zuspruch der Kosten der Revisionsbeantwortung der Erstnebenintervenientin auf Seiten der beklagten Partei wird gemäß § 508a Abs 2 Satz 2 ZPO abgewiesen.

Text

Begründung

Der Kläger stützt den erhobenen Amtshaftungsanspruch auf die Behauptung, er sei einer schikanösen Vorgehensweise durch seine Vorgesetzten ausgesetzt gewesen („Mobbing“), so etwa auch durch die Zurückhaltung von Informationen sowie auf falschen Gutachten basierenden Maßnahmen. Es sei deshalb zu einer psychischen Beeinträchtigung gekommen, für die ihm angemessenes Schmerzengeld und Verdienstentgang (Entgang der Zulage) zustehe. Das Feststellungsbegehren sei berechtigt, weil er aufgrund der erlittenen psychischen Alterationen den hinkünftigen Verdienstentgang derzeit nicht konkret beziffern könne.

Die Beklagte wendet im Wesentlichen ein, ihr Vorgehen sei im Rahmen ihrer gesetzlichen Verpflichtungen erfolgt; der Vorwurf eines Mobbings durch Organe der Beklagten sei unberechtigt.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Die vorgesetzte Dienstbehörde habe im Rahmen ihrer Fürsorgepflichten für die Sicherheit des Klägers und der übrigen Mitarbeiter zu sorgen, die durch die festgestellte psychische Erkrankung des Klägers in Verbindung mit seinem Recht zur Führung einer Dienstwaffe gefährdet erschienen sei. Ansprüche aus einem angeblich falschen Gutachten, das ein Gutachter nicht als Organ der Beklagten im Sinne des § 1 Abs 2 AHG, sondern als von der Beklagten beauftragter privater Sachverständiger erstattet habe, seien direkt gegen diesen, nicht aber gegen die Beklagte zu richten und könnten nicht auf das Amtshaftungsgesetz gestützt werden. Eine Sorgfaltswidrigkeit im Bezug auf eine behauptete Fehlerhaftigkeit des Gutachtens der Erstnebeninternvenientin könne den Organen der Beklagten, denen das aufgebrachte Verhalten des Klägers bekannt gewesen sei, nicht vorgeworfen werden, hätten doch diese als medizinische Laien eine ‑ behauptete ‑ Fehlerhaftigkeit des Gutachtens nicht erkennen können,

Ein einziges, im Rahmen einer ganzen Kette von notwendigen Maßnahmen vermutlich rechtsirrtümlich beauftragtes Gutachten zur Exekutivdiensttauglichkeit des Klägers, wiewohl zu diesem Zeitpunkt nur mehr dessen Restarbeitsfähigkeit zu beurteilen gewesen wäre, reiche nicht aus, um den Tatbestand des Mobbings zu erfüllen. Eine solche etwa überschießend angeordnete Untersuchung könne für die behauptete psychische Erkrankung des Klägers, die bereits viel früher festgestellt worden sei, nicht kausal gewesen sein. Der Vorwurf, er sei nicht über den wahren Sachverhalt aufgeklärt worden, sei unberechtigt, weil ihm sämtliche Gutachten zugestellt worden seien und auch ein Gespräch mit der Leiterin der Personalabteilung der Vollzugsdirektion stattgefunden habe.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision ist nicht zulässig.

1.1. Für Mobbing ist das systematische, ausgrenzende und prozesshafte Geschehen über einen längeren Zeitraum typisch, etwa durch systematische Verweigerung jeder Anerkennung, Isolation, Zurückhaltung von Informationen, Rufschädigung etc (RIS‑Justiz RS0124076 [T2]). Schon vor Einführung des § 43a BDG (Achtungsvoller Umgang [Mobbingverbot]) mit der Dienstrechts-Novelle 2009, BGBl I 2009/153, traf auch den öffentlich-rechtlichen Dienstgeber nicht nur bei einer vertraglichen Gestaltung des Dienstverhältnisses, sondern auch dann, wenn das Dienstverhältnis durch Ernennungsakt begründet wurde, die Fürsorgepflicht, die im privaten Arbeitsvertragsrecht in § 1157 ABGB und in zahlreichen sondergesetzlichen Vorschriften normiert ist (RIS-Justiz RS0021507).

1.2. Der Kläger behauptet, weil die Zurückhaltung von Informationen ihm gegenüber festgestellt sei, liege ein Abweichen von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs vor. Er kann ein solches schon deshalb nicht darlegen, weil er dabei nicht vom festgestellten Sachverhalt ausgeht; so etwa, wenn er trotz Bezugnahme im Betretungsverbot auf das gleichzeitig übermittelte Gutachten behauptet, das Betretungsverbot sei begründungslos verhängt worden, oder sich über die Feststellungen zur Übermittlung von (weiteren) Gutachten, zum geführten Gespräch und den dem Kläger eingeräumten Möglichkeiten zur Stellungnahme und zur Akteneinsicht hinwegsetzt. Auch bestreitet er bei seiner Darstellung, er sei von der Meldungslegung des Zweitnebenintervenienten gegenüber dem Anstaltsleiter über die dem Zweitnebenintervenienten gegenüber erfolgte Mitteilung des Zeugen K*****, der Kläger habe ihm lautstark und sichtlich erregt berichtet, er sei mit der Dienstpistole in der Absicht in das Büro gegangen, um den Zweitnebenintervenienten zu erschießen, habe aber im letzten Moment die Pistole hingeschmissen und dieser „Trottel“ habe nicht bemerkt, dass er ihn habe „umlegen“ wollen, nicht informiert worden, nach wie vor, dass dieses Gespräch überhaupt stattgefunden hat. Ausgehend von den Feststellungen zu diesem Gespräch, vermag der Kläger weder aufzuzeigen, warum in der unterlassenen Weiterleitung dieser ‑ richtigen ‑ Information Mobbing liegen sollte, noch warum ein Vorhalt dieser Meldung zu einem für ihn günstigeren Geschehensablauf geführt hätte.

Geht die Revision ‑ wie hier ‑ nicht vom festgestellten Sachverhalt aus, ist es dem Obersten Gerichtshof mangels einer gesetzmäßigen Ausführung dieses Revisionsgrundes verwehrt, auf materiell‑rechtliche Fragen einzugehen (RIS‑Justiz RS0043312 [T3]).

2. Zudem hinge die Beantwortung der Frage, ob es zusätzlich zur Übermittlung der Gutachten und zum ohnehin am 4. 5. 2009 abgehaltenen Gespräch zur Einräumung von Stellungnahmemöglichkeiten und zur Übermittlung einer Sachverhaltszusammenfassung an den rechtsfreundlichen Vertreter des Klägers mit dem Angebot der Freistellung der Akteneinsicht noch einer Aufklärung des Klägers über die Ursache der über ihn verhängten dienstlichen Maßnahmen bedurft hätte, maßgeblich von den Umständen des Einzelfalls ab, die einer beispielgebenden Entscheidung des Obersten Gerichtshofs entgegenstehen (RIS‑Justiz RS0042405).

3. Da eine aufzugreifende Fehlbeurteilung durch das Berufungsgericht nicht vorliegt, ist die außerordentliche Revision zurückzuweisen. Einer weitergehenden Begründung bedarf dies nicht (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).

4. Die Revisionsbeantwortung der Erstneben-intervenientin war mangels Freistellung nach § 508a Abs 2 Satz 2 ZPO nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig; ein Kostenersatz dafür steht daher nicht zu (RIS‑Justiz RS0043690 [T6, T7]).

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