OGH 10Ob61/14i

OGH10Ob61/14i21.10.2014

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Fellinger, Dr. Hoch, Dr. Schramm und die Hofrätin Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Pflegschaftssache der minderjährigen K*****, geboren am 29. August 2001, und N*****, geboren am 10. August 2006, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Bruders S*****, vertreten durch Dr. Thomas Krankl, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 25. August 2014, GZ 42 R 310/14w, 42 R 311/14t‑207, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0100OB00061.14I.1021.000

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Zu der vom Revisionsrekurswerber in seinem Rechtsmittel im Wesentlichen relevierten Verletzung des rechtlichen Gehörs im erstinstanzlichen Verfahren ist darauf hinzuweisen, dass zwar nach der jüngeren Rechtsprechung des EGMR (vgl Micallef gegen Malta, 17056/06, vom 15. 10. 2009) die Verfahrensgarantien des Art 6 Abs 1 EMRK im Allgemeinen auch für das Provisorialverfahren gelten. Der EGMR verneinte aber die Anwendbarkeit dieser Bestimmung für jene Ausnahmefälle, in denen die Effektivität der Maßnahme von einer raschen Entscheidung abhängt. Es wird daher im Verfahren über die Obsorge und die persönlichen Kontakte die Anordnung einer vorläufigen Maßnahme ohne vorangehende Anhörung des Antragsgegners insbesondere dann zulässig sein, wenn zum Schutz eines Minderjährigen aufgrund besonderer Umstände eine vorläufige Entscheidung unverzüglich zu treffen ist (vgl Beck in Gitschthaler/Höllwerth , AußStrG § 107 Rz 47 mwN; 3 Ob 263/09m ua).

Die Frage, ob die Voraussetzungen für ein Unterbleiben der Anhörung des Revisionsrekurswerbers im erstinstanzlichen Verfahren gegeben waren, muss hier aber nicht abschließend beurteilt werden. Nach ständiger Rechtsprechung erfordert der Grundsatz des Parteiengehörs im Außerstreitverfahren, dass der Partei ein Weg eröffnet wird, auf dem sie ihre Argumente für ihren Standpunkt vorbringen kann. Das rechtliche Gehör ist daher auch dann gewahrt, wenn sich die Partei nur schriftlich äußern konnte oder geäußert hat (RIS‑Justiz RS0006048; RS0006036). Eine mögliche Verletzung des rechtlichen Gehörs im Verfahren erster Instanz wird geheilt, wenn die Möglichkeit bestand, den eigenen Standpunkt im Rekurs zu vertreten (RIS‑Justiz RS0006057). Dieser Grundsatz gilt auch nach Inkrafttreten des AußStrG 2005 (8 Ob 22/13p ua; RIS‑Justiz RS0006057 [T12]).

Im vorliegenden Fall hatte der Revisionsrekurswerber in seinem Rekurs gegen die Entscheidung des Erstgerichts Gelegenheit, seinen Standpunkt darzulegen. Das Rekursgericht hat sich mit diesen im Rekurs vorgetragenen Argumenten inhaltlich auseinandergesetzt, sodass ein allfälliger Mangel des Verfahrens erster Instanz geheilt ist.

In der Entscheidung der Vorinstanzen, der Revisionsrekurswerber habe sein Kontaktrecht zu seinen Geschwistern im vereinbarten Umfang aufgrund der festgestellten Belastungen der beiden Minderjährigen und des deshalb eingeschränkten Kontaktrechts des Vaters vorläufig gänzlich in Abwesenheit des Vaters durchzuführen, kann keine vom Obersten Gerichtshof im Einzelfall aufzugreifende Fehlbeurteilung erblickt werden. Der außerordentliche Revisionsrekurs war daher mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG zurückzuweisen (§ 71 Abs 3 AußStrG).

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