OGH 3Ob48/09v

OGH3Ob48/09v25.3.2009

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie die Hofräte und Hofrätinnen Hon.-Prof. Dr. Sailer, Dr. Lovrek, Dr. Jensik und Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Wilfried Leys, Rechtsanwalt, Landeck, Malserstraße 49a, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der B***** GmbH (AZ 19 S 124/05s des Landesgerichts Innsbruck), gegen die beklagten Parteien 1. Franz B*****, und 2. Irmgard B*****, beide *****, beide vertreten durch Dr. Gerhard Ebner, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Anfechtung (Streitwert 70.000 EUR), infolge „außerordentlicher" Revision der beklagten Parteien (Revisionsinteresse 52.500 EUR) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 16. Jänner 2009, GZ 1 R 258/08p-26, womit über Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 22. Juli 2008, GZ 14 Cg 159/07p-22, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Akt wird dem Erstgericht zur Vorlage an das Berufungsgericht zurückgestellt.

Text

Begründung

Der Kläger begehrt mit der am 30. Oktober 2007 beim Erstgericht eingelangten und auf §§ 2 und 3 AnfO gestützten Klage, die Beklagten schuldig zu erkennen, die Exekution des Klägers gegen Leopold B***** zur Hereinbringung einer vollstreckbaren Forderung von 178.615,39 EUR sA und Kosten ob den dem Verpflichteten gehörigen Liegenschaftsanteilen, mit welchen untrennbar Wohnungseigentum an einer Einheit verbunden ist, durch zwangsweise Pfandrechtsbegründung und/oder Zwangsversteigerung zu dulden. Die Beklagten (Vater und Stiefmutter des Leopold B*****) hätten auf das am 23. Februar/27. Februar 2006 vertraglich vereinbarte und in der Folge auch verbücherte Belastungs- und Veräußerungsverbot keinen Rechtsanspruch gehabt. Den Beklagten sei die Zahlungsunfähigkeit Leopold B*****s bekannt gewesen bzw hätte ihnen die Zahlungsunfähigkeit bekannt sein müssen.

Mit am 20. März 2008 (ON 11) eingelangtem Schriftsatz dehnte der Kläger das Klagebegehren dahin aus, dass die Beklagten schuldig seien, die Exekution des Klägers zur Hereinbringung der genannten vollstreckbaren Forderung ob den genannten Miteigentumsanteilen im Range vor den zugunsten der Beklagten einverleibten Wohnungsgebrauchsrechten durch zwangsweise Pfandrechtsbegründung und/oder Zwangsversteigerung zu dulden bzw in die Befriedigung dieser Forderung vor den zugunsten der Beklagten einverleibten Wohnungsgebrauchsrechten einzuwilligen. Die Einverleibung der Wohnungsgebrauchsrechte sei erst nach Zustellung der Anfechtungsklage erfolgt. Durch die Einräumung der Wohnungsgebrauchsrechte sei der Wert des Wohnungseigentumsobjekts erheblich geschmälert worden. Das Erstgericht wies die Klagebegehren zur Gänze ab. Das Berufungsgericht änderte über Berufung des Klägers das Urteil der Erstrichterin teilweise dahin ab, dass es dem ursprünglich erhobenen Klagebegehren hinsichtlich beider Beklagten zur Gänze und in Ansehung der Zweitbeklagten auch dem ausgedehnten Klagebegehren stattgab. In Ansehung der Abweisung des ausgedehnten Klagebegehrens gegenüber dem Erstbeklagten bestätigte das Berufungsgericht das Ersturteil. Das Berufungsgericht sprach aus, dass der jeweilige Wert des Entscheidungsgegenstands 4.000 EUR, nicht aber 20.000 EUR übersteige und erklärte die Revision für nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

In ihrer gegen das Berufungsurteil primär erhobenen „außerordentlichen" Revision vertreten die Beklagten den Standpunkt, dass die gegen die Beklagten erhobenen Ansprüche sowohl in einem tatsächlichen als auch in einem rechtlichen Zusammenhang stünden. Das Berufungsgericht habe daher bei der Bewertung des Entscheidungsgegenstands gegen zwingende Bewertungsvorschriften verstoßen. Hilfsweise stellen die Beklagten einen Antrag gemäß § 508 ZPO, verbunden mit der Ausführung einer ordentlichen Revision. Das Erstgericht legte die gegen das Berufungsurteil erhobene „außerordentliche" Revision der Beklagten unmittelbar dem Obersten Gerichtshof vor.

Da die in der Revision aufgestellte Behauptung, das Berufungsgericht habe gegen zwingende Bewertungsvorschriften verstoßen, unzutreffend ist, widerspricht diese Vorgangsweise der seit Inkrafttreten der WGN 1997 geltenden Rechtslage:

Werden mehrere Forderungen geltend gemacht, dann bilden sie nur dann einen einheitlichen Streitgegenstand, wenn die Voraussetzungen des § 55 Abs 1 JN vorliegen; andernfalls sind sie getrennt zu behandeln. Diese Regelung ist gemäß Abs 4 leg cit auch für die Zulässigkeit von Rechtsmitteln maßgebend. Demnach sind für die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision mehrere in einer Klage von einer einzelnen Partei erhobenen Ansprüche nur dann zusammenzurechnen, wenn sie iSd § 55 Abs 1 Z 1 JN in einem tatsächlichen oder rechtlichen Zusammenhang stehen. Mehrere Ansprüche stehen in einem tatsächlichen Zusammenhang, wenn sie allesamt aus dem selben Klagesachverhalt abgeleitet werden können, wenn also das für einen Anspruch erforderliche Sachvorbringen ausreicht, um auch über die anderen geltend gemachten Ansprüche entscheiden zu können, ohne dass noch ein ergänzendes Sachvorbringen erforderlich wäre (RIS-Justiz RS0042766; 3 Ob 110/08k). Ein rechtlicher Zusammenhang liegt dagegen vor, wenn die Ansprüche aus dem selben Vertrag oder aus der selben Rechtsnorm abgeleitet werden und miteinander in einem unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang stehen (RIS-Justiz RS0037648). Ein solcher Zusammenhang besteht jedoch dann nicht, wenn jeder der mehreren Ansprüche ein ganz verschiedenes rechtliches und tatsächliches Schicksal haben kann; in einem solchen Fall ist jeder Anspruch gesondert zu beurteilen (RIS-Justiz RS0037899). Bei Prüfung dieser Frage ist von den Klageangaben auszugehen (RIS-Justiz RS0106759). Dass für alle Rechtshandlungen der gleiche Anfechtungstatbestand behauptet wird, reicht nach ständiger Rechtsprechung zur Annahme eines rechtlichen Zusammenhangs nicht aus (7 Ob 282/01y = ZIK 2002/86, 64; 3 Ob 110/08k; RIS-Justiz RS0042938).

Im hier zu beurteilenden Fall macht der Kläger einerseits einen Anfechtungsanspruch geltend, der sich gegen die Wirksamkeit des zugunsten der Beklagten einverleibten Veräußerungs- und Belastungsverbots richtet. Andererseits wendet sich der Kläger mit seinem ausgedehnten Begehren gegen die Wirksamkeit der zugunsten der Beklagten einverleibten Wohnungsgebrauchsrechte. Jede dieser Anfechtungen kann ein verschiedenes rechtliches Schicksal haben. Die Beklagten werden aber auch nicht aus demselben tatsächlichen oder rechtlichen Grund, somit als materielle Streitgenossen iSd § 55 Abs 1 Z 2 JN, in Anspruch genommen: Dafür wäre Voraussetzung, dass ein einheitlicher rechtserzeugender Tatbestand behauptet wird, ohne dass für einen Streitgenossen noch weitere rechtserzeugende Tatsachen für die Ableitung des Anspruchs hinzutreten (RIS-Justiz RS0035450; 10 Ob 106/00m; zuletzt 1 Ob 63/08h). Im konkreten Fall leitet der Kläger seine Anfechtungsansprüche zwar aus gleichartigen, aber getrennt zu beurteilenden Vereinbarungen (Einräumung eines Belastungs- und Veräußerungsverbots, Einräumung von Wohnungsgebrauchsrechten) ab; der den jeweiligen Begehren zugrundeliegende rechtserzeugende Sachverhalt ist daher nicht derselbe: Vielmehr ist für jeden Beklagten gesondert das Vorliegen einer Benachteiligung iSd § 2 AnfO durch die jeweilige Rechteeinräumung bzw die Kenntnis (oder fahrlässige Unkenntnis) der Benachteiligungsabsicht zu prüfen. Das gilt auch für den ebenfalls geltend gemachten Anfechtungstatbestand des § 3 Z 1 AnfO, der eine gesonderte Prüfung der jeweils mit den Beklagten getroffenen Vereinbarungen auf ihre Unentgeltlichkeit erfordert. Die gegen die Beklagten erhobenen Begehren beruhen lediglich auf gleichartigen tatsächlichen und rechtlichen Klagegründen, nicht aber auf einem einheitlichen rechtserzeugenden Sachverhalt.

Zutreffend ist daher das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass mangels der Voraussetzungen des § 55 Abs 1 JN jede der angefochtenen Rechtshandlungen in Ansehung der Zulässigkeit der Revision gesondert zu beurteilen ist.

Die Bewertung durch das Berufungsgericht iSd § 500 Abs 2 ZPO ist unanfechtbar (RIS-Justiz RS0042410) und für den Obersten Gerichtshof bindend, es sei denn, das Berufungsgericht hätte zwingende gesetzliche Bewertungsvorschriften verletzt oder den ihn vom Gesetzgeber eingeräumten Ermessensspielraum überschritten (RIS-Justiz RS0042410 [T26]). Entsprechende Behauptungen stellen die Beklagten - die sich ausschließlich darauf berufen, dass die geltend gemachten Anfechtungsansprüche zusammenzurechnen seien - gar nicht auf. Es ist somit § 502 Abs 3 ZPO idF der WGN 1997 anzuwenden, wonach die Revision - außer im Fall des § 508 Abs 3 ZPO - jedenfalls unzulässig ist, wenn der Entscheidungsgegenstand an Geld oder an Geldeswert zwar 4.000 EUR, nicht aber insgesamt 20.000 EUR übersteigt und das Berufungsgericht die ordentliche Revision nach § 500 Abs 2 Z 3 ZPO für nicht zulässig erklärt hat. Unter diesen Voraussetzungen kann jedoch eine Partei nach § 508 Abs 1 und 2 ZPO binnen vier Wochen nach der Zustellung des Berufungsurteils den beim Erstgericht (§ 508 Abs 2 erster Satz ZPO) einzubringenden Antrag an das Berufungsgericht stellen, seinen Ausspruch dahin abzuändern, dass die ordentliche Revision doch für zulässig erklärt werde; ein solcher Antrag, der mit der ordentlichen Revision zu verbinden ist, muss die Gründe anführen, warum entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichts nach § 502 Abs 1 ZPO die ordentliche Revision für zulässig erachtet wird. Einen entsprechenden (Eventual-)Antrag haben die Beklagten gestellt, über den das Berufungsgericht zu entscheiden haben wird.

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