OGH 5Ob164/14z

OGH5Ob164/14z23.10.2014

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Lovrek, Dr. Höllwerth, Dr. Grohmann und Mag. Wurzer als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache der Antragstellerin M***** A*****, vertreten durch Dr. Manfred Müllauer, Rechtsanwalt in Wien, gegen die Antragsgegnerin N***** AG, *****, vertreten durch Partnerschaft Schuppich Sporn & Winischhofer Rechtsanwälte in Wien, wegen § 37 Abs 1 Z 8 MRG iVm § 12a Abs 1 MRG, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragsgegnerin gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 1. Juli 2014, GZ 40 R 307/13p‑49, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 37 Abs 3 Z 16 MRG iVm § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 71 Abs 3 AußStrG).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1.1. Zur Berücksichtigung der Art der im Mietgegenstand ausgeübten Geschäftstätigkeit gemäß § 12a Abs 2 MRG liegt ‑ beginnend mit 5 Ob 109/97h (SZ 70/74 = immolex 1997/165 [Lovrek] = JBl 1997, 724) ‑ eine umfangreiche Rechtsprechung des erkennenden Senats vor (RIS‑Justiz RS0107998, RS0107999), an deren Grundsätzen sich das Rekursgericht orientiert hat. Danach soll die Mietzinsreduzierung gemäß § 12a Abs 2 MRG zunächst einmal nicht die Existenz bestimmter Personen, sondern bestimmter Branchen am konkreten Standort ermöglichen. Auch bei den Branchen ist jedoch nach sozialen Gesichtspunkten zu differenzieren. Mit dem dehnbaren Begriff „Art der Geschäftstätigkeit“ sollte offensichtlich ein Beurteilungsspielraum geschaffen werden, der es ermöglicht, die Mietzinsreduzierung nur den typischerweise ertragsschwachen Branchen zugutekommen zu lassen und unter diesen wiederum nur jenen, die selbst ‑ wie etwa die Nahversorger ‑ eine vom Gesetzgeber als schützenswert anerkannte soziale Aufgabe in den Versorgungsstrukturen des betreffenden Gebiets erfüllen. Neben die dem Tatsachenbereich zuzuordnende Beurteilung, ob es sich um eine „ertragsschwache“ Branche handelt, tritt somit als zweites notwendiges Element die der rechtlichen Beurteilung unterliegende soziale Komponente, welche grundsätzlich dann gegeben ist, wenn die Versorgung der Bevölkerung mit Sachgütern und Dienstleistungen des täglichen Lebens durch den konkreten Geschäftszweck gesichert werden soll. Wird jedoch dieser Kreis der „Nahversorger“ verlassen, bedarf es konkreter Anhaltspunkte für eine besondere Schutzwürdigkeit der betreffenden Branche (5 Ob 129/99b WoBl 2000/9 = MietSlg 51.271; 5 Ob 84/01s wobl 2002/14 [Vonkilch]).

1.2. Die Beurteilung des Rekursgerichts, dass es sich bei den von der Antragstellerin angebotenen Waren, nämlich Obst und Gemüse, Kräuter, Brot, Gebäck, Käse, Kartoffeln, Fleisch, Wurst um das geradezu typische Warenangebot eines Nahversorgers handelt, ist nicht zu beanstanden. Dabei würden auch die von der Antragsgegnerin vermissten Feststellungen, wonach die Antragstellerin auch Straußensteaks, -schinken, -pasteten und -eier, Hirsch- und Wildschweinschinken, Hirschbeißer, Wildschweinsalami, Biofrischfleisch vom Almochsen, vom Lamm und von der Ente, Biolammbratwürste, frisch gepresstes Bioleinöl, Bioteigwaren, Schafsbrimsen, Bio-Mozzarella, Schremser Naturparkbier, Biofrucht- und Gemüsesäfte, Wildalpwasser, Bananen-Curry-Suppe und dergleichen verkauft, noch keine als unvertretbar aufzugreifende Fehlbeurteilung des Rekursgerichts begründen, hat doch einerseits auch die Versorgung mit qualitativ höherwertigen Gütern des täglichen Bedarfs noch Nahversorgungscharakter und andererseits gehören solche höherwertigen Produkte, insbesondere in Bioqualität, schon nahezu zur Standardangebotspalette von Nahversorgern. Dass das Rekursgericht beim Warenangebot der Antragstellerin noch kein Niveau des „Luxus‑Lebensmittelhandels“ angenommen hat, ist jedenfalls nicht unvertretbar, ist doch auch in der Frage, ob die vom Mieter im Mietobjekt ausgeübte Geschäftstätigkeit der Nahversorgung im engeren Sinn zuzurechnen ist, den Vorinstanzen ein gewisser Beurteilungsspielraum einzuräumen, der hier auch unter Berücksichtigung der von der Antragsgegnerin vermissten Feststellungen nicht überschritten wurde.

2.1. Der nach § 16 Abs 1 MRG ermittelte ortsübliche Hauptmietzins ist ‑ wie die Antragsgegnerin richtig erkennt ‑ zunächst dahin zu prüfen, ob er üblicherweise auch von Angehörigen jener Branche bezahlt wird, der auch der mit dem konkreten Erhöhungsbegehren konfrontierte Mieter zuzurechnen ist. Ist dies der Fall, so ist dargetan, dass die Ertragskraft der Branche ausreicht, auch mit der vollen angemessenen Miete überleben zu können (5 Ob 336/99v; RIS‑Justiz RS0107998 [T11]).

2.2. Ausgehend von den vom Erstgericht zugrunde gelegten, unstrittigen Ergebnissen des eingeholten Sachverständigengutachtens liegt der rechnerisch durchschnittlich von der Branche der Antragstellerin bezahlte Hauptmietzins bei 12,14 EUR/m². Der ortsübliche Hauptmietzins liegt dagegen bei 12,81 EUR/m². Daraus folgt, dass von der Branche der Antragstellerin der ortsübliche Mietzins durchschnittlich jedenfalls nicht bezahlt wird. Auch insoweit liegt eine Fehlbeurteilung des Rekursgerichts nicht vor.

3. Mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG ist der außerordentliche Revisionsrekurs unzulässig und folglich zurückzuweisen.

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