OGH 8Ob116/14p

OGH8Ob116/14p25.11.2014

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Prof. Dr. Spenling als Vorsitzenden und durch den Hofrat Hon.‑Prof. Dr. Kuras, die Hofrätin Dr. Tarmann‑Prentner, sowie die Hofräte Mag. Ziegelbauer und Dr. Brenn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R***** OG, *****, vertreten durch Dr. Johannes Eltz, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. P***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Susanne Tichy‑Scherlacher, Rechtsanwältin in Graz, und 2. Mag. A***** P*****, vertreten durch Dr. Wolfgang Riha, Rechtsanwalt in Graz, wegen 1.) 1.108,75 EUR sA, 2.) Unterlassung (Streitwert: 5.000 EUR) und 3.) Feststellung (Streitwert: 2.000 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Berufungsgericht vom 25. Juni 2014, GZ 18 R 41/14d‑23, womit über Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichts Mödling vom 30. Jänner 2014, GZ 14 C 905/13k‑16, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0080OB00116.14P.1125.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der erstbeklagten Partei die mit 818,66 EUR bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung (darin enthalten 136,44 EUR USt) und der zweitbeklagten Partei die mit 818,66 EUR bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung (darin enthalten 136,44 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Klägerin erhebt folgende Begehren:

1. Die Beklagten seien zur ungeteilten Hand schuldig, der Klägerin 1.108,75 EUR samt Zinsen zu zahlen (Zahlungsbegehren).

2. Die Erstbeklagte sei schuldig, in Hinkunft die steuerliche Vertretung der Klägerin und jede Tätigkeit für sie zu unterlassen. Dieses Unterlassungsbegehren bewertete die Klägerin mit 5.000 EUR.

3. Zwischen den Streitteilen werde festgestellt, dass die Beklagten der Klägerin für sämtliche Schäden, die durch die Beitragstäterschaft an der Winkelschreiberei des Herrn W***** und der K***** GmbH entstehen, haften. Dieses Feststellungsbegehren bewertete die Klägerin mit 2.000 EUR.

Sie bringt dazu in der Klage, so weit für das Revisionsverfahren von Bedeutung, vor:

Zwischen der Klägerin und dem Zweitbeklagten sei vereinbart worden, Miteigentum an einer ‑ in der Klage genau bezeichneten ‑ Liegenschaft zu erwerben. Dies sei in weiterer Folge ‑ in der in der Klage näher dargestellten Weise über eine Treuhandvereinbarung ‑ erfolgt.

Zum Zahlungsbegehren:

Am 18. 6. 2013 habe die Klägerin das Vollmachtsverhältnis „für die Anteile der Klägerin“ aufgelöst. Die Erstbeklagte sei ab diesem Zeitpunkt nicht mehr befugt gewesen, für die Klägerin Handlungen zu setzen. Am 23. 7. 2013 sei vom Konto der Klägerin ein Betrag von 1.108,75 EUR abgebucht worden. Die Klägerin habe den Zweitbeklagten aufgefordert, ihr den dazugehörigen Beleg zu übermitteln. Am 26. 7. 2013 habe der Zweitbeklagte der Klägerin eine Honorarnote der Erstbeklagten vom 12. 7. 2013 übermittelt, in der die Erstbeklagte für die im Zeitraum 1. 4. 2013 bis 30. 6. 2013 erbrachten Leistungen einen Betrag von 1.108,75 EUR verrechne. Es sei zwischen der Klägerin und dem Zweitbeklagten jedoch vereinbart gewesen, dass Zahlungen an Dritte nur gemeinsam erfolgen sollten. Beide Beklagten hätten gewusst, dass die Klägerin mit den Leistungen der Erstbeklagten und der Zahlung dafür nicht einverstanden gewesen sei. Das Zahlungsbegehren werde auf jeden erdenklichen Rechtsgrund gestützt, insbesondere auf Geschäftsführung ohne Auftrag, Arglist und Schadenersatz.

Zum Unterlassungsbegehren:

Obwohl die Klägerin die Erstbeklagte mit Schreiben vom 18. 6. 2013 aufgefordert habe, jede Tätigkeit für sie zu unterlassen, habe diese am 12. 7. 2013 eine Honorarnote übermittelt und die Tätigkeit für die Klägerin fortgesetzt. Aufgrund der Reaktion der Erstbeklagten auf die erfolgte Auflösung der Vollmacht sei die Wiederholungsgefahr evident.

Zum Feststellungsbegehren:

W***** sei Angestellter der K***** GmbH. Dieser ‑ und damit die K***** GmbH ‑ hätten die Einnahmen‑Ausgabenrechnungen (Buchhaltung) sowie die Umsatzsteuervoranmeldungen für die Hausgemeinschaft der Klägerin und des Zweitbeklagten erstellt. Die Klägerin habe sich gegen diese Winkelschreiberei ausgesprochen, weil weder W***** noch die K***** GmbH zur Erstellung von Einnahmen‑Ausgabenrechnungen (Buchhaltung) und Umsatzsteuervoranmeldungen für die Hausgemeinschaft befugt seien. Die Erstbeklagte habe dazu geäußert, dass sie bislang nicht erkennen konnte, dass es W***** an der erforderlichen Qualifikation mangle. Auf das Wesentliche ‑ die Winkelschreiberei ‑ sei die Erstbeklagte nicht eingegangen. Aus dieser Äußerung gehe zweifelsfrei hervor, dass die Erstbeklagte und auch der Zweitbeklagte an dieser Winkelschreiberei zumindest durch Duldung mitwirkten. Die Beklagten würden daher für jeden Schaden haften, der durch die Beitragstäterschaft an der Winkelschreiberei des W***** und der K***** GmbH entstehe. Die Klägerin habe ein rechtliches Interesse an der Feststellung dieser Haftung, es könne noch nicht festgestellt werden, wie hoch der Schaden sein werde.

Das Erstgericht wies sämtliche Klagebegehren wegen Unschlüssigkeit ab.

Das Berufungsgericht gab der von der Klägerin dagegen erhobenen Berufung nicht Folge.

Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteige. Hinsichtlich des Unterlassungsbegehrens folgte es der Bewertung durch die Klägerin. Hinsichtlich des Feststellungsbegehrens sei jedoch angesichts der möglichen wirtschaftlichen Folgen von einem Streitwert von zumindest 4.000 EUR auszugehen.

Über Antrag der Klägerin sprach das Berufungsgericht gemäß § 508 Abs 1 ZPO aus, dass die ordentliche Revision doch zulässig sei.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen erhobene Revision der Klägerin ist gemäß § 502 Abs 2 ZPO iVm § 55 Abs 1 und Abs 4 JN jedenfalls unzulässig.

1. Werden in einer Klage mehrere Forderungen geltend gemacht, bilden sie nur dann einen einheitlichen Streitgegenstand, wenn die Voraussetzungen des § 55 Abs 1 JN vorliegen, andernfalls sind sie getrennt zu behandeln (RIS‑Justiz RS0053096). § 55 Abs 1 JN ist als Ausnahme vom Grundsatz der Nichtzusammenrechnung anzusehen, sodass eine Zusammenrechnung im Zweifel ausscheidet (RIS‑Justiz RS0122950). Für die Beurteilung des Vorliegens der Voraussetzungen dieser Bestimmung ist von den Angaben in der Klage auszugehen (RIS‑Justiz RS0106759).

2. Nach § 55 Abs 1 Z 2 JN sind mehrere in einer Klage geltend gemachte Ansprüche zusammenzurechnen, wenn sie von mehreren Parteien oder gegen mehrere Parteien erhoben werden, die Streitgenossen nach § 11 Z 1 ZPO sind. Werden wie im vorliegenden Fall mehrere Personen geklagt, verlangt das Gesetz daher eine materielle Streitgenossenschaft auf Beklagtenseite. Dafür ist Voraussetzung, dass ein einheitlicher rechtserzeugender Tatbestand behauptet wird, ohne dass für einen Streitgenossen noch weitere rechtserzeugende Tatsachen für die Ableitung des Anspruchs hinzutreten (3 Ob 48/09v mwH; RIS‑Justiz RS0035450) oder bereits von vornherein unterschiedliche rechtserzeugende Tatsachen vorliegen (Schubert in Fasching/Konecny II/1² § 11 ZPO Rz 10). Besteht eine derartige Rechtsgemeinschaft lediglich im Vorfragenbereich, so ist eine Zusammenrechnung ausgeschlossen (Gitschthaler in Fasching/Konecny² § 55 JN Rz 23 mwH).

An diesen Voraussetzungen fehlt es hier: Die von der Klägerin erhobenen Klagebegehren können nicht aus demselben Klagesachverhalt abgeleitet werden, es ist vielmehr für jeden der Ansprüche ein eigenes Sachvorbringen erforderlich und erstattet worden. Jeder der Ansprüche kann ein ganz verschiedenes rechtliches und tatsächliches Schicksal haben, sie werden auf unterschiedliche Rechtsnormen gestützt und sind gesondert zu beurteilen.

3. Auch die Prüfung nach § 55 Abs 1 Z 1 JN ‑ gegen den Erstbeklagten wurde neben dem Zahlungs‑ und dem Feststellungsbegehren auch noch das nur gegen ihn gerichtete Unterlassungsbegehren erhoben ‑ führt zu keinem anderen Ergebnis: Mehrere Ansprüche stehen in tatsächlichem Zusammenhang, wenn sie aus demselben Klagesachverhalt abgeleitet werden können, wenn also das für einen Anspruch erforderliche Sachvorbringen ausreicht, um auch über die anderen Ansprüche entscheiden zu können, ohne dass noch ergänzendes Sachvorbringen erforderlich wäre. Ein rechtlicher Zusammenhang liegt vor, wenn die Ansprüche aus demselben Vertrag oder derselben (auf einen einheitlichen Sachverhalt angewendeten) Rechtsnorm abgeleitet werden (Mayr in Rechberger 4 § 55 JN Rz 2 und 3 mwN). Beides ist hier aus den oben angestellten Überlegungen nicht der Fall.

4. Da keines der Klagebegehren die nach § 502 Abs 2 ZPO maßgebliche Wertgrenze von 5.000 EUR übersteigt, war die Revision als jedenfalls unzulässig zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagten haben auf die Unzulässigkeit der Revision in ihren Revisionsbeantwortungen hingewiesen.

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