OGH 3Ob263/09m

OGH3Ob263/09m27.1.2010

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie die Hofräte und Hofrätinnen Hon.-Prof. Dr. Sailer, Dr. Lovrek, Dr. Jensik und Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj 1. Lukas R*****, geboren am ***** 2002, und 2. Jonas R*****, geboren am ***** 2005, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Vaters Reinhard E*****, vertreten durch Sattlegger Dorninger Steiner & Partner, Anwaltssocietät in Wien und Linz, gegen den Beschluss des Landesgerichts Eisenstadt als Rekursgericht vom 17. November 2009, GZ 20 R 150/09x-35, womit über Rekurs des Vaters der Beschluss des Bezirksgerichts Neusiedl am See vom 5. August 2009, GZ 1 Ps 309/09k-31, in seinem Punkt 1. mit einer Maßgabe bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 71 Abs 3 AußStrG).

Text

Begründung

Die Eltern der Kinder Lukas und Jonas waren nicht verheiratet. Die alleinige Obsorge steht der Mutter zu.

Mit Punkt 1. seines Beschlusses ON 31 wies das Erstgericht den Antrag des Vaters ab, ihm ein vorläufiges Besuchsrecht in begleiteter Form einzuräumen, und setzte vorläufig jeden Kontakt zwischen Vater und Kindern bis zur mündlichen Verhandlung nach Einlangen eines kinderpsychologischen Sachverständigengutachtens aus, darüber hinaus für den Fall der erneuten Aufnahme von Ermittlungen gegen ihn wegen des Verdachts des sexuellen Missbrauchs bis zur rechtskräftigen Beendigung des Strafverfahrens. Mit Punkt 2. trug das Erstgericht dem Vater einen Kostenvorschuss von 2.000 EUR für das einzuholende kinderpsychologische Gutachten auf. Zu Punkt 3. erkannte es seinem Beschluss vorläufige Verbindlichkeit zu.

Das Rekursgericht reduzierte über Rekurs des Vaters den Kostenvorschuss auf 1.000 EUR und gab mit dem gegen den Punkt 1. gerichteten Rekurs mit der Maßgabe nicht Folge, dass der letzte Nebensatz lautet: „... bis zur rechtskräftigen Beendigung des Strafverfahrens gegen den Kindesvater wegen des Verdachts des sexuellen Missbrauchs". Es sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

Rechtliche Beurteilung

Der außerordentliche Revisionsrekurs ist nicht zulässig.

Entgegen der Ansicht des Vaters kann - schon von der insoweit unveränderten - Formulierung des Spruchs der bekämpften Entscheidung kein Zweifel daran bestehen, dass es sich um eine solche über „einstweilige Maßnahmen" handelt. Der Vater selbst hatte - verbunden mit einem Fristsetzungsantrag (ON S-28) - ausdrücklich ein vorläufiges „Besuchsrecht", demnach die vorläufige Einräumung der Ausübung des Rechts auf persönlichen Verkehr mit seinen Kindern iSd § 107 Abs 2 AußStrG, beantragt. Auch das Kontaktverbot wird ausdrücklich als vorläufig bezeichnet, es geht also um eine Provisorialentscheidung im Sinn der Rechtsprechung zum (vom Erstgericht zum Teil wörtlich wiedergegebenen und vom Rekursgericht angeführten) § 176 ABGB (RIS-Justiz RS0007035). Dass dem Vater jeglicher Kontakt mit den Kindern untersagt wird, kann in Wahrheit nicht zweifelhaft sein, wird doch im erstinstanzlichen Beschluss gerade aus einem solchen die Gefährdung der Kinder abgeleitet.

Mit der behaupteten Verletzung der Unschuldsvermutung, des Rechts auf Gehör und auf ein faires Verfahren vermag der Vater das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage nicht darzulegen. Die EMRK gilt nach ständiger Rechtsprechung für das - nach der EO grundsätzlich einseitige - Provisorialverfahren nicht, auch nicht in Verfahren nach § 107 Abs 2 AußStrG (RIS-Justiz RS0074799, besonders [T7, T10]; RS0028350 [T3, T4]). Auch wenn in jüngeren Entscheidungen des EGMR anderes judziert wurde (G. Kodek, Die Anwendbarkeit von Art 6 EMRK im Provisorialverfahren, Zak 2010, 8) hat der Gerichtshof in seiner jüngsten Entscheidung (vom 15. Oktober 2009, Nr 17056/06, Micaleff versus Maltz) diese Anwendbarkeit jedenfalls für die Ausnahmefälle verneint, wenn die Effektivität der Maßnahme von einer raschen Entscheidung abhängt. Dass dies in einer Besuchsrechtssache, wo es um den Verdacht von Kindesmissbrauch geht, der Fall ist, liegt auf der Hand. Um ein Strafverfahren geht es hier nicht. Soweit ein Abweichen von der Entscheidung 1 Ob 265/00b releviert wird, kann die von Amts wegen angeordnete Aussetzung des Kontakts nicht tangiert sein, weil insoweit kein Antrag abgewiesen wurde. Mag nun auch vor Abweisung eines Antrags auf Erlassung einer vorläufigen Maßnahme (hier nach § 107 Abs 2 AußStrG) in der Regel zur Wahrung des Kindeswohls die Aufnahme sämtlicher relevanter Beweise erforderlich sein (1 Ob 265/00b ua; RIS-Justiz RS0014299), kann doch nicht übersehen werden, dass es in den angeführten Entscheidungen durchwegs um zum Schutz von minderjährigen Kindern beantragte vorläufige Maßnahmen ging. Dagegen erfordert hier das Wohl der Kinder nach der Beurteilung der Tatsacheninstanzen gerade das Unterbinden jeglichen Kontakts mit dem Vater mit einer vorläufigen Maßnahme iSd § 176 ABGB (RIS-Justiz RS0007035), womit auf die Dauer der Kontaktsperre ein vorläufiges Besuchsrecht unvereinbar ist. Unter diesen besonderen Umständen wirft daher die sofortige Abweisung des väterlichen Antrags keine erheblichen Rechtsfragen auf; dies umso weniger, als es dem Vater freisteht, sofort nach Ende der von Amts wegen getroffenen vorläufigen Maßnahme erneut eine vorläufige Regelung des persönlichen Verkehrs mit seinen Kindern zu beantragen.

Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG).

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte