OGH 8Ob111/14b

OGH8Ob111/14b30.10.2014

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsrekursgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Spenling als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.‑Prof. Dr. Kuras, die Hofrätin Dr. Tarmann‑Prentner und die Hofräte Mag. Ziegelbauer und Dr. Brenn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei F***** S*****, vertreten durch die Dr. Helene Klaar und Dr. Norbert Marschall Rechtsanwälte OG in Wien, gegen die beklagte Partei Mag. H***** S*****, pA S***** GmbH, *****, wegen Unterhalt, über den Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen des Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 5. September 2014, GZ 43 R 465/14x‑6, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Hernals vom 5. August 2014, GZ 3 C 19/14d‑2, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0080OB00111.14B.1030.000

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

 

Begründung:

Die Streitteile sind verheiratet; ein Scheidungsverfahren ist nicht anhängig. Die häusliche Gemeinschaft wurde aufgehoben. Die frühere Ehewohnung befand sich an der aktuellen Anschrift der Klägerin (im Sprengel des Bezirksgerichts Hernals).

Mit der beim Bezirksgericht Hernals eingebrachten Klage begehrt die Klägerin Rechnungslegung und Zahlung des sich daraus ergebenden Unterhalts. In der Klage hat sie als Zustellanschrift des Beklagten folgende Adresse (im Sprengel des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien) angeführt: „pA S***** GmbH, *****“. Der Beklagte habe im Oktober 2000 die häusliche Gemeinschaft aufgehoben. Er sei offenbar nach wie vor Geschäftsführer der ***** GmbH sowie der S***** GmbH und zu 50 % auch Gesellschafter des zuletzt genannten Unternehmens. In einem anderen Verfahren vor dem Bezirksgerichts Hernals hätten keine Zustellungen an den Beklagten vorgenommen werden können, weil dieser immer wieder ortsabwesend gemeldet gewesen sei. Aus diesem Grund hätte eine Abwesenheitskuratorin bestellt werden müssen. Es sei zu befürchten, dass auch im zugrunde liegenden Verfahren keine Zustellungen an den Beklagten möglich seien. Die Klägerin könne nicht angeben, wo der Beklagte nun tatsächlich konkret aufhältig bzw wohnhaft sei.

Das Erstgericht wies die Klage (wegen örtlicher Unzuständigkeit) zurück. Der in der Klage angegebene Arbeits- bzw Beschäftigungsort begründe einen gewöhnlichen Aufenthalt, sofern das Arbeitsverhältnis nicht bloß vorübergehender Natur sei (EFSlg 46.611). § 76a JN sei nicht anwendbar, weil keine Scheidungsklage anhängig sei.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Die zuständigkeitsbegründenden Angaben in der Klage würden sich auf die S***** GmbH beziehen. Die weiteren Ausführungen, wonach die Klägerin nicht angeben könne, wo der Beklagte konkret aufhältig sei, stellten keinen inhaltlichen Widerruf dar. Demnach sei der allgemeine Gerichtsstand iSd § 66 Abs 2 JN gegeben. Selbst wenn der subsidiäre allgemeine Gerichtsstand nach § 67 JN heranzuziehen wäre, sei dafür der letzte Aufenthalt des Beklagten an der Adresse der S***** GmbH maßgebend. Der Vollständigkeit halber sei darauf hinzuweisen, dass seit 18. 6. 2011 in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union die EU-Unterhaltsverordnung (Verordnung 4/2009/EG ; EuUntVO) anzuwenden sei. Das Zuständigkeitsregime des Art 3 leg cit sei aber nur dann heranzuziehen, wenn mindestens eine der beteiligten Verfahrensparteien zum Zeitpunkt der Anhängigkeit des Verfahrens ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder einen über die bloße Anwesenheit hinausgehenden Aufenthalt außerhalb des Gerichtsstaats habe. Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil zu dieser Frage höchstgerichtliche Rechtsprechung fehle.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der Revisionsrekurs der Klägerin, der auf eine Behebung des Beschlusses auf Zurückweisung der Klage abzielt.

Rechtliche Beurteilung

Das Rekursgericht hat den ordentlichen Revisionsrekurs für zulässig erklärt. Da es sich um einen Streit über den gesetzlichen Unterhalt zwischen Ehegatten (§ 49 Abs 2 Z 2 JN) handelt, hängt die Zulässigkeit des Revisionsrekurses nach § 528 Abs 2 ZPO nicht von den dort genannten Wertgrenzen und damit nicht von einer Bewertung des Entscheidungsgegenstands durch das Rekursgericht ab. Der Revisionsrekurs erweist sich daher als nicht jedenfalls unzulässig. Es kommt somit auf das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 528 Abs 1 ZPO an.

Entgegen dem ‑ den Obersten Gerichtshof nicht bindenden ‑ Ausspruch des Rekursgerichts ist der Revisionsrekurs mangels Vorliegens einer entscheidungsrelevanten erheblichen Rechtsfrage iSd § 528 Abs 1 ZPO nicht zulässig.

1.  Trotz Zulässigerklärung des Revisionsrekurses durch das Rekursgericht muss der Rechtsmittelwerber eine erhebliche Rechtsfrage aufzeigen. Gelingt ihm dies nicht, so ist das Rechtsmittel ungeachtet des Zulässigkeitsausspruchs zurückzuweisen.

Die vom Rekursgericht als erheblich qualifizierte Rechtsfrage der Anwendbarkeit der EU‑Unterhaltsverordnung (siehe dazu die Erwägungsgründe 1, 9 und 31 der VO 4/2009/EG ; vgl auch Andrae in Rauscher EuZPR/EuIPR, Art 3 EG‑UntVO Rz 18) wird von der Klägerin in ihrem Rechtsmittel nicht angesprochen. Vielmehr beruft sie sich auf den Gerichtsstand nach § 67 JN. Dazu führt sie aus, dass ihr der tatsächliche Wohn‑ bzw Aufenthaltsort des Beklagten nicht bekannt sei und der ihr bekannte letzte Wohnsitz und gewöhnliche Aufenthalt des Beklagten an der Adresse der Ehewohnung bestanden habe. In einem Verfahren vor dem Bezirksgericht Hernals aus dem Jahr 2013 hätten am Sitz des Unternehmens des Beklagten keine Zustellungen vorgenommen werden können.

Damit zeigt die Klägerin keine erhebliche Rechtsfrage auf.

2.  Vorweg ist darauf hinzuweisen, dass kein Scheidungsverfahren anhängig ist. Aus diesem Grund ist der Zuständigkeitstatbestand des § 76a JN im Anlassfall nicht anwendbar.

3.1  Als Anschrift und Zustelladresse des Beklagten hat die Klägerin in der Klage dessen Geschäftsadresse angegeben. Eine Zustellung müsste somit jedenfalls an dieser Adresse versucht werden. Mit dem Argument, an dieser Adresse könne voraussichtlich nicht zugestellt werden, kann die Klägerin nicht die örtliche Zuständigkeit eines anderen Gerichts begründen. Vielmehr bringt sie mit der Angabe der Zustelladresse zum Ausdruck, dass es sich bei der angegebenen Adresse um die letzte ihr bekannte Anschrift des Beklagten gehandelt hat. In dieser Hinsicht gesteht sie ausdrücklich zu, dass der von ihr angegebene Arbeits- bzw Beschäftigungsort einen gewöhnlichen Aufenthalt begründet, „allerdings nur dann, wenn sich die Person auch tatsächlich dort aufhält“ (vgl RIS‑Justiz RS0102776).

Konkret folgt aus diesen zuständigkeitsbegründenden Angaben der Klägerin, dass sich (jedenfalls) der letzte gewöhnliche Aufenthalt des Beklagten an der in der Klage angegebenen Adresse befunden hat.

3.2  § 67 JN bestimmt den subsidiären allgemeinen Gerichtsstand. Fehlt es an einem (feststellbaren) Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt (im Inland oder anderswo), so wird der allgemeine Gerichtsstand durch den jeweiligen (derzeitigen) inländischen Aufenthaltsort begründet. Wenn auch ein derzeitiger Aufenthalt im Inland fehlt oder ein solcher nicht bekannt ist, bestimmt sich der allgemeine Gerichtsstand nach dem letzten Wohnsitz oder Aufenthalt im Inland. Dabei darf § 67 Satz 2 JN nicht extensiv ausgelegt werden. Konkurriert in einem solchen Fall ein Ort des letzten Wohnsitzes mit dem letzten Aufenthalt des Beklagten, so hat der Kläger die Wahl, weil das Gesetz dem letzten Wohnsitz nicht den Vorrang einräumt ( Simotta in Fasching/Konecny ² § 68 JN Rz 6).

Selbst wenn man im Anlassfall die Anwendbarkeit des § 67 JN unterstellen würde, hätte sich die Klägerin mit ihren zuständigkeitsbegründenden Angaben in der Klage auf den (letzten) Beschäftigungsort des Beklagten bezogen und damit diesen Ort als Anknüpfungspunkt für die örtliche Zuständigkeit gewählt. Die Ansicht des Rekursgerichts, dass sich die örtliche Zuständigkeit sowohl gemäß § 66 JN als auch gemäß § 67 JN nach der von der Klägerin angegebene Geschäftsanschrift des Beklagten richte, erweist sich damit als nicht korrekturbedürftig.

Mangels erheblicher Rechtsfrage iSd § 528 Abs 1 ZPO war der Revisionsrekurs der Klägerin zurückzuweisen.

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