OGH 1Ob178/14d

OGH1Ob178/14d22.10.2014

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski, Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätin Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer als weitere Richter in der Außerstreitsache der Antragsteller 1. J***** B***** und 2. M***** B*****, vertreten durch die Holter ‑ Wildfellner Rechtsanwälte OG, Grieskirchen, gegen die Antragsgegnerin E***** AG, *****, wegen Festsetzung einer Entschädigung nach § 117 WRG (Streitwert 50.400 EUR) über den Revisionsrekurs der Antragsteller gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht vom 21. August 2014, GZ 3 R 136/14m‑5, mit dem der Beschluss des Landesgerichts Wels vom 24. Juli 2014, GZ 1 Nc 18/14d‑2, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0010OB00178.14D.1022.000

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Begründung

Mit Bescheid vom 16. 5. 2014 erteilte der Landeshauptmann von Oberösterreich der Antragsgegnerin die wasserrechtliche Bewilligung zur Erweiterung der bestehenden Abwasserleitungsanlagen und verpflichtete die Antragsteller als Eigentümer eines Nachbargrundstücks, die Errichtung sowie den Bestand, die Wartung und die Erhaltung der Kanalisationsanlage und die Verlegung eines Sickerschachts zu dulden. Den Antragstellern wurde eine Entschädigung für die Grundinanspruchnahme in Höhe von 10.800 EUR zuerkannt.

Mit ihrem unter Berufung auf § 117 Abs 4 WRG im Außerstreitverfahren gestellten Antrag vom 22. 7. 2014 begehren die Antragsteller die im genannten Bescheid zuerkannte Entschädigung mit einem Betrag von zumindest 50.400 EUR neu festzusetzen. Gegen die übrigen Punkte des wasserrechtlichen Bescheids hätten sie fristgerecht Beschwerde an das Oberösterreichische Landungsverwaltungsgericht erhoben. Mit Zustellung des erstinstanzlichen Bescheids habe die zweimonatige Frist des § 117 Abs 4 WRG zu laufen begonnen. Die ‑ zur früheren Rechtslage ‑ zu 1 Ob 95/07p ergangene Entscheidung des Obersten Gerichtshofs sei vereinzelt geblieben und schon deshalb auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar, weil § 117 Abs 4 WRG für den Fristbeginn auf die Zustellung eines Bescheids abstelle, der nur von einer Verwaltungsbehörde, nicht aber von einem Verwaltungsgericht erlassen werden könne. Nicht zuletzt aus anwaltlicher Vorsicht sei daher der Entschädigungsantrag bei Gericht eingebracht worden. Gleichzeitig werde aus ökonomischen Gründen die Unterbrechung des gerichtlichen Verfahrens bis zum Ausgang des Beschwerdeverfahrens vor dem Verwaltungsgericht beantragt.

Die Vorinstanzen wiesen den Antrag übereinstimmend zurück, wobei das Rekursgericht den ordentlichen Revisionsrekurs für zulässig erklärte. Auch nach der neuen Rechtslage beginne die in § 117 Abs 4 WRG normierte Frist zur Anrufung des Außerstreitgerichts nicht bereits mit der Zustellung des Bescheids der Wasserrechtsbehörde (erster Instanz), dessen Schicksal im Falle der Anfechtung eines hier gemäß § 60 Abs 1 WRG eingeräumten Zwangsrechts noch ganz ungewiss sei, womit die Erwägungen des Obersten Gerichtshofs zu 1 Ob 95/07p auch nach Entfall des administrativen Instanzenzugs gelten würden. Die neue Rechtslage habe in § 117 Abs 4 WRG lediglich zu redaktionellen Änderungen geführt, wogegen sich für die hier zu beurteilende Frage nichts entscheidend geändert habe, weil es ja weiterhin sachlich nicht vernünftig zu rechtfertigen wäre, die Frist für die Anrufung des Gerichts noch vor einer entgültigen Erledigung der verwaltungsrechtlichen Vorfrage beginnen zu lassen. Der ordentliche Revisionsrekurs sei mangels oberstgerichtlicher Rechtsprechung zur ab 1. 1. 2014 geltenden Rechtslage zuzulassen.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen erhobene Revisionsrekurs der Antragsteller ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig, jedoch nicht berechtigt.

Wie die Vorinstanzen zutreffend dargelegt haben, hat der Oberste Gerichtshof zu 1 Ob 95/07p (= RIS‑Justiz RS0122231 = SZ 2007/89) zu einer Konstellation, in der die Frage der (im außerstreitigen gerichtlichen Verfahren zu überprüfenden) Entschädigungsleistung von der letztinstanzlichen Entscheidung einer (dem administrativen Instanzenzug unterliegenden) Entscheidung über eingeräumte Nutzungsbeschränkungen abhing, unter anderem ausgeführt, „dass es sachlich vernünftig nicht zu rechtfertigen ist, die Frist für die Anrufung des Gerichts auch in den hier erörterten Fällen bereits mit Zustellung des erstinstanzlichen Bescheids beginnen zu lassen, dessen Schicksal bei Ablauf der Frist ja noch ganz ungewiss ist. Erwächst die Entscheidung der Wasserrechtsbehörde I. Instanz über die Anordnungen gemäß § 34 WRG in Rechtskraft, ist für den Fristbeginn die Zustellung dieses Bescheids maßgeblich. Wird hingegen Berufung erhoben und fehlt daher jegliche Basis für eine meritorische Entscheidung des Außerstreitgerichts, beginnt die Frist erst mit Zustellung einer Sachentscheidung der Berufungsbehörde, die mit einem ordentlichen Rechtsmittel nicht mehr angefochten werden kann. Damit ist die durch den Entschädigungsausspruch der Wasserrechtsbehörde beschwerte Partei davor bewahrt, schon präventiv einen (mit Kosten verbundenen) Antrag an das Außerstreitgericht stellen zu müssen, der sich gegebenfalls in der Folge als unnötig erweist“.

Entgegen der Auffassung der Revisionsrekurswerber ist der erkennende Senat mit den Vorinstanzen der Auffassung, dass die gesetzlichen Änderungen zur Bekämpfung verwaltungsbehördlicher Entscheidungen durch das Verwaltungsgerichtsbarkeits- Anpassungsgesetz ‑ Umwelt, Abfall, Wasser BGBl I Nr 97/2013 an der Richtigkeit der Argumente nichts geändert haben, die somit auch auf die aktuelle Rechtslage zu übertragen sind, weil die seinerzeit festgestellte Regelungslücke nach wie vor besteht und es keinen Anhaltspunkt dafür gibt, dass der Gesetzgeber beabsichtigt hätte, das Bekämpfen der Entscheidung über einen allenfalls zustehenden Entschädigungsbetrag bereits vor endgültigem Feststehen des entschädigungsbegründenden Eingriffs zu erlauben oder gar zu fordern. Zutreffend hat das Rekursgericht auch darauf verwiesen, dass die Gesetzesmaterialien (ErläutRV 2290 BlgNR 24. GP, 9) in diesem Zusammenhang lediglich von redaktionellen Änderungen aufgrund des Entfalls des administrativen Instanzenzugs in den Angelegenheiten des Wasserrechts sprechen (§ 117 WRG wurde nur insofern geändert, als in Abs 4 das Wort „Berufung“ durch die Wortfolge „Beschwerde an das Verwaltungsgericht“ ersetzt wurde.).

Weiterhin spricht vieles dafür, dass § 117 Abs 4 Satz 2 WRG, der eine Bekämpfung der Entscheidung der Wasserrechtsbehörde nach Abs 1 ausschließlich durch Antragstellung beim Außerstreitgericht vorsieht, in erster Linie die Fälle des § 117 Abs 1 WRG im Auge hatte, nach dem über die Pflicht zu Leistung von Entschädigungen, Ersätzen, Beiträgen und Kosten, die entweder in diesem Bundesgesetz oder in den für die Pflege und Abwehr bestimmter Gewässer geltenden Sondervorschriften vorgesehen sind, (in erster Instanz) die Wasserrechtsbehörde entscheidet. Für derartige ‑ ausschließlich die Leistung von Entschädigungen, Ersätzen, Beiträgen und Kosten betreffende ‑ Bescheide erscheint es durchaus konsequent, zur Überprüfung allein und sofort den gerichtlichen Weg zu eröffnen. Anderes gilt allerdings ‑ wie im vorliegenden Fall ‑ für Entschädigungen, die nicht alleiniger Verfahrensgegenstand sind, sondern vielmehr iSd § 117 Abs 2 WRG im Zusammenhang mit der Verleihung einer wasserrechtlichen Bewilligung oder der Einräumung eines Zwangsrechts festgesetzt werden, kann doch dort die Entschädigungsfrage nicht losgelöst vom endgültigen Schicksal des übrigen Bescheids vom Außerstreitgericht überprüft werden, sondern stellt sich diese letztlich überhaupt nur dann, wenn das Verfahren um Verleihung der wasserrechtlichen Bewilligung oder der Einräumung eines Zwangsrechts im positiven Sinn rechtskräftig abgeschlossen ist.

Warum es in diesem Zusammenhang von Bedeutung sein sollte, dass nunmehr für die Überprüfung von Bescheiden der Wasserrechtsbehörde grundsätzlich die Verwaltungsgerichte ‑ und nicht mehr eine Verwaltungsbehörde zweiter Instanz ‑ zuständig sind, vermögen die Revisionsrekurswerber nicht zu erklären. Ebensowenig vermag ihr Argument zu überzeugen, die bereits mehrfach erwähnte Vorjudikatur habe eine Entschädigung nach Festlegung eines Quellschutzgebiets betroffen, wogegen es hier um die Entschädigung nach Einräumung einer Zwangsdienstbarkeit geht. In beiden Fällen stellt sich doch gleichermaßen die Frage, ob dem Gesetzgeber zu unterstellen ist, der allenfalls nachteilig betroffenen Partei die Möglichkeit der gerichtlichen Überprüfung eines von der Wasserrechtsbehörde zuerkannten Entschädigungsbetrags bereits zu einem Zeitpunkt einzuräumen, zu dem noch offen ist, ob die bescheidmäßige Bewilligung des Eingriffs überhaupt Bestand hat oder sich letztlich gar nicht realisieren wird.

Entgegen der Auffassung der Revisionsrekurswerber erscheint es somit (weiterhin) rechtsrichtiger, sich am vernünftigerweise zu unterstellenden Gesetzeszweck zu orientieren und nicht bloß am Gesetzeswortlaut („Bescheid“), der offensichtlich nur die Fälle des § 117 Abs 1, nicht aber „abhängige“ Entschädigungsbescheide iSd § 117 Abs 2 WRG im Auge hat.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte